Spektakuläre Rettung am Sonntag Kölner Seilbahn geht vorerst nicht wieder in Betrieb

Köln · Wie kann sich eine Gondel der Kölner Seilbahn so verkeilen, dass Dutzende Menschen nur noch von Höhenrettern gerettet werden können? Köln sucht nach den Gründen für den Seilbahn-Notfall.

Nach der spektakulären Rettung von 65 Menschen aus der festgefahrenen Kölner Seilbahn über dem Rhein steht die Fehlersuche noch am Anfang. „Wir können es uns im Moment absolut nicht erklären“, sagte Thomas Miebach, Geschäftsführer der Seilbahn, am Montag. Ein für Montagewagen gedachtes Hilfsseil sei rund dreieinhalb Meter in eine Richtung ausgeschlagen und habe sich dabei an einer Kabine verfangen - die sich verkeilte und die ganze Bahn durch den Not-Stopp zum Stillstand brachte. Warum aber dieses Seil so nah an eine Gondel herankommen konnte, sei noch völlig unklar.

Nach der Havarie am Sonntag hatten Höhenretter 65 Menschen aus der stillstehenden Bahn in Sicherheit bringen müssen. Da ein Großteil der 32 Kabinen über dem Rhein festhing, mussten viele Fahrgäste auf ein Feuerwehrschiff abgeseilt werden. Nach Angaben der Kölner Verkehrs-Betriebe wurde niemand verletzt. Ein Mann wurde vor Ort wegen Kreislaufproblemen behandelt, wie die Feuerwehr mitteilte.

Die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB), zu denen die Seilbahn gehört, schalteten nach eigenen Angaben bereits den TÜV Rheinland und einen externen Gutachter zur Ursachenforschung ein. Bevor es keine Klarheit gebe, werde die Seilbahn nicht wieder in Betrieb genommen.

Seilbahn-Rettung in Köln
32 Bilder

Seilbahn-Rettung in Köln

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Im Mittelpunkt der Untersuchung steht dabei das eigentlich in der Mitte der Bahn verlaufende Hilfsseil, das „Corpus Delicti“, wie es KVB-Vorstand Jörn Schwarze in einer Pressekonferenz nannte. Es hatte sich einer im Normalfall mehrere Meter entfernten Gondel so sehr genähert, dass es sich um sie wickelte und so den Not-Stopp auslöste.

Indizien, dass der Wind eine entscheidende Rolle gespielt haben könnte, gibt es laut KVB aktuell nicht. Die am Sonntag gemessenen Windgeschwindigkeiten hätten zu keinem Zeitpunkt den zulässigen Grenzwert erreicht, sagte Vorstand Schwarze. Aber aktuell schließe man keine Möglichkeit aus. Die Bahn sei auch erst am Freitag gewartet worden. Die Seile habe man 2014 und 2015 erneuert. Die KVB bestätigte, dass an der verkeilten Kabine nur Tage zuvor eine Rettungs-Übung stattgefunden hatte. Das sei aber reiner Zufall.

Die Verkehrs-Betriebe kündigten an, auf die betroffenen Fahrgäste zugehen und ihnen eine Wiedergutmachung anbieten zu wollen. Auch werde man darüber diskutieren, die Kabinen mit einer Möglichkeit auszustatten, Kontakt zum Boden aufzunehmen. Am Sonntag war es nur über Umwege gelungen, mit den festsitzenden Fahrgästen zu sprechen. Man erreiche ja auch jeden Stadtbahnwagen über Funk, sagte Schwarze. Auch bei der inzwischen 60 Jahre alten Seilbahn sei das möglich.

