125. Geburtstag von Max Ernst Im Schlosspark malte er an der Staffelei

BRÜHL · Vor 125 Jahren wurde der Künstler Max Ernst in Brühl geboren. Der General-Anzeiger begab sich auf eine Spurensuche in der Stadt seiner Jugend.

 Das Geburtshaus von Max Ernst an der Brühler Schloßstraße 21. Es wurde 1885 im spätklassizistischen Stil erbaut. FOTO: DOMINIK SCHMITZ/LVR-ZMB

Das Geburtshaus von Max Ernst an der Brühler Schloßstraße 21. Es wurde 1885 im spätklassizistischen Stil erbaut. FOTO: DOMINIK SCHMITZ/LVR-ZMB

Foto: DOMINIK SCHMITZ/LVR-ZMB

„Sehen“ soll Max Ernst als seine Lieblingsbeschäftigung bezeichnet haben. In Holzmaserungen, Tapetenmustern und in zufällig Entstandenem entdeckte der Künstler, der zu den Wegbereitern des Surrealismus zählt, fantastische Welten und Landschaften.

Ein Teil seiner Kunst ist heute im nach ihm benannten Museum des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) in Brühl zu sehen. In der Stadt, in der auch sein Geburtshaus steht: In unmittelbarer Nähe von Schloss Augustusburg erblickte Max Ernst vor 125 Jahren, am 2. April 1891, das Licht der Welt. Vor 40 Jahren, in der Nacht zu seinem 85. Geburtstag, starb er in Paris.

Max Ernst war das dritte von neun Kindern. Als Untermieter der Familie Erven, die das Haus an der Schloßstraße 21 in Brühl im Jahr 1885 erbaut hatte, bewohnten die Ernsts vermutlich die drei Räume im ersten Stock – mit Blick auf die Orangerie des Schlosses. Von seinem Vater, der Lehrer an der Taubstummenanstalt in Brühl war, lernte Max Ernst schon früh künstlerische Techniken. Im nahen Schlosspark malte er an der Staffelei.

Heute können Schüler und Erwachsene seine Techniken im „Fantasie Labor“ ausprobieren, im Anbau des unter Denkmalschutz stehenden Geburtshauses. In den früheren Wohnräumen wiederum, die lange Zeit als Pfarrhaus dienten, befinden sich seit 2012 die Büros der Museumsverwaltung.

Einer der Schreibtische gehört Dr. Jürgen Pech. Der wissenschaftliche Leiter des Max-Ernst-Museums weiß zu berichten, dass der Künstler ein gespaltenes Verhältnis zu seiner Geburtsstadt hatte. Immerhin habe die eine seiner Arbeiten an ein Industriellenpaar aus Düren verhökert. Das Werk hatte Ernst der Stadt im Zuge einer großen Retrospektive 1951 zu seinem 60. Geburtstag im Schloss Augustusburg geschenkt.

Erst Ende der 60er Jahre habe die „Eiszeit“ zwischen dem Künstler und seiner Heimatstadt ein Ende gefunden, sagt Pech. Den Weg dafür habe der damalige neue Stadtdirektor Wilhelm Schumacher bereitet. Erneut gab es Geschenke, die die Stadt Brühl nun auch zu würdigen wusste: unter anderem das Ölgemälde „Nordlicht am Nordrhein“, das heute im Museum hängt, und mit dem der Künstler „das Fenster zu seinem Kosmos wieder öffnet“, wie Pech es interpretiert. Die Komplexität sei es, die ihn an Max Ernsts Werken fasziniere, sagt der wissenschaftliche Museumsleiter. Und so wie die Arbeiten des Künstlers oft erst auf den zweiten Blick eine andere Wirklichkeit erkennen lassen, erschließen sich manche seiner Spuren in Brühl auch erst durch den Blick des Kenners. Zum Beispiel am Steinweg, mitten im Stadtzentrum.

„Hier ging er als Jugendlicher ein und aus“, sagt Jürgen Pech und zeigt auf ein Haus mit Fachwerkstruktur im historistischen Stil, in dessen Erdgeschoss heute ein Immobilienbüro sitzt. „Früher waren hier die Kuhstallungen eines Bauernhofes“, so Pech. 1906 seien diese für ein Neubaugebiet abgerissen worden, in das auch die Familie Ernst zog – in eine Umgebung, in der „Brüche“ gegenwärtig waren, wie Pech beschreibt: Auf der einen Seite ein alter Bauernhof, auf der anderen Industrie samt Gaswerk mit einer markanten Kuppel. Und Brüche und Kontraste seien es auch, die Max Ernst in seinen Collagen miteinander verklebe.

Spannungsfeld von Tod und Glanz

Von einer weiteren Diskrepanz nimmt Pech an, dass sie den jungen Max Ernst geprägt hat. In der von Kurfürst Clemens August ausgestalteten Schlosskirche habe er die Messe besucht. Voll Prunk und Glanz ist der Hochaltar. Doch davor hätten früher Reliquienschränke mit den Knochen heiliger Jungfrauen gestanden, sagt Pech.

Das Spannungsfeld von Tod und Glanz erkennt er in Ernsts Werk „Das 20. Jahrhundert“ wieder. Dieses sei passend zum „Jahrhundert der Kriege, des Tötens“: Ungeheuer scheinen mit ihren Krallen eine Landschaft im Licht des Vollmonds zu erobern. Bis zu Beginn des Ersten Weltkrieges habe Max Ernst seine Jugend in Brühl verbracht, weiß Pech. 1919 gründet er mit Johannes Baargeld und Hans Arp die Kölner Dada-Gruppe. 1922 geht er nach Paris. Nach einer Zeit des Exils in den USA während des Zweiten Weltkriegs kehrt er später mit seiner vierten Ehefrau Dorothea Tanning zurück in seine Wahlheimat Frankreich.

An der Bonner Uni studierte Max Ernst Philologie, Philosophie, Psychologie und Kunstgeschichte. Vorübergehend habe er in einer Studentenbude an der Poppelsdorfer Allee gewohnt, schildert Pech. Ansonsten sei er als junger Mann wohl von Brühl aus mit der damaligen Vorgebirgsbahn, dem „Feurigen Elias“, oder mit dem Zug nach Bonn gefahren.

Vom Bahnhof sind es heute nur wenige Schritte vorbei am Max-Ernst-Museum und seinem Geburtshaus hinauf zum Markt und Rathaus: Hier steht der Max-Ernst-Brunnen. Die Figuren stiftete der Künstler 1971 der Stadt. Im selben Jahr wurde erstmals das Max-Ernst-Stipendium zur Förderung junger Künstler verliehen, das Max Ernst persönlich überreichte. Fünf Jahre später stirbt er in Paris.

Ob er ihn gerne kennengelernt hätte? „Nein“, antwortet Pech. Max Ernst habe seine Kunst nicht erklären wollen. Und er, Pech, lasse sich als Betrachter gerne auf das Spiel des Künstlers ein, das Zusammenwirken eines Werks zu entdecken. Eine Einladung auch an andere Betrachter, zu „sehen“: immerhin die Lieblingsbeschäftigung von Max Ernst.

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