Bierdeckelkampagne in Köln Alternative für Kölsch

Köln · Der "Kampf gegen Rechts" hat die Kölner Theken erreicht. Und die Diskussionsforen im Internet. Denn die Aktion der Wirte gegen die AfD wirft Fragen zu Toleranz und Diskriminierung auf.

 Ein Bierdeckel mit der Aufschrift "Kein Kölsch für Nazis - Kein Raum für Rassismus".

Ein Bierdeckel mit der Aufschrift "Kein Kölsch für Nazis - Kein Raum für Rassismus".

Foto: dpa

Beim Bier hört die Freundschaft auf. Sogar in einer Stadt wie Köln, in der doch bekanntlich nicht nur „jede Jeck anders es“, sondern sogar Imis und Leverkusenern dringend anempfohlen wird: „Drink doch ene met!“ So harmonisch, so „met Hätz un Siel“ soll es auch bleiben, dachten sich jetzt 150 Kneipenwirte und haben sich auf 200.000 frischgedruckten Bierdeckeln darauf festgelegt, wo die ultimativen Grenzen der vielbesungenen kölschen Toleranz für sie verlaufen. „Kein Kölsch für Nazis“ steht da rot auf runder Pappe – und knüpft inhaltlich mitnichten an die aktuellen Reminiszenzen des türkischen Ministerpräsidenten gegenüber der deutschen Kanzlerin oder unseren niederländischen Nachbarn (und ihren Rindern) an.

Stattdessen ist der jüngste Beitrag in der Serie „Die schönsten Nazivergleiche des Frühjahrs“ ausdrücklich der Alternative für Deutschland gewidmet. Denn die veranstaltet ihren (gesetzlich vorgeschriebenen) Parteitag im April ausgerechnet im weltoffenen Köln. Deshalb müsse die Weltoffenheit an dieser Stelle enden – und zwar im Dienste der Weltoffenheit, so meinen die einen. Toleranz mit Intoleranz zu verfechten, sei intolerant und das Gegenteil von Zivilcourage, sagen die anderen und schieben mit Blick auf die Bierdeckelaktion sofort den nächsten Nazivergleich („wie '33“) nach.

So weit exemplarisch und in Kurzform die Debatte im Diskussionsforum der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, das es bis Mittwochmittag aus dem Stand auf die Schnapszahl von 333 Beiträgen brachte. Während dort die einen ihr überhitztes Mütchen kühlen, begeben sich andere ins Repetitorium von Voltaire, Rosa Luxemburg oder Artikel 1 des Grundgesetzes. Auch unter Kölner Gastwirten mehren sich äußerst kontroverse Stimmen. Zum massenhaften Aufschrei wäre die Debatte gewiss längst geraten, fände der Vorgang unter umgekehrten politischen Vorzeichen statt. "Kein Kölsch für..." könnte so zum Musterprodukt für alle möglichen unliebsamen Gruppen werden. Und das "Kölsch" lässt sich ebenfalls beliebig ersetzen: Vielleicht durch Begriffe wie "Brot", "Kindergartenplatz" oder "Arztversorgung"....

Und so gerät bei der vertieften Staatslehre völlig aus dem Blick, dass die 150 Wirte in der ihnen eigenen Unverbindlichkeit gänzlich offenlassen, ob AfD-Mitglieder von ihnen – wenn schon kein Kölsch – denn im Sinne der Menschenwürde zumindest Pils oder wenigstens ein Malzbier zu erwarten haben. Oder ob sie, und das wäre aus Sicht der couragierten Köbesse gewiss das schärfste Schwert, für den Absacker nach dem Parteitag hinüber nach Düsseldorf fahren müssen. Als Alternative.

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