In der Bilanz sagte Schwarze, der Sonntag sei „kein schöner Tag“ gewesen. Menschen hätten eine entspannte Tour über den Rhein machen wollen. „Dass das nicht entspannt abgelaufen ist, dafür tragen wir als Betreiber der Kölner Seilbahn die Verantwortung.“

Johannes Feyrer, Direktor der Kölner Feuerwehr, zeigte sich froh und dankbar, dass der Einsatz so reibungslos abgelaufen sei. "Das war kein ungefährlicher Einsatz", sagte er. Dabei habe er angesichts der vielen Schaulustigen am Rheinufer manchmal den Eindruck gehabt, dass dort ein Sonntagsnachmittagsevent mit besonderer Attraktion stattgefunden habe. "Das war es für uns nicht. Unsere Einsatzkräfte haben alles gegeben."

Mit Verwunderung habe er festgestellt, dass es der Notfall bis in die New York Times geschafft habe und Glückwünsche sogar aus Japan und Kanada bei seinem Team eingegangen seien. "Dadurch wird einem erst die Dimension des Einsatzes von außen betrachtet bewusst, den wir vielleicht im ersten Moment gar nicht so wahrgenommen haben.

Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) forderte von der KVB einen „detaillierten Bericht zu diesem - man muss leider sagen - erneuten Versagen“. Er sollte in einer Sitzung des Hauptausschusses der Stadt vorgelegt werden.

Wuppertal bleibt bei Seilbahn-Plänen

Andere Kommunen in Nordrhein-Westfalen, die aktuell über neue Seilbahn-Projekte nachdenken, ließen sich von dem Vorfall zunächst nicht beeindrucken. Sowohl Wuppertal als auch Bonn erklärten, an ihren bisherigen Plänen festhalten zu wollen.

„Die Seilbahn in Köln ist überhaupt nicht baugleich mit unserem Projekt“, sagte ein Wuppertaler Stadtsprecher am Montag. Der Wuppertaler Stadtrat hat vor drei Wochen den Bau der Seilbahn unter bestimmten Voraussetzungen beschlossen. Das rund 82 Millionen Euro teure Projekt soll die innerstädtischen Verkehrsprobleme lindern und die im Tal gelegene Innenstadt besser mit der Universität verbinden. Die 22 000 Studenten fahren bislang in oft überfüllten Bussen. Die geplante Seilbahn hat eine Länge von 2800 Metern und überwindet 165 Höhenmeter. Eine Bürgerinitiative bekämpft das Vorhaben.

So lief der Unglückstag an der Kölner Seilbahn

Um 15.25 Uhr war am Sonntag ein Notruf bei der Feuerwehr Köln eingegangen. Nach Angaben der Einsatzleitung war eine Kabine mit dem vorderen Fahrwerk entgleist. In der entgleisten und in Schieflage geratenen Gondel saßen zwei Erwachsene und zwei Kinder, die gegen 17 Uhr aus der Kabine gerettet wurden. Die vier Menschen blieben unverletzt, hätten aber einen „gehörigen“ Schrecken bekommen. Ein Mann und eine schwangere Frau hatten Kreislaufprobleme.

45 Erwachsene und 20 Kinder hingen in ihren Gondeln fest. Für die Insassen startet die Kölner Feuerwehr eine spektakuläre und in dem Ausmaß eine für sie noch nicht da gewesene Rettungsaktion. Da ein Großteil der Kabinen über dem Rhein festhing, mussten zahlreiche Fahrgäste aus Höhen bis um die 50 Meter auf ein Feuerwehrschiff abgeseilt werden. 24 Gondeln wurden von den Höhenrettungs-Spezialeinheiten evakuiert. Aus acht Gondeln wurden Personen über Drehleitern vom Ufer oder von der Zoobrücke aus der beängstigenden Situation gerettet.

Rettungsaktion endete um 20.10 Uhr

Wie die Stadt Köln am Sonntagabend mitteilte, war die Rettungsaktion mit etwa 150 Feuerwehrleuten und Höhenrettern an der festhängenden Kölner Seilbahn über dem Rhein gegen 20.10 Uhr beendet. Zu diesem Zeitpunkt konnte die letzte Person von der Feuerwehr gerettet werden.

