Rheinische Redensarten Dat is mir!

Rheinland · In loser Reihenfolge stellen wir schöne und bedeutungstiefe Redewendungen vor und erklären, wo sie herkommen und was sie bedeuten. Heute: „Dat is mir!“

 Das gehört mir!

Das gehört mir!

Foto: GA-Grafik

Wir hatten gelegentlich am rheinischen Dialekt analysiert, dass er eine Sprache der Extreme ist. Allein beim Vokabular gibt es, was die Länge angeht, große Gegensätze. Wir erinnern uns an so schöne Begriffe wie Poppeköchekäppesche. Immerhin 19 Buchstaben, darunter sieben Vokale, alles in einem Wort. Das ist schon hitverdächtig.

Wörtlich übersetzt bedeutet dieser Begriff für Rosenkohl: Puppenküchenköhlchen. Alles klar? 

Andererseits gibt es auch das kürzeste, denkbare Wort, wonach man etwa im Kreuzworträtsel fragen könnte mit dem Satz: Das höchste rheinische Wesen mit einem Buchstaben? Die Antwort: „J“. Oder gesprochen: Jott. Mancher fügt dann noch „de leeve Jott“ dazu. 

Und damit sind wir auch schon beim Thema, denn die Sprachforschung weiß zu berichten, dass die bedeutendsten Inhalte meist mit den kürzesten Worten beschrieben werden. Am besten einsilbig. Baum, Brot, Glück, Pech, Tod, Kraft.

Und diese sprachliche Eigenschaft macht sich auch das Rheinische zu nutze. Es wird immer dann elementar, wenn es kurz und prägnant klingt. Oder besser andersherum: Wenn etwas kurz und prägnant klingt, handelt es sich um eine Kernaussage.

Das stimmt auch für den Satz: „Dat is mir“. Drei Wörter, drei Silben, nur acht Buchstaben. Die Übersetzung ins Hochdeutsche lautet: Das gehört mir. Das kommt ungleich distinguierter und förmlicher daher. Da ist die Dialektvariante gleich näher dran. Bemerkenswert, dass hier die Form von „Sein“ als besitzanzeigendes Verb verwendet wird, wo wir ja üblicherweise unterscheiden zwischen Haben und Sein. In diesem Fall ist Sein aber gleich Haben. 

 Tatsächlich kann der Satz „Dat is mir“ wegen seiner Kürze sehr schnell ausgesprochen werden. Ja, der Rheinländer würde ihn wahrscheinlich eher so schreiben: Datismir. Und um Schnelligkeit geht es ja oft, wenn man den Besitz anzeigen muss. Denn, ist jemand im Begriff mir etwas wegzunehmen, dann ist meist Gefahr in Verzug und man muss mit höchster Dringlichkeit handeln. Wahrscheinlich hat sich deshalb diese Ausdrucksform tradiert.

Andererseits weist das Wort „is“ auf den Ist-Wert hin. Der im Vergleich zum sogenannten Soll-Wert den aktuellen Bestand beschreibt. Hier wird also nicht in die Zukunft geblickt, oder die Vergangenheit beschworen, sondern das reine Faktum in der Gegenwart beschrieben.

Insofern darf man auch nicht unterstellen, dass die rheinische Variante des Satzes der hochdeutschen in irgendeiner Weise unterlegen wäre. Sie ist nicht einfacher im Sinne von primitiver oder weniger niveauvoll, sondern vielmehr in ihrer Schlichtheit mit Bedeutung aufgeladen und in ihrer Doppelbödigkeit geradezu anspruchsvoll. Ein Grund mehr, auf die rheinische Mottersproch stolz zu sein.

Der General-Anzeiger und die Edition Lempertz haben die Kolumne als Buch „Rheinisch für Fortgeschrittene“ veröffentlicht. Hören Sie auch unseren Podcast „So geht Rheinisch“, abrufbar auf allen Medienplattformen und auf unserer Homepage unter www.ga.de/podcast. Haben Sie auch eine rheinische Lieblingsredensart? Dann schreiben Sie uns unter rheinisch@ga.de und schicken sie uns.

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