Ärger um Naturprojekt Kompromiss Streuobstwiese

Bornheim-Brenig · Die Brenigerin Elisabeth Hillebrand-Guessant muss auf Anweisung des Rhein-Sieg-Kreises ihren Wildgarten im Naturschutzgebiet in eine Streuobstwiese umwandeln. Der Grund: Dort dürfen eigentlich nur einheimische Pflanzen wachsen.

 Überlegt sich, ihren Wildgarten in Brenig in eine Streuobstwiese umzuwandeln: Elisabeth Hillebrand-Guessant hier in ihrem erlebnispädagogischen Gartenteil

Überlegt sich, ihren Wildgarten in Brenig in eine Streuobstwiese umzuwandeln: Elisabeth Hillebrand-Guessant hier in ihrem erlebnispädagogischen Gartenteil

Foto: Axel Vogel

. Es ist nicht weniger als ein grünes Paradies, das Elisabeth Hillebrand-Guessant in den letzten 20 Jahren für sich und andere in Brenig geschaffen hat. Zwei Hektar misst ihr Gartengrundstück, das entspricht der Fläche von drei Fußballfeldern. Wildkräuter- und Gemüsebeete findet man dort, einen Balancierparcours aus alten Bäumen, üppige Johannisbeer- und Stachelbeersträucher. Durch das hohe Gras, das nur einmal im Jahr mit der Sense gemäht wird, schlängelt sich eine Blindschleiche. Auch andere Amphibien sind heimisch geworden, etwa Eidechsen und Salamander. Regelmäßig sichtet Hillebrand-Guessant Vögel, die auf der Roten Liste stehen.

In Projekten bringt die fünffache Mutter Kindern und Erwachsenen die Natur nahe. So arbeitet sie mit dem Jugendamt Köln zusammen und ermöglicht Kindern mit Erziehungsbeistand Naturerlebnisse. Zum Beispiel baut sie mit ihnen ein Lehmdorf und einen Lehmofen, um Mahlzeiten aus Selbstgeerntetem zuzubereiten. Wenige Regeln, viel Platz zum Bewegen und der Aufenthalt in der Natur tun ihren Teil. „Die Betreuer erkennen die Kinder oft nicht wieder“, sagt Hillebrand-Guessant. Die Kinder seien im Garten meist sehr ausgeglichen.

Daneben bietet die studierte Ethnologin auch Kindergeburtstage, Wildkräuterführungen und Bambusworkshops für Erwachsene an. Um sich finanziell abzusichern, arbeitet sie ein paar Stunden in einem Büro. Den Großteil ihres Lebensunterhalts kann sie aber durch den Garten erwirtschaften. Im September 2015 dann kommt es plötzlich zu Ärger. Das Amt für Natur- und Landschaftsschutz des Rhein-Sieg-Kreises wird auf den Garten aufmerksam. Es liegt im Naturschutzgebiet Mühlbachtal. Deshalb dürfen eigentlich nur einheimische Pflanzen dort wachsen, und der Zutritt vieler Menschen soll vermieden werden.

Hillebrand-Guessant schreibt einen Anhörungstext, in dem sie ihr Konzept darlegt. Es kommt zu zwei Begehungen des Amtes. Da die 57-Jährige ihren Lebensunterhalt mit ihrem Garten verdient, darf sie unter bestimmten Auflagen vorläufig weitermachen. Schließlich möchte Hillebrand-Guessant ohnehin in fünf Jahren mit ihrem Mann nach Frankreich ziehen. Bis dahin darf sie den Garten noch eingeschränkt weiter nutzen und muss ihn als Kompromiss Stück für Stück in eine Streuobstwiese umwandeln.

„Der Natur- und Artenschutz hat Vorrang“

Die ursprüngliche Auflage war, die Natur wieder sich selbst zu überlassen – doch dann würden die Brombeeren alles überwuchern, fürchtet Hillebrand-Guessant. Die ungewisse Zeit im Herbst 2015 bis zur Entscheidung des Rhein-Sieg-Kreises bezeichnet die Naturpädagogin im Rückblick als existenzbedrohend. Sie konnte viele Aufträge nicht annehmen, weil sie nicht wusste, ob sie weitermachen durfte.

Nun hat sie für ihre Arbeit in diesem Jahr Kontingente und darf etwa zehn Kindergeburtstage pro Saison anbieten. Die Lehmkuhle indes darf Hillebrand-Guessant nicht mehr nutzen – wollte sie mit den Kindern mit Lehm arbeiten, müsste sie ihn kaufen. Kostenlose Veranstaltungen fallen wegen des großen Publikumsverkehrs ganz weg. Davon sind auch Angebote für Flüchtlinge betroffen.

Der Rhein-Sieg-Kreis betont die besondere ökologische Bedeutung des Naturschutzgebietes. Hillebrand-Guessant habe den Garten nach und nach umgestaltet und auch fremdländische Gehölze sowie Ziergehölze angepflanzt. „Es gibt gewisse Regelungen, die man berücksichtigen muss. Der Natur- und Artenschutz hat Vorrang“, sagt Katja Eschmann von der Pressestelle. Hillebrand-Guessant ist erleichtert, dass sie – wenn auch eingeschränkt – weitermachen kann. „Es war eine tolle Zusammenarbeit mit dem Kreis. Man war absolut bereitwillig, mir im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten Spielräume zu lassen.“

Dennoch sieht sie die Einschränkungen kritisch. Sie glaubt, dass sich gesellschaftliche Denkweisen ändern müssen: „Wir müssen wieder lernen, mit der Natur zu leben, statt Reservate zu schaffen, in denen alles verwildert. Es ist ein seltsames Denken, dass wir vernichten, was uns stört, und an anderen Stellen darf niemand dran.“

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