Türkischer Präsident eröffnet Moschee So verlief der Erdogan-Besuch in Köln

Köln · Köln im Ausnahmezustand: Der Besuch des türkischen Präsidenten hat die Stadt herausgefordert - und er wirft ein Schlaglicht auf den Zustand der Integration.

Kommt er? Kommt er nicht? Schon seit Stunden warten die drei Deutschtürken an der Inneren Kanalstraße in Köln auf „unseren Präsidenten“. Sie sind an diesem Samstag aus Düsseldorf, Mannheim und Stuttgart angereist, um ihn zu sehen: Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei. „Er ist der beste seit langem“, sagt einer. „Er ist fleißig, er hat die Wirtschaft und die Demokratie nach vorne gebracht“, ergänzt sein Freund. Die anderen nicken heftig.

Die drei Männer stehen inmitten Tausender Erdogan-Fans, die an diesem sonnigen Herbsttag die Straßen rund um die abgeriegelte Kölner Zentralmoschee im Multikulti-Stadtteil Ehrenfeld säumen. 20.000 werden es laut Polizei über den Tag sein. Sie wollen miterleben, wenn ihr Idol am Nachmittag die Moschee eröffnet. Es ist Erdogan-Land: Gütig blickt der Präsident von überlebensgroßen Postern, man sieht Halbmond-Flaggen, „Türkei“-Stirnbänder, immer wieder schallen Sprechchöre auf Türkisch. Deutsch ist selten zu hören. Hier und da hebt einer die Hand zum islamistischen Rabia-Gruß - vier abgespreizte Finger, der Daumen eingeklappt. Die Stimmung ist ausgelassen, man ist hier unter sich. Die Gegendemonstration findet in Deutz statt, auf der anderen Rheinseite. Weit weg.

Köln ist an diesem Samstag im Ausnahmezustand. Der Staatsbesuch mit Sicherheitsstufe 1, Demonstrationen für und gegen Erdogan. Weitere Kundgebungen, darunter eine gegen Rassismus und eine gegen Tiertransporte. Viele Straßen sind gesperrt. Rund 3000 Polizisten sind im Einsatz, bei manchen sind noch Lehmspuren an den Schuhen vom Einsatz im Hambacher Wald zu sehen. Es ist einer der größten Einsätze in der Geschichte der Kölner Polizei. Der Besuch Erdogans ist zugleich ein Stimmungstest für die Republik - wie steht es um die Integration der Deutsch-Türken? Wie viele werden kommen, um Erdogan zuzujubeln? Wie stark verfängt sein religiös-autoritäres Herrschaftssystem? Wird er „seine Brüde“ wieder auffordern, sich nicht zu sehr in die deutsche Mehrheitsgesellschaft zu integrieren?

Erdogan auf Versöhnungs-Mission

Es ist Mittag, gerade hat der türkische Präsident in Berlin noch einmal Kanzlerin Angela Merkel getroffen. Er ist auf Versöhnungs-Mission. Die Wirtschaftskrise gefährdet seine Herrschaft, es werden dringend Freunde gebraucht. Der Staatsbesuch, der im Vorfeld hoch umstritten war, soll ihm dabei helfen.

In Köln-Ehrenfeld, rund um die Moschee, warten jetzt bereits Tausende auf ihr Idol, und es werden immer mehr. Auch wenn die allermeisten ihren Präsidenten gar nicht zu Gesicht bekommen werden. Die Stadt hatte die geplante Großkundgebung verboten, weil der Moscheeverband, die Türkisch-Islamische Union Ditib, nach einer ohnehin chaotischen Planung kein ausreichendes Sicherheitskonzept vorlegen konnte. Die Erdogan-Anhänger sind trotzdem euphorisch. Es reicht, dass er bald irgendwo in der Nähe sein muss. Aber wo ist er?

Während die drei Männer an der Inneren Kanalstraße gerade ihren Präsidenten loben, schwebt, von den meisten unbemerkt, ein rot-weißes Flugzeug lautlos über die Szenerie. Der Airbus A340 sieht aus wie Erdogans Präsidentenmaschine. Es ist kurz nach 14 Uhr, der Staatschef wird gleich auf dem abgesperrten Militärischen Teil des Flughafens Köln/Bonn landen.

In Berlin war er mit allem Pomp empfangen worden, aber er musste sich strenge Worte von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Kanzlerin Angela Merkel über Demokratie, Menschenrechte und eingekerkerte Journalisten anhören. Die Stimmung war teils frostig. Beim Staatsbankett am Freitagabend kam es fast zum Eklat. Köln, die letzte Station seiner Reise, soll nun ein schönerer Rahmen werden.

