Köln erinnert an den Einsturz des Stadtarchivs

OB Roters fordert, Konsequenzen aus dem Unglück zu ziehen. Ohne Namen zu nennen, aber unverblümt, verlangte er den Rücktritt des bei den Kölner Verkehrs-Betrieben für den Bau der Nord-Süd-Stadtbahn zuständigen Vorstands Walter Reinarz.

Köln erinnert an den Einsturz des Stadtarchivs
Foto: dpa

Köln. Um genau 13.58 Uhr beendete der Oberbürgermeister seine Rede. In genau dieser Minute brachen vor einem Jahr die Mauern des Historischen Archivs der Stadt Köln, rissen zwei junge Männer in den Tod und vernichteten oder beschädigten unschätzbare historische Schätze.

Mit einer Gedenkfeier und einer ökumenischen Fürbitte in der kriegszerstörten Kirche Alt St. Alban, zu denen die Angehörigen der beiden Todesopfer geladen waren, die Anwohner, Schüler und Lehrer der benachbarten Schulen sowie Mitarbeiter und Besucher des Archivs, die damals wie durch ein Wunder dem Tod knapp entronnen waren, erinnerte die Stadt Köln am Mittwoch an das Unglück. OB Jürgen Roters erinnerte an die "schmerzhaften Bilder", die das Gesicht der Stadt verändert hätten, "aber auch unser Lebensgefühl und unsere Selbstgewissheit".

Der Oberbürgermeister, zum Zeitpunkt des Unglücks noch nicht in Amt und Würden, nutzte die Gelegenheit aber auch, um Konsequenzen aus dem Unglück zu fordern. Zwar ohne Namen zu nennen, aber unverblümt, verlangte Roters den Rücktritt des bei den Kölner Verkehrs-Betrieben (KVB) für den Bau der Nord-Süd-Stadtbahn zuständigen Vorstands Walter Reinarz.

Der technische Vorstand der KVB müsse sich fragen, "ob er noch das Vertrauen der Bevölkerung hat". Reinarz, von 2003 bis 2008 Vorsitzender der Kölner CDU, solle den Platz frei machen für einen Neuanfang. Noch am selben Nachmittag trat der KVB-Aufsichtsrat zusammen, um über die Personalie Reinarz, dessen Vertrag noch bis 2013 läuft, zu beraten.

Aus Anlass des Jahrestages versprachen die KVB, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in dem Fall "nach Kräften" zu unterstützen und auch in den eigenen Reihen Versäumnissen auf den Grund zu gehen. In einem "Zug der Fassungslosigkeit" versammelten sich Betroffene und andere Kölner am Abend an der Unglücksstelle, um gegen die schleppende Aufklärung zu protestieren.

Unmissverständlich machte der Kölner OB die beteiligten Bauunternehmen Bilfinger Berger, Züblin und Wayss & Freytag für den Zusammenbruch des Stadtarchivs verantwortlich. Wenige Wochen vor dem Unglück habe die Bauleitung der KVB einen "erheblichen Wassereinbruch" in der Baugrube am Waidmarkt bemerkt "und die Bauunternehmen eindringlich zur Abhilfe aufgefordert". Die aber hätten "nichts unternommen".

"Wer in dieser Situation zur Tagesordnung übergeht, hat mein Vertrauen verloren", sagte Roters. Bereits in einem Sachstandsbericht vom 26. Februar sprach das Rathaus von einem "erheblich erschütterten Vertrauen der Öffentlichkeit, der KVB und der Stadt" und kündigte an, eine Auflösung des Vertrags mit den beteiligten Firmen "aus wichtigem Grund" zu prüfen. In demselben Bericht steht der Satz: "Es wurde offenbar in großem Maßstab gepfuscht und vertuscht."

Einen weiteren Beleg für diese Aussage lieferte am Mittwoch das NRW-Bauministerium. Eine Sprecherin bestätigte, dass die Aufzeichnungen über aus dem Erdreich abgepumpte Sandanteile nicht regelgerecht durchgeführt worden seien. Ob es sich um Fälschungen handele, könne aber nicht gesagt werden. NRW-Bauminister Lutz Lienenkämper will am Donnerstag den Bauausschuss des Landtags über den Stand der Untersuchungen informieren.

Entwarnung gaben die KVB am Mittwoch immerhin für die von der Flutung bedrohte U-Bahn-Baustelle am Heumarkt. Die Beton-Zwischendecke, die dem Baukörper zusätzliche Stabilität verleihen soll, sei fertig, die Baugrube nach der Aushärtung des Betons bis zu einer Grundwasserhöhe von 41,50 Meter über dem Meeresspiegel sicher - bei sinkendem Grundwasserpegel.

Und zur Demonstration, dass die Bauarbeiten nun strengstens überwacht werden, teilte das Unternehmen mit, dass drei nächtliche Betonlieferungen zum Hersteller zurückgeschickt worden seien, weil sie die Qualitätskriterien nicht erfüllten.

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