„Waffen sind nichts für Amtsträger“ Diskussion um bewaffnete Bürgermeister im Rheinland

Düsseldorf · Viele Bürgermeister in Nordrhein-Westfalen erhalten immer wieder Beleidigungen und Morddrohungen. Nachdem sich nun einer bewaffnen will und klagt, ist eine Diskussion um Selbstbewaffnungen entbrannt.

 Ein Polizist mit einer "Glock 46". Halten bald auch Bürgermeister solche Waffen in den Händen?

Ein Polizist mit einer "Glock 46". Halten bald auch Bürgermeister solche Waffen in den Händen?

Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Altenas Bürgermeister Andreas Hollstein (CDU) lässt sich nicht einschüchtern. Trotz einer Messerattacke, bei der er im November 2017 beinahe ums Leben gekommen wäre, und konkreten Morddrohungen im vergangenen Jahr, hält er an seiner Haltung fest und steht weiter ein für eine Gesellschaft ohne Hass und Gewalt. Trotz aller Anfeindungen und Drohungen habe er nie an eine Selbstbewaffnung gedacht. „Nein, das kam und kommt für mich nicht in Frage“, sagt Hollstein, der für die CDU in Dortmund bei der anstehenden Kommunalwahl als OB-Kandidat ins Rennen geht.

Nachdem bekannt geworden ist, dass sich ein Bürgermeister aus dem Rheinland wegen einer Gefährdungslage aus dem rechtsextremen Milieu bewaffnen möchte, gibt es eine neue Debatte über die zunehmenden Anfeindungen gegen Amts- und Mandatsträger – und wie man sie besser schützen kann. Das rheinische Stadtoberhaupt hatte vergeblich einen großen Waffenschein bei der Polizei beantragt. Deswegen zog er vor das Düsseldorfer Verwaltungsgericht, das am 21. Januar über sein Bestreben verhandeln wird.

Für Andreas Hollstein gehören Schusswaffen in einem Rechts­staat nicht in die Hände von Amtsträgern. „Dafür ist die Polizei zuständig“, sagt er. „Ich habe aber Verständnis für die Sorge meines Amtskollegen“, sagte Hollstein. „Die Anfeindungen gegen uns Bürgermeister haben zugenommen. Ich weiß von Amtskollegen, dass sie überlegen, deswegen aufzuhören. Mein Credo lautet allerdings: Mut und Haltung. Und dafür stehe ich auch ein. Das Problem kann nur zivilgesellschaftlich gelöst werden, wenn jede Form von Gewalt geächtet wird“, so Hollstein.

Wegen der zunehmenden Bedrohungslage haben das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt und das Innenministerium bereits eine Liste mit Präventionshinweisen für Personen des öffentlichen Lebens herausgegeben. Für den Notfall gibt es sogar eine Rufnummer bei der Polizei, die 24 Stunden am Tag erreichbar ist. Zum Thema Selbstbewaffnung heißt es in dem Informationsblatt an die Amtsträger: „Die Polizei bewertet den Einsatz sogenannter Abwehrwaffen wie Abwehrsprays kritisch. Jede Unsicherheit in der Handhabung, jede zeitliche Verzögerung des Einsatzes kann fatale Folgen für einen selbst haben. Täter könnten einem die Abwehrwaffe entreißen und sie dann gegen einen selbst einsetzen.“

Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos), die wie Hollstein Opfer einer schweren Messerattacke wurde, hält ebenfalls nichts von einer Selbstbewaffnung. Das käme für sie nicht in Frage, ließ sie über ihren Sprecher auf Anfrage mitteilen. Allein im vergangenen Jahr hat es gegen Reker nach Angaben ihres Sprechers etwa 50 Beleidigungen und Drohungen per Mail gegeben; hinzu kommen rund 30 pro Monat in den sozialen Medien; mindestens einmal pro Monat werde den Polizeibehörden ein entsprechender Vorgang zur Überprüfung weitergeleitet, so ihr Sprecher. Bedroht werde sie in anonymen Briefen und Mails sowie auf Social-Media-Plattformen. Der ganz überwiegende Teil dieser Anfeindungen und Drohungen sei anonym oder nicht mit Klarnamen der Absender versehen, so ihr Sprecher.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) und die Polizei lehnen eine Selbstbewaffnung ab. Die Deutsche Polizeigewerkschaft fordert stattdessen eine Lockerung des Datenschutzes, um leichter anonyme Verfasser von Hassmails ermitteln zu können. Der NRW-Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Bernd Jürgen Schneider, forderte, sich Hass und Hetze konsequent entgegenzustellen. „Das schließt ausdrücklich mit ein, so etwas zur Anzeige zu bringen und strafrechtlich zu verfolgen“, so Schneider. Er würde es begrüßen, wenn Betreiber sozialer Netzwerke in Zukunft Hasspostings dem Bundeskriminalamt melden müssten.

Sven Wolf, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag NRW, zeigte sich erschüttert, dass sich ein Bürgermeister so massiv von Rechtsradikalen bedroht fühlt, dass er sich zum Eigenschutz eine scharfe Schusswaffe zulegen will. „Die Gewaltbereitschaft von Rechts bleibt die größte Gefahr für die öffentliche Sicherheit und unsere Demokratie“, sagte Wolf. „Wir müssen als Rechtsstaat verhindern, dass Menschen das Bedürfnis empfinden, sich selbst zu bewaffnen“, betonte er.

Das würde insbesondere für Menschen in öffentlichen Funktionen gelten; diesen gegenüber habe der Staat eine besondere Schutzpflicht, sagt der SPD-Politiker. Er forderte NRW-Innenminister Reul zur weiteren Aufklärung in dem Fall auf.

Die letzten beiden Morddrohungen hat Altenas Bürgermeister Andreas Hollstein im Juni des vergangenen Jahres bekommen, unmittelbar nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke durch einen Rechtsextremisten. „Die Drohungen gegen mich waren so konkret, dass ich Objektschutz durch den Staatsschutz bekommen habe“, sagt Hollstein. „Das kann man nicht ausblenden, aber man kann damit umgehen.“

Er sagt über sich, er sei ohnehin kein ängstlicher Typ. „Sonst könnte ich mich auch nicht um das Amt des Dortmunder Oberbürgermeisters bewerben.“

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