Nach der Landung trifft Erdogan zunächst NRW-Ministerpräsident Armin Laschet. Es ist 14.30 Uhr. Auch dort, im schmucklosen Empfangsgebäude der Flugbereitschaft des Verteidigungsministeriums, muss der Präsident erst einmal wieder Kritik einstecken. Laschet sagt nach dem etwa einstündigen Treffen, er habe Rechtsstaatlichkeit in der Türkei angemahnt. Zwar habe man auch über Chancen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit gesprochen. Die Beziehungen beider Länder aber seien im Moment „überschattet“. Die Art und Weise, wie die Eröffnung der Kölner Moschee geplant wurde, kritisiert Laschet. Auch die Ditib, die der türkischen Regierung unterstellt ist und vielen als verlängerter politischer Arm Ankaras gilt, solle sich zu einer deutschen Institution entwickeln. „Die Muslime, die in diese Moschee gehen, sind auch Bürger unseres Landes. Und wir sind auch deren Ansprechpartner - und nicht der türkische Präsident.“

Heimspiel für Erdogan

Während Laschet den Journalisten von seiner Begegnung berichtet, ist Erdogans Wagenkolonne schon auf dem Weg durch die abgesperrte Stadt. In der Moschee will er sich, vor ein paar Hundert handverlesenen Gästen und zehntausenden Unterstützern draußen in Hörweite, gleich feiern lassen.

Die Fans auf der Straße können es kaum erwarten. „Ist er schon da?“, fragt eine Frau ihren Begleiter. „Keine Ahnung“, antwortet der. Die fröhliche Stimmung kippt nur kurz, als zwei Frauen auftauchen und stumm Erdogan-kritische Plakate in die Höhe halten. Die Menge fängt an zu brüllen und Fahnen zu schwenken. Als Bereitschaftspolizisten dazueilen, beruhigt sich die Lage wieder. Die Frauen bleiben - und werden fortan ignoriert. Die Party geht weiter. Es ist ein Heimspiel für Erdogan.

Dann, endlich, erreicht seine Kolonne gegen 16. 30 Uhr die Moschee. Auf den Dächern beziehen Scharfschützen der Polizei Stellung, zwei Hubschrauber dröhnen in der Luft. Im Innenhof ertönt Musik. Zunächst ergreift der Ditib-Vorsitzende Nevzat Asikoglu das Wort. Er dankt Oberbürgermeisterin Henriette Reker, ihren Vorgängern Fritz Schramma und Jürgen Roters, dem Ehrenfelder Bezirksbürgermeister Josef Wirges und dem Architekten Paul Böhm. Sie hätten sich mit großem Engagement für den Bau der Moschee eingesetzt. Die Angesprochenen allerdings fehlen: Sie sind der Zeremonie aus Protest ferngeblieben, weil ihnen Grußworte versagt wurden. Auch Laschet hat seine Teilnahme abgesagt.

Als Erdogan schließlich zu seiner Rede ansetzt, wählt er versöhnliche Worte. Er dankt den „lieben Kölnerinnen und Kölnern“ und bedauert, dass die deutschen Politiker nicht dabei seien. Er vermeidet scharfe Töne, mahnt aber zu stärkeren Anstrengungen bei der Integration. „Wir sehen die Zukunft unserer Brüder hier“, sagt Erdogan und prangert zugleich die „gesellschaftliche Ausgrenzung“ der Fußballer Mesut Özil und Ilkay Gündogan an, die nach einem Foto mit ihm starker Kritik ausgesetzt waren. Und er fordert mehr Unterstützung im Kampf gegen die Gülen-Bewegung, die er für den Putschversuch 2016 verantwortlich macht. Erdogan betont auch Gemeinsamkeiten zwischen der Türkei und Deutschland in Wirtschaftsfragen und im Kampf gegen den Terror. Immer wieder brandet während seiner knapp 40-minütigen Rede Applaus auf. Seine Deutschland-Visite nennt Erdogan schließlich „erfolgreich“, sie habe die deutsch-türkische Freundschaft vertieft. Mit Merkel und „meinem Freund“ Steinmeier habe er „wichtige Themen ehrlich besprochen“.

Symbol der Trennung

Laschet, Reker und viele andere Kritiker hatten sich gewünscht, dass die Eröffnung der Moschee ein gemeinsames Ereignis für Deutsche und Deutschtürken werden würde. Ein Zeichen für gelungene Integration, ein Symbol für Gemeinsamkeiten. Das war auch die Absicht der Befürworter, die den Bau vor Jahren gegen große Widerstände ermöglichten. Doch durch die Art und Weise, wie die Ditib die Zeremonie angelegt hatte, wirkt die Moschee an diesem Samstag eher wie ein Symbol der Trennung. Hier die deutsch-türkischen Muslime, dort die deutsche Mehrheitsgesellschaft, getrennt durch Hundertschaften der Polizei. Es scheint, als hat man sich nicht mehr viel zu sagen.

Um kurz nach 17 Uhr, die Sonne hat sich schon gesenkt und wirft einen kühlen Schatten, wird es an der Ecke Venloer und Innere Kanalstraße noch einmal hitzig. Während hundert Meter weiter in der Moschee Erdogan spricht, treffen vor der Sicherheitssperre Anhänger und Gegner aufeinander. Etwa 50 Unterstützer schwenken türkische Flaggen, ihnen gegenüber halten Kölner Bürger Schilder hoch. Auf einem steht „Erdogan not welcome“. Ein Dutzend Bereitschaftspolizisten hat dazwischen Stellung bezogen. Am Rande entstehen einige leidenschaftliche Diskussionen, doch einig wird man sich an diesem Tag nicht mehr. Als die türkische Gruppe irgendwann zu Sprechchören ansetzt, antworten die Kölner auf ihre ganz eigene Art: „Kölle, Alaaf!“.

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