Vergewaltiger aus Köln weiter auf der Flucht Vom Klo in die Freiheit

Köln · Ein verurteilter Vergewaltiger entwischt bei einem seiner bewachten Ausflüge. Aus einer Brauhaus-Toilette. Die Reaktionen pendeln zwischen blankem Entsetzen und Kopfschütteln. Zudem gibt es widersprüchliche Aussagen zu den Umständen seiner Flucht.

Der Mann, nach dem nun alle suchen, hatte sich einen Ausflug in ein Kölner Brauhaus gewünscht. So erzählt es Reina Blikslager, Leiterin der Justizvollzugsanstalt Aachen. Warum ausgerechnet Köln? „Na ja, er ist gebürtiger Kölner“, sagt Blikslager über den verurteilten Vergewaltiger, der seit Jahren in der JVA in Sicherungsverwahrung war. Ausflüge nach Aachen oder Würselen habe es schon gegeben. Da habe der Mann sich immer tadellos verhalten.

Am Mittwoch allerdings flieht der 58-Jährige während eines Toilettengangs. Die Szene spielt sich im Brauhaus Früh ganz in der Nähe des Doms ab, wie die Polizei bestätigt, die eine große Fahndung einleitet und die Bevölkerung warnt. Nach Lage der Dinge hat der Mann seine beiden Aufpasser von der JVA Aachen schlicht übertölpelt. Es ist eine Geschichte, bei der nicht ganz klar ist, ob sie ein Skandal ist oder eher eine tragische Kuriosität.

Das NRW-Justizministerium berichtet, der Mann sei einst wegen Raub, Vergewaltigung und sexueller Nötigung verurteilt worden. Seit 1999 saß er in Sicherungsverwahrung. Sie soll die Allgemeinheit vor Tätern schützen, die ihre Strafe zwar verbüßt haben, aber noch als gefährlich gelten. Gutachter müssen das stets aufs Neue bestätigen.

Die Flucht soll ersten Ermittlungen zufolge so abgelaufen sein: Bewacht von zwei Justizvollzugsbeamten bricht der 58-Jährige zu einer seiner sogenannten Ausführungen nach Köln auf. Die stehen ihm gesetzlich zu. Am Mittag kehrt die Gruppe im Brauhaus am Dom ein. Einer der beiden Aufpasser begleitet ihn dort zur Toilette. Der Mann, der auf Fahndungsfotos einen Schnauzbart und nach hinten gekämmtes Haar trägt, geht in eine Kabine.

Dann geschieht wohl der entscheidende Fehler: Der Beamte stellt sich an ein Urinal und nutzt die Pause ebenfalls, um sich zu erleichtern. Nach Angaben der JVA dreht er der Kabine dabei den Rücken zu - und der 58-Jährige macht sich davon, wohl durch das verwinkelte Brauhaus. „Das hätte so nicht passieren dürfen“, sagt JVA-Leiterin Blikslager.

Kriminalexperten sind schockiert. „Er saß in Sicherungsverwahrung. Man muss davon ausgehen, dass so jemand immer noch ein hohes Gewaltpotenzial hat“, sagt der Rechtspsychologe und Gutachter Uwe Wetter. Ob von dem Flüchtigen die Gefahr einer neuen Sexualstraftat ausgehe, sei schwer zu sagen.

Falls es keine Komplizen oder Helfer gebe, werde es für ihn jedenfalls schwierig, an Geld zu kommen. „Es ist eher unwahrscheinlich, dass er in eine Bahnhofsmission geht.“

Nach dem Gesetz in NRW können Gefangene in Sicherungsverwahrung vier solche Ausflüge pro Jahr machen. „Solche Ausführungen sollen motivieren, an Behandlungsmaßnahmen teilzunehmen“, erklärt JVA-Leiterin Blikslager. Im Gesetz steht auch, sie dienten der „Erhaltung der Lebenstüchtigkeit“. Bei seinen ersten Ausführungen sei der Mann noch gefesselt gewesen, sagt ein Sprecher des NRW-Justizministeriums. Die Flucht passierte beim inzwischen neunten Ausflug ohne Fessel. In der JVA soll der Mann unauffällig gewesen sein. Er habe etwa geholfen, die Wäsche zu verwalten, sagt Blikslager. Zu einer Therapie sei er allerdings bislang nicht bereit gewesen. (dpa)

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