Ira Wilkniss: "Etwas ändern heißt zu verzichten"

Mit dem Rauchen aufhören, regelmäßig Sport treiben, abnehmen oder mehr Zeit für die Familie haben - der bevorstehende Jahreswechsel ist ein beliebter Zeitpunkt, um eine Menge guter Vorsätze zu fassen.

 "Oft sind gute Vorsätze zu vage formuliert": Psychotherapeutin Ira Wilkniss aus Oberpleis.

"Oft sind gute Vorsätze zu vage formuliert": Psychotherapeutin Ira Wilkniss aus Oberpleis.

Foto: Frank Homann

Oberpleis. Mit dem Rauchen aufhören, regelmäßig Sport treiben, abnehmen oder mehr Zeit für die Familie haben - der bevorstehende Jahreswechsel ist ein beliebter Zeitpunkt, um eine Menge guter Vorsätze zu fassen. Wie diese sich tatsächlich umsetzen lassen, und welches die häufigsten Gründe für ein Scheitern sind, darüber sprach Gabriela Quarg mit Psychotherapeutin Dr. Ira Wilkniss aus Oberpleis.

General-Anzeiger: Haben Sie bereits Vorsätze für das neue Jahr gefasst?

Ira Wilkniss: Ja, ich werde auf einen traditionellen Kurzurlaub verzichten und stattdessen ein paar Tage der Muße und Ruhe zu Hause einlegen. Ich denke und hoffe, dass mir dieser kurze "Ausstieg" auch gelingt.

GA: Meistens sind die Vorsätze zum Jahreswechsel ja eher zum Scheitern verurteilt.

Wilkniss: Das stimmt. Es gibt Untersuchungen, die besagen, dass sich 50 Prozent der Menschen zum Jahreswechsel etwas vornehmen, aber weniger als zehn Prozent schaffen es, diese guten Vorsätze auch durchzuhalten.

GA: Woran liegt das?

Wilkniss: Die alten Gewohnheiten bringen oft Vorteile mit sich, sie haben meist einen kurzfristigen positiven Effekt. Etwas zu ändern heißt aber, auf etwas Angenehmes oder Gewohntes zu verzichten - und verzichten tun wir nicht gerne. Erst recht nicht für etwas, das sich erst längerfristig auszahlt. Oft sind gute Vorsätze aber auch zu vage formuliert. Es reicht nicht, nur eine Absicht zu formulieren, sondern man sollte sich auch über die Umsetzung konkrete Gedanken machen.

GA: Können Sie ein Beispiel nennen?

Wilkniss: Anstelle zu sagen, ich nehme mir mehr Zeit für die Familie, bestimmte, feste Tage auswählen, an denen dann etwas gemeinsam unternommen wird. Gleichzeitig sollte man sich auch frühzeitig Gedanken darüber machen, was man tut, wenn etwas dazwischen kommt.

GA: Wie haben gute Vorsätze Aussicht auf Erfolg?

Wilkniss: Das Ziel muss eine hohe persönliche Bedeutung haben, es muss mir wichtig sein. Es sind Wünsche oder Sehnsüchte, die mich schon lange begleiten, die in mir Wurzeln geschlagen haben und gewachsen sind. Der feuchtfröhliche Einfall auf der Silvesterparty wird sicherlich nur schwer langfristig durchzuhalten sein.

GA: Was kann das Durchhalten noch erleichtern?

Wilkniss: Ein guter Vorsatz ist zwar in erster Linie eine Selbstverpflichtung und beruht auf Eigenmotivation, aber natürlich kann es hilfreich sein, Menschen aus dem eigenen Umfeld hinzuzuziehen, die einen unterstützen. Außerdem sollte der gute Vorsatz nicht gleich für die Ewigkeit angelegt sein, sondern erst mal für einen bestimmten Zeitraum, zum Beispiel für drei bis sechs Monate. Es macht Sinn, das Vorhaben wie eine Art Projekt zu planen, damit grenzt man es ein und macht es überschaubar. So lässt sich auch das Unwohlsein, das jede Veränderung erst einmal mit sich bringt, in Grenzen halten.

GA: Welche Fallen lauern auf dem Weg?

Wilkniss: Etwas einfach wegfallen zu lassen - zum Beispiel zu sagen, ich rauche nicht mehr - ohne sich vorher alternative Verhaltensweisen überlegt zu haben, ist schwierig. Des Weiteren drohen Rückschritte, Rückfall in alte Gewohnheiten und damit Demoralisierung und Entmutigung. Es ist daher wichtig, von Anfang an damit zu rechnen, dass es nicht die ganze Zeit steil bergauf geht.

GA: Und wie sollte man im Fall von Rückschlägen verfahren?

Wilkniss: Man sollte sie analysieren und versuchen, Informationen daraus zu ziehen. An welchem Punkt bin ich wieder in mein altes Verhalten zurückgefallen, was genau könnte ich nächstes Mal in dieser Situation tun? Wer dabei neugierig und freundlich zu sich selbst ist, wird mehr Erfolg haben als der, der sich im Falle eines Rückschlags mit Selbstabwertung straft. Jeder Prozess braucht schließlich Zeit.

GA: Gibt es eigentlich einen optimalen Zeitpunkt, um mit der Umsetzung guter Vorsätze zu beginnen?

Wilkniss: Wenn wir psychisch oder physisch geschwächt sind, ist das natürlich kein guter Zeitpunkt. Eine Veränderung braucht immer viel Kraft und Energie.

Zur PersonPsychotherapeutin Ira Wilkniss (44) ist Spezialistin auf dem Gebiet Verhaltenstherapie. Sie betreibt seit zehn Jahren eine Praxis in Oberpleis und behandelt überwiegend Patienten mit Ängsten, Depressionen oder Zwangserkrankungen.

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