Serie „Köln unten“ Hier versteckt sich das einzige Bergwerk in Köln

Köln · Im Hauptgebäude der Universität zu Köln verbirgt sich ein Relikt: ein täuschend echter Nachbau eines Bergwerkstollens – der Barbarastollen.

 Führt Besucher und Studierende seit Jahren regelmäßig durch den Barbarastollen: Hans Josef Henerichs.

Führt Besucher und Studierende seit Jahren regelmäßig durch den Barbarastollen: Hans Josef Henerichs.

Foto: Pascal Mühle

Es soll 1984 passiert sein: Arbeiter, die im Untergeschoss des Kölner Uni-Hauptgebäudes renovierten, schoben einen Schrank zur Seite. Dahinter tat sich ein vergessener Gang auf. Die Männer müssen sich ein wenig gefühlt haben wie Nicolas Cage als Benjamin Gates. Im Film „Das Vermächtnis der Tempelritter“ öffnet er die Geheimtür zum lang verborgenen Schatz des sagenumwobenen Ritterordens.

„Das ist schon eine verrückte Geschichte“, sagt Hans Josef Henerichs. „Vielleicht gehört auch etwas Legendenbildung dazu.“ Henerichs führt seit Jahren regelmäßig Besucher durch den Barbarastollen. „Andere erzählen, dass man ganz einfach alte Karten im Archiv der Uni gefunden und dann nachgesehen hat“, sagt er. Im zuständigen Hochschulinstitut weiß jedenfalls niemand mehr genau, wer den Barbarastollen wiederentdeckt hat.

Henerichs Tour beginnt an der Albertus-Magnus-Statue vor dem Hauptgebäude. Täglich kommen hier tausende Studierende vorbei. Dass es nur wenige Meter unter der Aula ins Bergwerk geht, ahnt wohl kaum einer von ihnen. Hinter einer schweren Eisentür im Untergeschoss öffnet sich ein geheimer Trakt. Schmale Stufen führen nach unten, dann heißt es: Helm auf und Kopf einziehen.

Etwa 25 Meter lang erstreckt sich ein Stollen. Die Decken sind knapp zwei Meter hoch. Immer wieder stoßen die Besucher mit ihren Köpfen an Stahlbalken oder flackernde Grubenlampen.

Alles sieht aus, als wären die Arbeiter gerade erst mit dem Förderkorb zur Mittagspause gefahren. Alte Werkzeuge liegen herum: Schwere Hämmer und Meißel, Schaufeln, Pressluftbohrer. Zwischen Schutt und Steinen glitzern Kohlenstücke auf den Schüttelrutschen. Eine Lore steht auf Schienen. Das Licht ist schummrig, die Luft warm und stickig. Ein paar Zentimeter echte Steinkohle kleben als Film an den Wänden. Nach kurzer Zeit meint man, Ruß zu riechen.

Im Jahr 1932 ließ die Universität den Barbarastollen im Keller bauen. Der Essener Maler und Graphiker Kurt Holl baute ein Bergwerk der 1930er Jahre täuschend echt nach. Verschiedene Firmen lieferten Werkzeuge und Maschinen aus echten Zechen. Der Nachbau – benannt nach der Schutzpatronin der Bergleute – war Teil des Museums für Handel und Industrie, das damals zur Uni gehörte.

„Im Stollen sollten den Geologen Studieninhalte in realitätsnaher Umgebung vermittelt werden“, erklärt Henerichs. Im Zweiten Weltkrieg geriet die Anlage dann in Vergessenheit.

Mittlerweile ist das Institut für Arbeitsmedizin der Kölner Uniklinik für den Barbarastollen zuständig. Neben der alten Technik des Bergbaus kann man dort vor allem die harten Bedingungen sehen, unter denen in den 1930er Jahren Kohle abgebaut wurde. Auch wenn ein Besuch im Stollen schon lange nicht mehr zum festen Lehrplan der Arbeitsmedizin gehört, können Studierende und Mitarbeiter der Uni jederzeit eine Führung beim Institut anfragen.

Köln selbst war nur sehr kurz Bergbaustadt. In Kalk hatte man Mitte des 19. Jahrhunderts ein Braunkohleflöz gefunden und begonnen, es abzubauen. Die Stollen liefen allerdings immer wieder mit Grubenwasser voll. Nach kurzer Zeit waren die Geldreserven des Bergwerk-Betreibers erschöpft. Die Gebrüder Sünner kauften das Gelände, bis heute hat die Kölner Traditionsbrauerei dort ihren Sitz.

Damit ist der Barbarastollen das einzige Bergwerk in Köln. Und auch als Nachbau gilt für den Keller-Tunnel das Bundesberggesetz. Privatleute können die Tour von Henerichs unter anderem über die Volkshochschule Rhein-Erft buchen, auf der Webseite sind die Termine veröffentlicht. Und dann heißt es mitten in Köln: Glück auf!

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