Jude überlebte als Hitlerjunge Josef

Vortrag in Königswinterer Schule - Nazis trieben Sally Perel und seine Familie ins Warschauer Ghetto

Königswinter. "Ich trug als jüdischer Junge eine Uniform mit Hakenkreuz - am Tag schrie ich "Heil Hitler", in der Nacht weinte ich vor Sehnsucht und zeichnete heimlich Judensterne." Mit großem Interesse und sichtlich bewegt hörten die Schüler des CJD am Dienstag in der Aula ihrer Schule den Erzählungen Sally Perels zu, der sein eigenes Leben im Buch "Ich war der Hitlerjunge Salomon" niederschrieb. Auch verfilmt wurde seine ungewöhnliche Lebensgeschichte. Perel war auf die Initiative der Schülerschaft auf einer Lesereise durch Deutschland ins CJD gekommen.

1925 im niedersächsischen Peine bei Braunschweig geboren, verlebte er "eine glückliche Jugend, die mir später immer wie ein schöner Traum vorkam". Doch als Perel knapp acht Jahre alt war, sollte sich in Deutschland alles zum Schlechten wenden: "Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten warf mein Leben aus den Fugen, ich wurde einfach aus meiner Grundschule herausgeworfen", berichtet Perel, der damals die dritte Klasse besuchte und ein sehr guter Schüler war. Anschließend flüchtete er mit seiner Familie vor der Verfolgung der Nazis zunächst nach Westpolen.

Doch auch dort hatten er, seine Mutter Rebekka, sein Vater Israel und sein Bruder Isaak nicht lange Ruhe: Die Nationalsozialisten marschierten zu Kriegsbeginn in Polen ein, Perels Familie wurde in ein Judenghetto hinter Stacheldraht gesteckt - seine Eltern und seine Schwester fielen später dem Holocaust zum Opfer. "Hier begann der Prozess unserer Entwürdigung, die erste Phase der geplanten Massenvernichtung der Juden", erinnert sich Perel noch an diese schwärzeste Zeit nicht nur der deutschen, sondern zugleich auch der internationalen Geschichte: "Damals begannen die Nationalsozialisten, jüdische Kinder aus ganz Europa zu vergasen - ich möchte die Jugend heute impfen mit den Tränen dieser Kinder."

Um diesem Schicksal zu entgehen, flüchtete Perel mit seinem Bruder Isaak aus dem Ghetto. "Ich wusste, dass ich meine Eltern nie mehr wiedersehen würde", erinnert sich Perel. Seine Eltern gaben ihm zwei Wünsche mit auf den Weg: "Vergiss nie, wer Du bist", waren die letzten Worte seines Vaters. "Du sollst leben", sagte seine Mutter. "Das war schon fast ein Befehl", so Perel.

Und genau diese drei Wörter haben sein Leben gerettet, waren die Quelle seiner Energie, denn auf verschiedenen Umwegen landete Perel schließlich für vier Jahre in einer Hitlerjugend-Schule in Braunschweig. Er gab sich eine völlig neue Identität, und so wurde aus Salomon Perel der Hitlerjunge Josef Perjell. "Leider konnte ich zu dieser Zeit dem Wunsch meines Vaters nicht immer nachkommen, denn ich vergaß, wer ich war", denkt Perel zurück. "Ich bejubelte die Siege der Wehrmacht mit und lief in einer Uniform der Nazis herum, und jede Stunde lebte ich in der Gefahr, entdeckt zu werden - das waren vier lange Jahre."

Ob er es heute anders gemacht hätte als damals, möchte eine Schülerin wissen, oder ob er wieder in die Uniform des schlimmsten Feindes schlüpfen würde, um zu überleben: "Das war mein Schicksal, ich habe es mir nicht ausgesucht. Ich handelte damals instinktiv, meine Lebenserhaltungstriebe hatten mich völlig überwältigt." Und, das lag Perel auch sehr am Herzen, er war dem Wunsch seiner Mutter, dass er leben solle, nachgekommen. Nach dem Krieg siedelte Perel nach Israel über, heute lebt er in Tel Aviv und engagiert sich in einer israelischen Friedensbewegung, die den Konflikt um Palästina friedlich lösen möchte: "Ich bin scharfer Gegner der Besatzungspolitik Israels", bekennt Perel. Denn er weiß am eigenen Leib, was Gewalt bedeutet.

Wie er denn zu Gewalt gegen den wieder aufflammenden Rechtextremismus in Deutschland sieht, wird Perel, der "Menschenliebe für das höchste Gut" hält, von einem Schüler gefragt. "Ich finde es besser, friedlich zu diskutieren und zu demonstrieren, den Gewalt erzeugt immer wieder Gegengewalt." So hatten die Schüler der 10. Klassen von Realschule und Gymnasium sowie der Jahrgangsstufe 11 des Gymnasiums viel zum Nachdenken, als sie sich aus der Aula begaben.

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