LVR-Freilichtmuseum Kommern Das erwartet Besucher auf dem Jahrmarkt "anno dazumal"

MECHERNICH · Im LVR-Freilichtmuseum Kommern lockt der Jahrmarkt anno dazumal noch bis zum 28. April Zehntausende Besucher. Besucher finden überall Informationstafeln zur Herkunft und Tradition der heute oft vergessenen Attraktionen.

 Essen und Trinken wie die Flammkuchen von Emine Maatouk gehören schon immer zum Jahrmarkt.

Essen und Trinken wie die Flammkuchen von Emine Maatouk gehören schon immer zum Jahrmarkt.

Foto: Juliane Hornstein

So etwas sehen die Menschen nicht oft: das Ohr van Goghs und Goethes Faust, aufbewahrt hinter Glas; eine Dame lebt seit Jahren ohne Unterleib; einen Handschattenkünstler, der aus seinen Fingern markante Gesichter formt. Und wer es lieber rasant mag, dreht sich mit dem Hurricane hoch hinaus. Kurzweil ist garantiert, wenn der Jahrmarkt anno dazumal im LVR-Freilichtmuseum Kommern auch im 25. Jahr noch bis zum 28. April Zehntausende Besucher mit Vergnügungen der Kaiser- und Nachkriegszeit lockt.

Das vertraute und gleichzeitig andere Kirmestreiben empfängt die Gäste im Freilichtmuseum überall. Da steht ein Kettenkarussell, nostalgisch, aber nicht unbekannt. Allerdings bittet daneben eine Dame im historischen Kostüm zum „Pupskonzert der Flatulenzinis“ – nur hier wird auf Kölsch gepupst.

Einen guten Überblick über das Treiben hat dabei Ottokar, der mit rund 2,80 Metern längste Mensch der Welt (rechnet man seine Stelzen mit ein). Der „Eisen-Hans“ Robert Spindler lässt auf der Wiese seine Muskeln spielen. Schnell ist klar, wo heute Fahrgeschäfte und Gewinnbuden im Vordergrund stehen, ging es früher oft um Kurioses und Verblüffendes.

Aber nicht immer steckt ein Trick dahinter. Wie bei Peter Radom. Er steht mit einem 105 Jahre alten „Hau den Lukas“ am Wegesrand. Und ja, es gibt Menschen, die es schaffen, den „Frosch“ genannten Metallklotz bis ganz nach oben zu katapultieren. Seine Attraktion ist eine von vielen Originalen, die über Jahrzehnte in Schaustellerfamilien erhalten blieben.

Dazu hat das Museum in seinem Fundus gesucht und beispielsweise alte Ziele einer Schießbude aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg hervorgeholt. Allerdings dürfen Gäste hier nur noch mit weichen Bällen werfen. Anderswo kommen Passanten und Händler ins Gespräch wie bei Bonbonmacher Florian Belgard, der auf seine ganz eigene Art den Kindern vorführt, wie ein Lutscher entsteht.

Immer wieder gibt es zudem in Zelten kleine und größere Vorführungen. Besonders beliebt: das Original Kölner Hänneschen-Theater. Bis in die 1950er Jahre zogen noch mehrere Schaustellerfamilien mit den Stabpuppen über die Märkte, erklärt dazu Daniel Manner, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit des Freilichtmuseums. Nun kehrt eine Gruppe ehemaliger Spieler der Kölner Bühne zu dieser Tradition zurück, das Stück wurde eigens für den Kommerner Markt geschrieben, die Bühne gebaut nach historischen Vorbildern.

Über die „Gasse des guten Geschmacks“ gelangen die Besucher in die Nachkriegszeit und die 1950er Jahre. Schwarzmarkthändler und britische Soldaten geraten dort noch manchmal in Konflikt. Ansonsten sind die Attraktionen technischer, bunter und es gibt guten, alten Rock'n'Roll aus Lautsprechern. Erstmals dabei ist der Hurricane, ein sogenannter Pressluftflieger. Dessen Hydraulik erlaubte es, bei Fahrgeschäften ganz neue Bewegungsrichtungen zu nutzen. Ältere Besucher kennen das oftmals aus ihrer Jugend – wie auch die Raupenbahn von Peter Buchholz. Seit 1926 dreht sie sich, seither geht gegen Ende der Fahrt das Verdeck zu und bis heute, so der Schausteller, nutzen diesen Moment Verliebte für einen Kuss.

Bei all den Angeboten und Attraktionen, zwischen Flohzirkus und der regelmäßigen Hinrichtung einer Person aus dem Publikum (mit Wiederbelebung derselben) ist man aber immer noch in einem Museum. Interessierte finden überall Informationstafeln zur Herkunft und Tradition der heute oft vergessenen Attraktionen.

Auch darüber, dass früher oft als lustig galt, was heute Ablehnung hervorruft. Schießbuden, an denen angehende Soldaten „Aug' und Hand fürs Vaterland“ üben sollten. Oder Wurfbuden, in denen Köpfe von „Negern“ als Ziele dienten. Im Museum steht ein Nachbau als Mahnmal, der bewusst nicht betrieben wird. Spaß gibt es ja genug an anderen Stellen.

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