„Man ist konzentriert und versucht routiniert zu arbeiten“, sagte einer der Höhenretter. „Das Zusammenspiel war wie immer fantastisch. Das kann man nicht anders sagen.“ Die Menschen, die aus so einer Situation gerettet werden, müssten aber mitspielen. „Man redet gut zu und versucht sie da raus zu komplimentieren. Wir erklären auch jeden Handgriff, so dass die Leute sich sicher fühlen können. Es wird auch keiner gezwungen oder rausgeschubst.“ In einem Video, das bei Twitter veröffentlicht wurde, ist zu sehen, wie sich die Rettungskräfte in schwindelerregender Höhe von Kabine zu Kabine hangeln.

Bei der spektakulären Rettung über dem Rhein bekamen die Rettungskräfte hundertfachen Applaus: Als eine Mutter mit ihrem Kind aus einer Gondel auf ein Feuerwehrschiff abgeseilt wurde und beide sicher ankamen, applaudierten Zuschauer am Rheinufer spontan. Hunderte verfolgen das Geschehen von dort aus.

Am Abend hatte ein Großteil der Geretteten bereits die Heimreise angetreten, sagte ein Sprecher der Feuerwehr am Abend. Andere wiederum hätten noch weiter vor Ort betreut werden müssen. Die Rheinschifffahrt wurde für den Einsatz komplett gesperrt. Die Sperrung der Zoobrücke hielt noch länger an.

2014 gab es auch einen Seilbahn-Notfall

„Sowas ist noch nie passiert“, sagte der Sprecher der Feuerwehr Köln. „Aber es zeigt sich, dass wir diese Spezialkräfte brauchen.“ Im Oktober 2014 war es zwar bei starkem Wind zu einem Notfall an der Seilbahn gekommen. Damals musste aber nur eine Familie aus einer Gondel gerettet werden - Eltern und Kinder wurden damals auf ein Boot abgeseilt. Auch diesmal musste dieser Rettungsweg gewählt werden.

„Wir üben dieses Szenario regelmäßig, auch in eger Zusammenarbeit mit dem Betreiber der Seilbahn, der KVB“, sagte ein Sprecher der Höhenretter. Da man mit der Menge der zu rettenden Personen überfordert sei, habe man aber zusätzliche Einsatzkröfte aus Aachen, Düsseldorf und dem Bergischen Land um Hilfe gebeten. Auch Werkfeuerwehren mit ihren Hebebühnen seien nach Köln gekommen, um sich an der Rettung zu beteiligen. Außerdem ist die Feuerwehr Bonn mit einem Löschboot im Einsatz.

KVB entschuldigt sich bei den Fahrgästen

Ein Sprecher KVB entschuldigte sich bei den Fahrgästen für die Umstände. Er sei dennoch davon überzeugt, dass „die Seilbahn eines der sichersten Verkehrsmittel“ in Köln sei. Zur Ursache für den Vorfall konnte der Sprecher noch keine Angaben machen. Klar sei nur, dass sich „ein Hilfsseil um die entgleiste Kabine gewickelt hat“. Wie es dazu kommen konnte, müsse nun untersucht werden. Man werde sich für die Betroffenen aber „etwas einfallen lassen“.

Einen Zusammenhang zu einem Vorfall im Oktober 2014 schloss der KVB-Sprecher aus. Damals hatten Windböen für einen Notfall gesorgt. „Danach ist die Bahn sorgfältig untersucht und Vorkehrungen getroffen worden. Das hat nichts mit dem heutigen Vorfall zu tun. Wir messen den Wind auf den Stützen, und die Grenzwerte wurden heute nicht erreicht.“ Bei Windspitzen von mehr als 16 Metern pro Sekunde muss die Kölner Seilbahn ihren Betrieb einstellen.

(mit dpa-Material)

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