Priestermangel In der Region entfallen Gottesdienste und Kirchen bleiben leer

SIEGBURG · An der Sankt Antonius Kirche in Seligenthal hat die Jesusskulptur nicht nur ihren Kopf verloren - künftig bleiben auch ihre gläubigen Schäfchen fern. Ende April war das steinerne Haupt des Christus am Kreuz vor der ältesten Franziskanerkirche nördlich der Alpen weggebrochen.

 In Seligenthal sorgt sich Werner Buhrow um seine Gemeinde, Gottesdienste wurden gestrichen.

In Seligenthal sorgt sich Werner Buhrow um seine Gemeinde, Gottesdienste wurden gestrichen.

Foto: Holger Arndt

Eine neue Gottesdienstordnung streicht nun ab September 2012 die Samstagsgottesdienste - nur noch Hochzeiten sollen innerhalb der Kirche gefeiert werden. Sind das die ersten Ausfallerscheinungen einer katholischen Kirche, die mit einem Mangel an Nachwuchspriestern kämpft?

Seit 2001 wurden 30 Prozent weniger Priester geweiht, in den letzten zehn Jahren sank die Zahl der Priesterweihen in den Bistümern von 122 auf 86. Hinter den nackten Zahlen verbirgt sich das Ausmaß dieser Veränderung: leere Kirchen, weil Pfarrer fehlen. "Dass die Zahl der Priester abnimmt, ist uns bekannt", bestätigt Nele Harbeke, Pressereferentin des Erzbistums Köln.

Auch im Bereich der Seelsorge muss die Kirche einsparen, nicht weil es an Geld fehlt, sondern an Personal. Harbeke warnt jedoch davor, die Entwicklung nur negativ zu sehen. Es gebe dadurch auch Chancen, über Gemeindegrenzen hinweg Kirche zu leben. Dennoch verstehe das Erzbistum die Befindlichkeiten der Gläubigen, denen ein Stück geistlicher Heimat genommen werde. Bis 2050 rechne das Erzbistum aber nicht damit, dass massenhaft Stellen gestrichen werden müssten.

Zwei Pfarrer teilen sich in Siegburg die Verantwortung für elf Kirchen, da bleibt wenig Spielraum. Für die Gläubigen in Seligenthal ist der Wegfall der Gottesdienste ein schmerzhafter Verlust. Werner Buhrow, der regelmäßig die Messen besucht, kritisiert die Entscheidung, die Seelsorgeteam und Pfarrgemeinderat getroffen haben. "Man hat uns die einzige Messe am Wochenende gestrichen", klagt er. Ehrfürchtig tastet er sich den Mittelgang zum Altar vor.

Den 84-Jährigen schmerzt vor allem die Art der Entscheidung, denn Dechant Peter Weiffen war zu der Zeit im Urlaub. "Ich finde die Methode schlimm, als er wiederkam, war alles schon beschlossen." Er wünscht sich, dass man auch nichtreguläres Personal wie Altabt Pater Placidus einsetzt, um Gottesdienste in Seligenthal zu erhalten.

Der habe sich schon angeboten. Walter Boscheinen vom Pfarrgemeinderat hingegen verteidigt die Entscheidung: "Bei unserer so umstrittenen Gottesdienstordnung ist es uns gelungen, dass wir nur einen einzigen Gottesdienst streichen mussten - und das bei elf Kirchtürmen." Die kleinste Gemeinde müsse leider wandern, damit die größeren die Möglichkeit einer Sonntagsmesse behalten. Den Verzicht auf nichtreguläres Personal begründet er arbeitsrechtlich.

Die Hilfe alter und kranker Personen für die Grundversorgung in den Gemeinden hält er nicht für sinnvoll. Er wünscht sich hingegen neue Formen der Frömmigkeit über die Eucharistiefeier hinaus - auch Messen, Andachten und Rosenkranzgebete seien Formen des Gottesdienstes. "Ich hoffe, dass sich von unten her eine neue Vielfalt entwickelt."

Auch in Hennef begegnet man besorgten Gläubigen. Vor etwa sechs Wochen hat sich die Situation derart zugespitzt, dass es keine regelmäßigen Gottesdienste in den Filialkirchen mehr gibt. "Das bekommen insbesondere die Bröler zu spüren", sagt Wolfgang Seitz, Katholik aus Hennef. Er sorgt sich vor allem um die Seelsorge in seiner Region: "Die sogenannte Seelsorge ist etwas, das total auf der Strecke bleibt. Die Dienstleistung der Kirche und ihrer Priester ist absolut heruntergefahren."

Darüber hinaus ärgern ihn auch bürokratische Hürden, er kritisiert die Aufteilung Hennefs in zwei Dekanate und fragt zudem, warum nicht qualifizierte Laien bei Verwaltungsaufgaben die Pfarrer entlasten. "Ich wünsche mir eine Gemeinde, in der der Pfarrer einen kennt und Zeit für die Menschen hat", so Seitz. Aus Köln erhoffen sich die besorgten Katholiken indes wenig Hilfe. "Da kommen zwar fromme Worte zurück, aber in der Sache bleibt man hart", so Buhrow.

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