Im Willy-Brandt-Forum Unkel Kai Schlüter stellt sein Buch "Günter Grass auf Tour für Willy Brandt" vor

UNKEL · Die 68er hatten das Willy-Brandt-Forum fest im Griff. Zwar in die Jahre gekommen, war ihnen der Slogan "Willy wählen" aber noch bestens im Gedächtnis. Intensiv an die damalige Aufbruchstimmung erinnert wurden sie von Kai Schlüter, den der Vorsitzende der Bürgerstiftung, Klaus-Henning Rosen, eingeladen hatte, sein Buch "Günter Grass auf Tour für Willy Brandt" vorzustellen.

 Schwelgen in Erinnerungen: (von links) Rudolf Rupperath, Kai Schlüter, Klaus-Henning Rosen und Rudolf Barth.

Schwelgen in Erinnerungen: (von links) Rudolf Rupperath, Kai Schlüter, Klaus-Henning Rosen und Rudolf Barth.

Foto: Frank Homann

In diesem lässt der Autor die legendäre Wahlkampfreise 1969 des Schriftstellers Revue passieren. "Auf Friedel Drautzburg, der Günter Grass in einem alten VW-Campingbus 32.000 Kilometer durch 79 Wahlkreise in der ganzen Bundesrepublik kutschiert hat, müssen wir leider noch verzichten. Dafür können wir aber Gisela Kramer, die Sekretärin der damaligen Sozialdemokratischen Wählerinitiative Bonn (SWB), begrüßen", so Rosen, bevor er dem Autor das Wort überließ.

"Grass kannte Willy Brandt natürlich als Regierenden Bürgermeister von Berlin. Mit der Diffamierungskampagne von Konrad Adenauer im Wahlkampf 1961, der auf die uneheliche Geburt des SPD-Kandidaten angespielt hatte, entschloss er sich, diesen politisch zu unterstützen. Es war also der Mensch Willy Brandt, der Grass politisiert hat", so Schlüter.

1965 war Grass Mitglied im "Wahlkontor deutscher Schriftsteller", dem Vorläufer der SWB geworden. Dem Slogan folgend: "Das Salz in der Suppe sein, ohne der SPD die Suppe zu versalzen", habe man sich als "Saline der Partei" bezeichnet, erinnerte der Autor. Dabei wurden von dieser in kritischer Solidarität zur SPD Positionen vertreten, die in der Partei selbst noch umstritten waren.

Etwa das Votum für eine sozialliberale Koalition und für Gustav Heinemann als Bundespräsident, mit dem sich Grass vor allem gegen Helmut Schmidt und Herbert Wehner gestellt hatte. "Diese präferierten den auch für die CDU wählbaren Georg Leber und sprachen sich damit für einen Fortbestand der Großen Koalition aus", so Schlüter

Grass wählte für seine Auftritte vor allem CDU-Hochburgen, weil er glaubte, dort über seine Person mehr Zuhörer anlocken und für die Sozialdemokraten gewinnen zu können. "Er sprach als Vertreter der SWB auf mehr als 100 Veranstaltungen zu rund 60 000 Menschen. Ständiger Begleiter während dieser kräftezehrenden Tage war Friedel Drautzburg, der ehemalige Bundesgeschäftsführer des sozialdemokratischen Hochschulbundes, der nicht zuletzt wegen seines mächtigen Schnäuzers oft mit Grass verwechselt wurde, so dass er sich als "Bruder" des Schriftstellers bezeichnete.

"Dieser wiederum ist überzeugt, dass die SPD ohne sein Engagement 1969 nicht 237 Sitze erhalten hätte - Voraussetzung dafür, dass sie trotz der Verluste der FDP die sozialliberale Koalition bilden konnte", erklärte Schlüter. Das Buch sei als detailgetreues Zeugnis aus einer bewegten Zeit, als sich Intellektuelle und Künstler aufgerufen fühlten, an den Auseinandersetzungen der Gesellschaft aktiv teilzunehmen, vor allem für die nachgewachsenen Generationen eine aufschlussreiche Lektüre, urteilte Rosen.

Das Buch ist erschienen im Ch. Links Verlag und für 24,90 Euro im Buchhandel zu erwerben.

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