Inklusion ist bis jetzt nur ein Wort

Die "StadtschülerInnenvertretung", der fast alle Bornheimer Schulen angehören, will Behinderte besser einbeziehen.

Bornheim. Einige ihrer Versprechungen zu Verbesserungen im Schulwesen hat die rot-grüne NRW-Regierung schon eingelöst, etwa die Abschaffung der Kopfnoten. Den Bornheimer Schülern reicht das jedoch nicht: "Wenn man, wie es die Bildungsministerin Sylvia Löhrmann gesagt hat, viel verändern will, muss man es auch durchsetzen", ist Anton Thun (18), Schülersprecher des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums (AvH), überzeugt.

"Wenn sie sagt, wir wollen Inklusion haben, dann muss man es auch machen. Dass das Geld kostet, ist klar."

Ein gutes halbes Jahr nach Antritt der neuen Landesregierung hat die "StadtschülerInnenvertretung Bornheim", der fast alle Schulen der Stadt angehören, eine Bilanz gezogen, aus der hervor geht, dass sie deutlich mehr erwartet hat. Sie kritisiert die G8-Reform als misslungen, bemängelt, dass "die angekündigten Gemeinschaftsschulen keineswegs flächendeckend angeboten" werden und die Einrichtung dieser Schulform in Merten nur Real- und Hauptschule zusammenfasst: "Das elitäre Gymnasium bleibt als Gegenpol bestehen." Die Inklusion, also Einfügung von Behinderten Schülern in eine normale Schule, werde kaum umgesetzt, und an vielen Ecken werde gespart.

Inklusion Inklusion bedeutet Einbeziehung, Einschluss, Einbeschlossenheit, Dazugehörigkeit. Der Begriff hat sich im Lauf des vergangenen Jahrzehnts zunächst im englischen Sprachraum ("inclusion"), dann nahezu weltweit verbreitet, um bestimmte gesellschaftliche Prozesse zu bezeichnen. Inklusion spielt besonders eine Rolle, wenn es um Menschen mit Behinderungen geht. Hier steht es als Synonym für "volle gesellschaftliche Teilhabe". Die Bundesbeauftragte für die Belange behinderter Menschen, Karin Evers-Meyer, definiert so: Während Integration immer noch so interpretiert werde, dass man - gewissermaßen wohlwollend - bereit sei, Menschen, die "von der Regel abweichen" in bestehende Systeme für "regelgerechte" Menschen einzupassen, gehe Inklusion von vorne herein davon aus, Gemeinsames für alle zu schaffen. (agi)Letzteres merkt man auch am AvH: Die Mensa, die gerade gebaut wird, ist zwar ebenerdig, aber trotzdem nur über Stufen erreichbar. Einen Aufzug für den Oberstufentrakt gibt es nicht. Für eine Oberstufenschülerin mit körperlicher Behinderung sei das ein Problem, so Schulleiterin Brigitte Engelhardt: "Die Schülerin versucht zwar, mit Hilfe ihrer Klassenkameraden in die oberen Etagen zu kommen, aber das ist schon ganz schön schwierig."

Barrierefreiheit sei schon länger Standard für Gebäude, meint Thun. "Wir sehen das als riesigen Rückschritt, wenn sogar neue Gebäude nicht barrierefrei gebaut werden." Ein Aufzug für die Mensa, auf die noch aufgestockt werden kann, ist zwar eingeplant und könnte, da diese direkt an den Oberstufentrakt anschließt, dort mitgenutzt werden - wenn nicht das Geld dafür fehlen würde.

Gerade ist die Umstellung auf G8, das Abitur nach acht Jahren, volzogen, da bietet die Landesregierung ein "neues" G9 an (siehe Infokasten). "Wir haben jetzt gerade erst neue Lehrmittel für dieses G8-System geholt", sagt Thun. Seine Schülersprecher-Kollegin Eva Bode (17) erinnert zudem an "das eine Jahr des doppelten Jahrgangs, wo alle das Grauen vor haben.

Das dann noch mal zu reformieren, davor schreckt natürlich jede Schule zurück." Die Schüler hätten mit dem jetzigen G8-System einen enormen Druck. "Wir fordern ja nicht G9 um jeden Preis", sagt Thun. "Wenn beispielsweise die Unterrichtsinhalte gefiltert und entschlackt werden, dann kann man darüber sprechen."

G8 und das neue G9 2005 wurde das Abitur nach acht Jahren in den Gymnasien eingeführt, wobei der Unterrichtsstoff nicht wesentlich reduziert wurde. Die Zahl der Wochenstunden hat sich erhöht, was in der Regel einen ganztägigen Unterricht nach sich zieht. Dies macht eine Übermittagsbetreuung und Verpflegung der Schüler notwendig. Zudem müssen die Gymnasien Schuljahre bewältigen, in denen die alten Jahrgangsstufen 13 und die neuen Jahrgangsstufen 12 gleichzeitig das Abitur machen. In NRW wurde den Gymnasien die Wahl eingeräumt, wieder auf G9 umzustellen. Von 630 Gymnasien nutzten das nur 13 Schulen. (kpo)Ob und wann der Traum der Schülervertretung von einem bundesweiten Gemeinschaftsschulsystem verwirklicht werden kann, ist offen. "Es ist alles umsetzbar, wenn man das nur will", meint Engelhardt. "Was in anderen Ländern klappt, ist sicherlich auch in Deutschland denkbar." Die Schüler wollen dafür beim Bildungsstreik kämpfen.

Thun: "Natürlich ist die Bewegung auf der Straße das, was zählt." Dass die Landesregierung trödelt, sieht Bürgermeister Wolfgang Henseler nicht: In Sachen Kopfnoten und der Gemeinschaftsschule in Merten etwa sei schnell gehandelt worden. Er spricht sich für ein zweigliedriges Schulsystem aus Gymnasium und Gemeinschaftsschule aus.

"Ich glaube nicht, dass es eine Mehrheit für die Auflösung des Gymnasiums gibt." Bei der AvH-Mensa könne auch nicht von einem Finanzierungsunwillen die Rede sein. Auch die Schulen müssten über Lösungen nachdenken. Für den Unterricht, an dem behinderte Schüler teilnehmen, würden sich sicherlich Räume im Erdgeschoss finden.

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