In 14 Monaten fielen alle drei Söhne

Auch in Pleiserhohn ist die Erinnerung an den Frühling 1945 lebendig

  Überreste  der schweren Kämpfe im Siebengebirge präsentieren Willi Zerres (links) und Andrew Denison in Pleiserhohn.

Überreste der schweren Kämpfe im Siebengebirge präsentieren Willi Zerres (links) und Andrew Denison in Pleiserhohn.

Foto: Homann

Pleiserhohn. "Das nenne ich Gänsemarsch." Andrew B. Denison, Politologe und Direktor des Forschungsverbundes "Transatlantic Networks" in Königswinter, zeigt ein Bild, auf dem amerikanische Soldaten in einer Reihe gehen, dazwischen Federvieh.

Doch die Idylle trügt. Kurz vor Kriegsende waren auch die kleinen Dörfer im Siebengebirge hart umkämpft, und es gab schwere Gefechte, berichtet Denison, der in den USA (Laramie, Wyoming) aufwuchs und seit etwa zehn Jahren in Pleiserhohn lebt. Zu einem Diskussionsabend zum Kriegsende im Siebengebirge hatte für Freitagabend der Bürgerverein "Nachbarschaft Pleiserhohn Thelenbitze" ins Zelt neben der Sankt-Anna-Kapelle eingeladen.

Neben alten Fotos präsentiert Denison seinen Zuhörern Auszüge aus Kriegsberichten amerikanischer Soldaten, auf die er während seiner Recherchen in einem Museum in Chicago gestoßen war. Am 7. März hatte die amerikanische Infanterie den Rhein bei Remagen überquert, am 20. März starteten die Truppen von Oberpleis aus den ersten Angriff auf Pleiserhohn, wurden jedoch zurückgeschlagen.

Erst am Tag darauf gelang es den Soldaten, das Dorf einzunehmen. Während der Kämpfe sah sich die "Company C" der 16. Infanterie "starken feindlichen Kräften" gegenüber, die mit Maschinengewehren, Kleinkaliberwaffen, Geschützen und Mörsern das Feuer eröffneten, heißt es im Kriegsbericht.

"Spuren dieser Kämpfe finden sich überall im Siebengebirge", berichtete Denison, der Granatsplitter und ähnliches Material aus dem Siebengebirge zusammengetragen hat. "Manchmal findet man auch etwas Persönliches", sagte der Politologe. Eindrucksvoll geht aus den Berichten hervor, welch hohe Verluste die Amerikaner erlitten, bis sie die Stadt endlich erstürmen konnten und sich die Wehrmachtseinheiten schließlich zurückzogen.

Doch die Angaben bleiben vage, lediglich dass es weniger seien als auf Seiten der "Heinis" oder "Krauts", wie die Amerikaner die Deutschen zuweilen nannten, wird erwähnt. Genauer bestimmt ist hingegen schon die Angabe der Essensrationen: "Während des Tages wurden zwei heiße Mahlzeiten serviert."

Wie viele Menschen aus Pleiserhohn und Thelenbitze im Zweiten Weltkrieg ihr Leben verloren, hat Willi Zerres recherchiert. Er berichtete im Anschluss an den Vortrag Denisons über deren Schicksal, insofern er die Umstände ihres Todes noch in Erfahrung bringen konnte. Danach überlebten 19 Menschen aus Thelenbitze und Pleiserhohn den Krieg nicht, darunter eine Frau.

17 der verstorbenen Männer waren Soldaten, die meisten zwischen 19 und 30 Jahren alt. Viele von ihnen starben in Russland, einige im Kampf um Stalingrad. Andere, die der Kesselschlacht entronnen waren, überlebten die anschließende russischer Kriegsgefangenschaft nicht. "Eine Familie verlor innerhalb von 14 Monaten alle drei Söhne. Der jüngste war 19, der älteste 23", berichtete Willi Zerres.

In Pleiserhohn erinnert seit 1977 eine Gedenktafel in der Sankt-Anna-Kapelle an die Gefallenen, seit 1986 sind auch ihre Namen aufgeführt. Die Recherchen von Willi Zerres unterstützten die anwesenden Zuhörer aus Pleiserhohn und Thelenbitze mit ihren eigenen Erinnerungen, die sich auch 60 Jahre nach Kriegsende noch sehr lebendig zeigten. Und das war schließlich auch das Anliegen von Andrew Denison und Willi Zerres: Das Wissen der Zeitzeugen zu sammeln und den nachfolgenden Generationen zu erhalten.

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