Kirchenkrise: "Ich bleibe, um Veränderungen anzustoßen"

Für Daniel Bellinghausen, Emanuel Gmach und Barbara Falkenstein-Wittig ist die katholische Kirche insgesamt und die Pfarrei Sankt Mariä Heimsuchung im Sankt Augustiner Stadtteil Mülldorf im besonderen zur Heimat geworden.

Kirchenkrise: "Ich bleibe, um Veränderungen anzustoßen"
Foto: Axel Vogel

Sankt Augustin. Die drei fühlen sich wohl in ihrer Kirche - und daran hat sich auch durch die Missbrauchsfälle, die in den vergangenen Wochen und Monaten öffentlich wurden, nichts geändert. Klar, diese Dinge seien erschütternd und scharf zu verurteilen, aber nicht der Kirche als Ganzes anzulasten, sagen sie unisono.

Deswegen auszutreten, daran hätten sie nie gedacht. Für Daniel Bellinghausen, Emanuel Gmach und Barbara Falkenstein-Wittig ist die katholische Kirche insgesamt und die Pfarrei Sankt Mariä Heimsuchung im Sankt Augustiner Stadtteil Mülldorf im besonderen zur Heimat geworden.

Eine Heimat, in der es sich lohnt mitzumachen, findet Gmach, der 38-jährige Vermögensberater. "Für mich stimmt einfach das Preis-Leistungs-Verhältnis", sagt er und zählt auf, wie er Kirche im Ort erlebt. "Wir haben eine engagierte Jugendarbeit jenseits des staatlichen Angebots, eine christliche Erziehung im Kindergarten, Ferienfreizeiten, einen Gratulationsdienst für ältere Mitbürger, Altenbegegnungen, ein großes Pfarrfest und nicht zuletzt Priester, die im Gottesdienst etwas sagen, das man versteht und wovon man für den Alltag einiges mitnehmen kann."

Er selbst ist als Kind Messdiener gewesen, hat als Jugendlicher neue Ministranten ausgebildet, hat Ferienfreizeiten mitorganisiert, ist seit vielen Jahren im Kirchenvorstand aktiv und möchte das, was er erlebt hat, auch gern weitergeben. "Ich will, dass meine Kinder in dem Umfeld, das ich als sehr positiv empfunden habe, auch groß und meine Frau und ich alt werden können", sagt der Vater von zwei Kindern (zehn und sieben Jahre). Kritik? Ja sicher, sagt Gmach, die habe er auch anzubringen.

So sei das kirchliche Finanzwesen für die Laien an der Basis, die letztlich die Beschlüsse aus Köln umsetzen müssten, schwer zu durchschauen. Zudem fehle es an Mitspracherechten.

Dass die Laien in den Gemeinden mehr einbezogen werden sollten, mahnt auch Barbara Falkenstein-Wittig an. Die Lehrerin für Mathematik, Erdkunde und Religion war 14 Jahre im Pfarrgemeinderat tätig, acht davon als Vorsitzende.

"Wir brauchen mehr Demokratie in der Kirche", sagt sie und wünscht sich, dass die gewählten Vertreter der Gemeinde auch bei der Besetzung der Pfarrstelle ein Wort mitreden dürfen. "Die evangelische Kirche fährt dabei doch nicht schlecht", sagt sie. Außerdem sei es an der Zeit, darüber nachzudenken, ob Frauen Priester werden dürfen. Das hätte auch den Vorteil, dass man nicht mehr diese Mammutgemeinden bräuchte wie derzeit.

Etwa 10 000 Katholiken gehören zu dem Seelsorgebereich, der neben der Mülldorfer Pfarrei noch die Gemeinde Sankt Augustinus in Menden und die Filialkirche in Meindorf umfasst. Das Seelsorgeteam wird geleitet von einem Pfarrer. Hinzu kommen ein Kaplan und zwei Gemeindereferenten, die allerdings weit weniger als eine volle Stelle haben. "Viel zu wenig", sagt Falkenstein-Wittig. Vor allem angesichts dessen, dass die Pfarrer inzwischen viele Management-Aufgaben zu leisten und immer weniger Zeit für die Seelsorge hätten. Und sie fügt hinzu: "Es muss doch nicht die Aufgabe des Pastors sein, den Bau des Kindergartens zu überwachen."

Auch Daniel Bellinghausen, der 23-jährige Jurastudent und Obermessdiener in Mülldorf, mahnt kurzfristig mehr Entlastung für die Priester an: "Viele von ihnen werden krank, weil ihnen die Unterstützung fehlt. Da darf das Erzbistum nicht am falschen Ende sparen." In Mülldorf ist diese Forderung ganz aktuell, denn am Sonntag wird Pfarrer Georg Schierbaum verabschiedet, nach knapp fünf Jahren im Amt. Sein Vorgänger war auch nur drei Jahre dort tätig. Bellinghausen selbst hätte sich durchaus vorstellen können, Theologie zu studieren, "wenn es den Zölibat nicht geben würde", fügt er hinzu.

So engagiert er sich heute bei den Messdienern. Warum? "Weil dies Spirituelles am Altar und den Alltagsbezug miteinander verbindet", sagt er. Christsein im Alltag - das bedeute für ihn etwa, vorbehaltlos und offen anderen Menschen gegenüber zu treten, niemanden schnell zu verurteilen, aber auch Verantwortung zu übernehmen.

28 Kinder und Jugendliche sind als Ministranten derzeit in Mülldorf tätig. Dass sich elf neue nach der Erstkommunion zur Ausbildung angemeldet haben, freut ihn besonders. Kirche habe eben doch noch Zukunft. Das habe er ganz besonders gespürt bei solchen Höhepunkten wie Messdiener-Wallfahrten nach Rom oder den Weltjugendtagen in Köln und Sydney - "mit vielen verschiedenen Menschen, die ähnlich denken und fühlen wie man selbst".

Auch für Barbara Falkenstein-Wittig ist das Gemeinschaftsgefühl ein Beweggrund, nicht nur weiter in der Kirche, sondern darin auch aktiv zu bleiben, derzeit im Familienmesskreis in der Vorbereitung von Kindergottesdiensten. "Ich kann nicht Christ sein im stillen Kämmerlein, das hat viel mit Gemeinschaft zu tun", sagt sie. Dazu gehört für sie aber auch, dass die christlichen Kirchen mehr aufeinander zugehen und langsam zusammenwachsen. Das werde an der Basis schon vielfach praktiziert. "Das müsste nun aber auch oben mal vorangetrieben werden", meint sie.

Für Daniel Bellinghausen wäre es ganz wichtig, dass endlich das gemeinsame Abendmahl mit den evangelischen Christen ermöglicht werde. Wie die beiden anderen setzt er darauf, sich nicht aus der Kirche zurückzuziehen, sondern selbst mitanzupacken. "Ich möchte drin bleiben, um selbst Veränderungen mit anzustoßen", sagt Bellinghausen.

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