Interview mit Grünen-Fraktionsvizen Krischer hält Fahrverbote in Bonn und Köln für möglich

Berlin · Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sieht in der Hardware-Nachrüstung der Diesel-Flotte auf Kosten der Hersteller die einzige Chance, Fahrverbote in Kommunen noch abzuwenden.

 Gibt es bald Dieselfahrverbote für Städte?

Gibt es bald Dieselfahrverbote für Städte?

Foto: dpa

Am Montag trifft die Bundeskanzlerin die Oberbürgermeister jener Kommunen, in denen Diesel-Fahrverbote drohen. Was kann Angela Merkel den Städten bieten, um Verbote noch zu verhindern?

Oliver Krischer: Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass die acht Millionen Diesel-Fahrzeuge in Deutschland, die die EU-weit gültigen Stickstoff-Grenzwerte nicht einhalten, von der Automobilindustrie auf Kosten der Hersteller nachgerüstet werden. Das ist meiner Ansicht nach die einzige Chance, um Fahrverbote noch zu vermeiden. Doch nach allem, was ich höre, soll darüber bei dem Treffen am Montag überhaupt nicht geredet werden. Die Bundeskanzlerin will lediglich etwas Geld verteilen und somit den 36 Oberbürgermeistern Beruhigungspillen verabreichen.

Frau Merkel und die Oberbürgermeister können die Fahrverbote kaum verhindern, wenn Gerichte sie erst aussprechen?

Krischer: Noch hätte die Bundeskanzlerin das Heft des Handelns selbst in der Hand. Im Urteil des Stuttgarter Verwaltungsgerichtes steht klipp und klar, dass auf Fahrverbote verzichtet werden kann, wenn endlich sichtbar wird, dass es ernsthafte Anstrengungen gibt, die Autos sauber zu machen. Das ist bisher nicht erkennbar. Und hier muss Merkel das richtige Signal setzen.

Muss Merkel den Autobossen eine Frist setzen?

Krischer: Das Ziel muss sein, dass wir 2018 an allen Stationen in Deutschland die Grenzwerte unterschreiten. Das würde den echten Willen, die Luft sauber zu machen, dokumentieren.

Womit muss die Autoindustrie ihre Diesel-Flotte nachrüsten?

Krischer: Software-Updates reichen nicht aus. Sie bringen nach Berechnungen des Umweltbundesamtes lediglich einen Rückgang der Stickstoff-Emissionen im einstelligen Prozentbereich. Damit bewegen wir uns ganz sicher auf Fahrverbote zu. Es hilft nur, Hardware nachzurüsten, beispielsweise durch den Einbau größerer Ad Blue-Tanks zur Abgasreinigung. Ich fahre einen Passat Diesel, Euro Norm 6, der überhaupt keinen Ad Blue-Tank hat. Obwohl da Bluemotion draufsteht, überschreitet er dreifach den Grenzwert. Es fehlt also auch an neueren Fahrzeugen an vielen Ecken. Die Umrüstung müssen die Hersteller bezahlen, die haben das Problem schließlich auch verursacht.

Was heißt das für unsere Region – Bonn, Köln, Düsseldorf?

Krischer: Wenn die Bundesregierung die Autoindustrie nicht dazu bringt, die Diesel-Fahrzeuge auf Kosten der Hersteller nachzurüsten, wird es in Bonn, Köln, Düsseldorf oder Aachen, aber auch in kleineren Städten wie Düren, flächendeckend zu Fahrverboten kommen. Das muss Merkel dann den Menschen erklären. Am Ende landet das Problem bei den Kommunen, die das umsetzen müssen. Gerichte werden solche Fahrverbote dann als Notmaßnahme anordnen, weil die Politik nicht handelt.

Wenn die Bundesregierung jetzt Geld verteilt, bis wann können die Kommunen denn mit den Millionen rechnen?

Krischer: Ich höre von einer Summe zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Euro, wobei dabei noch nicht geklärt ist, ob sich auch die Länder beteiligen müssen. Aber das ist gar kein neues Geld, sondern ist im Bundeshaushalt ohnehin schon für Verkehrsprojekte vorgesehen. Es wird also nur umgeschichtet, weil der Bundestag vor der Bundestagswahl ja keine neue Haushaltsentscheidung treffen kann. Wenn damit jetzt Radwege gebaut oder Elektrobusse gekauft werden, was ich sehr begrüßen würde, wirkt das nicht so schnell, dass wir deswegen ab 2018 saubere Luft kriegen.

Was ist mit dem 500-Millionen-Euro-Fonds „Nachhaltige Mobilität für die Stadt“, in den die Autoindustrie miteinzahlen soll?

Krischer: Die ausländischen Hersteller wollen nicht einzahlen und den vereinbarten Betrag auf 250 Millionen Euro aufstocken. Wenn das so bleibt, dürften BMW, VW und Daimler ihre Zusage von Anfang August auch noch einmal überdenken. Da wird gerade hinter den Kulissen viel gestritten. Die 250 Millionen sind aber grundsätzlich ein Witz, wenn man anschaut, welche Schäden und Probleme die Hersteller verursacht haben.

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