Uniklinikum Bonn reagiert Gewalt in Notaufnahmen in Deutschland nimmt zu

KÖLN/BONN · Immer mehr Krankenhäuser in Deutschland engagieren Sicherheitsdienste, um ihr Personal vor Übergriffen aggressiver Patienten zu schützen. Auch das Bonner Uniklikum reagiert auf den Gewaltanstieg.

20 Uhr in der Notaufnahme eines Kölner Krankenhauses: Ein betrunkener Mann mit einer Platzwunde am Kopf will plötzlich nicht mehr länger im Gang vor dem Behandlungszimmer warten. Er brüllt Krankenschwestern und Ärzte an und tritt gegen Türen und Wände. Eine Mutter, die mit ihrer Tochter darauf wartet, dass deren gebrochener Finger geschient wird, beschließt, lieber woanders zu warten: „Ein bisschen unheimlich ist das schon, wenn man das mitbekommt“, sagt sie.

Immer mehr Kliniken in Deutschland sehen sich mit dem Problem konfrontiert, dass ihr medizinisches Personal von aggressiven, betrunkenen oder geistig verwirrten Patienten attackiert wird - manchmal nur verbal, zunehmend aber auch mit physischer Gewalt. Bei einer Studie der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege gaben 79 Prozent des Pflegepersonals in Kliniken an, bereits Opfer von verbaler Gewalt geworden zu sein, 56 Prozent auch von körperlicher. Und auch in einer Umfrage unter 600 Angestellten eines Nürnberger Krankenhauses berichteten mehr als 70 Prozent der Befragten, schon einmal Opfer von verbalen oder körperlichen Angriffen geworden zu sein.

„Leider ist aggressives Verhalten, speziell in der Notaufnahme, auch bei uns an der Tagesordnung“, sagt Stefan Dreising vom Universitätsklinikum Düsseldorf: „Häufig sind es verbale Angriffe, Drohgebärden oder zum Teil wüste Beschimpfungen. Das geht durch alle gesellschaftlichen Schichten und Altersklassen.“ Auf dem Klinikgelände gebe es daher schon seit Jahren 24 Stunden am Tag einen Sicherheitsdienst, der auch im Bereich der Notaufnahme im Einsatz sei.

Druck auf Notaufnahmen wächst

Auch die Uniklinik der RWTH Aachen verfügt seit Jahren über einen eigenen Sicherheitsdienst. „Wir haben 16 Leute, die in drei Schichten arbeiten“, sagt Kliniksprecher Mathias Brandstätter: „Ich bin mir sicher, dass mittlerweile alle großen Häuser über einen Sicherheitsdienst verfügen, vor allem dann, wenn sie eine psychiatrische Notaufnahme haben.“ Bei Schwierigkeiten auf die Polizei zu warten, dauere oft zu lang: „Da ist es leichter, jemanden vor Ort zu haben.“ Der Druck auf die Notaufnahmen wachse, meint Brandstätter: „Die Ungeduld der Patienten nimmt zu.“

„Wir erleben derzeit eine totale Verrohung bei einigen Patienten und ihren Angehörigen gegenüber medizinischem Personal“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Man muss sich immer vergegenwärtigen, dass die Sicherheit von Ärzten und Angehörigen der Gesundheitsberufe ein unverzichtbarer Bestandteil der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung ist.“

Uniklinkum Bonn schult Mitarbeiter

Private Sicherheitsunternehmen haben Kliniken längst als neue Zielgruppe erkannt. Der Wach- und Sicherheitsdienst Paffen aus Rheinbach in Nordrhein-Westfalen etwa wirbt auf seiner Website offen um Kundschaft unter Klinikbetreibern: „Gesundheitseinrichtungen greifen immer mehr auf qualifizierte Sicherheitsdienste zurück“, heißt es dort. „Das Aggressionspotenzial wächst immer mehr, wir haben sehr viele Anfragen“, berichtet Mitarbeiter Oliver Misch. Das Sicherheitspersonal sei darin geschult, deeskalierend vorzugehen: „Es geht darum, eine schwierige Situation zu beenden. Wenn sich die betreffende Person beruhigt hat, können wir weiterziehen.“

Auch viele Kliniken schulen ihre Mitarbeiter mit Deeskalationstrainings im Umgang mit schwierigen Patienten, so etwa das Uniklinikum Bonn: Alle Mitarbeiter der Notfallambulanzen nähmen daran teil, erläutert Sprecherin Magdalena Nitz.

Bundesärztekammerpräsident Montgomery fordert Aufklärungskampagnen, die verdeutlichen, „dass diese Menschen Retter und Helfer sind“. Zudem ruft er den Gesetzgeber dazu auf, medizinisches Personal und Rettungskräfte besser vor Gewalt zu schützen.

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