Kirche will Kinderarmut nicht hinnehmen

Zum Auftakt der rheinischen Synode fordert Präses Schneider mehr Anstrengungen von Bund, Ländern und Kommunen

Kirche will Kinderarmut nicht hinnehmen
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Bad Neuenahr-Ahrweiler. Präses Nikolaus Schneider wagt sich in seinem traditionellen Rechenschaftsbericht zum Auftakt der Beratungen des 223-köpfigen Kirchenparlaments der Evangelischen Kirche im Rheinland auf politisch vermintes Feld.

Mit Leidenschaft verwahrt er sich gegen die zunehmende Kinderarmut in Deutschland und stellt fest: "Nur ein klarer und an den realen Verhältnissen geschulter Blick hilft weiter. Erhöhung des Kindergeldes und direkt an Eltern gezahltes Betreuungsgeld kommen nicht in jedem Fall den Kindern zugute."

Später ergänzt er vor Journalisten: "Ich weiß, wovon ich rede. Ich war als Pfarrer immer in Gemeinden mit sozialen Brennpunkten tätig." Um die Chancengleichheit benachteiligter Kinder zu fördern, muss nach Präses Schneider der Löwenanteil des Geldes in betreuende, fördernde und begleitende Erziehungssysteme fließen.

Als "Hoffnungszeichen" bezeichnet er die vielfältigen Initiativen von Kirchengemeinden und Verbänden, um Kindern im Vorschulalter zu helfen, etwa durch Frühstücksangebote und Hausaufgabenhilfen sowie den nordrhein-westfälischen Fonds "Kein Kind ohne Mahlzeit". Er unterstützt Forderungen nach einer Kinderarmutskonferenz und einem kostenlosen Schulessen.

Gerecht werden könnten die Städte und Gemeinden den Kindern aber nur dann, wenn endlich die Bürgermeister armer Kommunen ihre Stimme erheben würden und Städte wie Wuppertal ein Aktionsbündnis mit dem Namen "Wuppertal wehrt sich" starten würden.

Der rheinische Präses, zugleich stellvertretender Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), spannt einen breiten Bogen politischer Forderungen. Er ist gegen den Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Atomenergie ("Auch ein Supergau ist im Blick auf die häufigen Störfälle in Zukunft nicht auszuschließen"), hält den Betrieb von Kohlekraftwerken für eine Übergangszeit für notwendig, steht aber der Verstromung von Braunkohle kritisch gegenüber und hält die Streichung von Klimaschutzzielen aus dem NRW-Landesentwicklungsprogramm für ein "falsches politisches Signal."

Zugleich bedauert er das Scheitern der Kopenhagener Klimakonferenz und fordert die Bundesregierung auf, an ihren vor Kopenhagen formulierten Zielen festzuhalten und wenn möglich darüber hinauszugehen: "Der Ausbau und die Nutzung regenerativer Energien weisen den Weg."

Scharf kritisiert er Pläne der schwarz-gelben Bundesregierung, Steuerentlastungen mit erhöhter Verschuldung zu finanzieren. Die versprochene Refinanzierung durch Wirtschaftswachstum hält Präses Schneider für einen Irrglauben, zumal es nicht einen einzigen Beleg dafür gebe. Im Blick auf Israel sieht er gegenwärtig keine Möglichkeit für einen Frieden im Nahen Osten.

Auf beiden Seiten hätten die Hardliner das Sagen. Das ändere aber nichts an der Solidarität mit den Juden. Erneut spricht er sich gegen eine Judenmission aus und gegen ein Minarettverbot. Allerdings erwarte er von den in Deutschland lebenden Muslimen, das sie sich in ihrer Heimat für die gleichen Freiheitsrechte der Christen einsetzten, die sie von diesen in Deutschland selbstverständlich erwarteten.

Für die deutschen Truppen in Afghanistan fordert Schneider ein "realistisches Ausstiegsszenario. Allerdings wäre ein Abzug der Bundeswehr "Hals über Kopf" unverantwortlich. In dem Land wüteten die Taliban-Terroristen weiterhin gegen das eigene Volk. "In Afghanistan werden Recht und Gerechtigkeit im Namen einer verblendeten und unmenschlichen Religiosität mit Füßen getreten." Deswegen sei der Militäreinsatz aus Sicht der evangelischen Kirche "nicht grundsätzlich abzulehnen".

Präses Schneider geht auch auf die "ökumenische Weggemeinschaft" ein, die zu den wahren Zeichen der Kirche gehöre. Sie bleibe ein "unverzichtbarer Teil kirchlichen Lebens". In diesem Zusammenhang bedauert er die Haltung der Russisch-Orthodoxen-Kirche, die Kontakte mit der EKD abzubrechen, weil an deren Spitze mit Bischöfin Margot Käßmann eine Frau stehe.

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