Plauderstunde mit dem Kult-Talker Jürgen Domian über Liebe, Sex und Tod

TROISDORF · "Die Sendung vermisse ich, die Nachtarbeit aber definitiv nicht“: Der Journalist, Buchautor und Moderator Jürgen Domian hat in der Stadthalle Troisdorf über seine Zeit als Nachttalker gesprochen.

„An die Regie, spielt bitte noch etwas Musik ein“, sagt Jürgen Domian in einer seiner Sendungen. Gerade eben hat er mit einer Frau telefoniert, die unheilbar krank ist und bald sterben wird. Der gebürtige Gummersbacher, der 21 Jahre lang zwischen 1 und 2 Uhr morgens im Radio und parallel im Fernsehen bei seiner Sendung „Domian“ immer ein offenes Ohr für die Sorgen, Nöte und Probleme seiner Anrufer hatte, ringt sichtlich um Fassung.

Es sind diese beeindruckenden und zutiefst menschlichen Momente, die in Erinnerung bleiben werden und die der 59-jährige Journalist, Buchautor und Moderator am Samstagabend in der Troisdorfer Stadthalle noch einmal Revue passieren lässt.

Seit Anfang des Jahres tourt der langjährige Nachttalker unter dem Motto „Domian redet“ durchs Land, um im Gespräch mit Moderator und Stichwortgeber Tobi Schäfer noch einmal über die Anrufe zu sprechen, die ihm im Gedächtnis geblieben sind. Er spricht aber auch über seine persönlichen Eindrücke und darüber, was er über die Menschen gelernt hat.

„Die Sendung vermisse ich, die Nachtarbeit aber definitiv nicht“, sagte Domian. Die stetige Nachtarbeit habe ihm gesundheitlich schwer zu schaffen gemacht. „Zwei Hörstürze waren deutliche Warnsignale.“ 25 000 Anrufe hat er in der Zeit zwischen 1995 und der letzten Sendung im Dezember 2016 entgegengenommen. Die schwierigsten Gespräche seien die mit sterbenden, trauernden oder traumatisierten Menschen gewesen, die dem guten Zuhörer Jürgen Domian ihr Herz ausschütteten.

„Das Dasein und Zuhören kann ein wenig helfen“, sagte Jürgen Domian, der trotz eines Psychologen-Teams im Hintergrund, an das er die Anrufer bei schwierigen Problemen im Anschluss an das Gespräch oftmals verwies, seine Grenzen erkannte. „Was kann man denn einer Frau sagen, deren Tochter entführt, vergewaltigt und getötet wurde? Da gibt es keinen Trost“, resümierte Domian. Auch der unheilbar an einem Gehirntumor erkrankten und sterbenden Frau, die mit ihm sprach und sich quasi in seiner Sendung verabschiedete, konnte er nur den Wunsch mit auf den Weg geben, dass sie nicht leiden muss.

"Angst und Respekt vor dem Raubtier Mensch"

Bei Domian ging es aber nicht nur um Krankheit, Tod und Trauer. Sexualität in all ihren Spielarten und Facetten war lange Zeit das Thema Nummer eins in seiner Sendung. Kultstatus hat dabei bis heute das Gespräch mit einem Mann, der am liebsten Sex mit Hackfleisch hat. „Wer Domian googelt, landet scheinbar automatisch beim Hackfleischmann“, sagte Jürgen Domian. Liebe, Eifersucht oder Verlust standen in späteren Jahren ganz oben auf der Themen-Beliebtheitsskala der Sendung. Dass sein Live-Talk so erfolgreich wurde, lag vermutlich auch daran, dass Jürgen Domian den Rat des damaligen WDR-Intendanten Fritz Pleitgen beherzigte. „Versuche in der Sendung so privat wie möglich zu sein“, habe Pleitgen ihm gesagt. Das funktionierte schließlich so gut, dass die Anrufer oft vergaßen, wie öffentlich sie eigentlich waren.

„Ich habe Angst und Respekt vor dem Raubtier Mensch“, sagte Jürgen Domian und wies dabei auf unangenehme Gespräche hin wie das Telefonat mit einem ehemaligen NVA-Soldaten und Mauerschützen, der sich der moralischen Tragweite seines Handelns sogar Jahre später nicht bewusst war. Die Troisdorfer genossen eine Plauderstunde mit einem Mann, der sein Leben nach 21 Jahren Nacht-Talk nun neu gestaltet. Im Herbst soll ein neues Buch von ihm erscheinen.

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