Hodges-Bridge war das Nadelöhr für Rückkehrer

Amerikaner bauten Behelfsbrücke zwischen der Godesberger Bastei und der Niederdollendorfer Schiffsanlegestelle - Für Passierscheine musste ein Trick helfen - Kein Überqueren ohne Entlausung

  Die Hodges-Brücke  bestand zunächst aus dicht nebeneinander liegenden Frachtkähnen. Später wurde sie für den wieder einsetzenden Frachtschiffverkehr aufgeständert. Repro: Friese

Die Hodges-Brücke bestand zunächst aus dicht nebeneinander liegenden Frachtkähnen. Später wurde sie für den wieder einsetzenden Frachtschiffverkehr aufgeständert. Repro: Friese

Bad Godesberg. Vor 60 Jahren, im Frühjahr 1945 nach dem Kriegsende am 8. Mai, erlebte Bad Godesberg den Durchzug von rückkehrenden Flüchtlingsströmen. Noch heute erinnern sich ehemalige Anwohner der Burgstraße der Menschen, die mit kargem Handgepäck, mit Fahrrädern, kleinen und großen Karren kamen, oft jämmerlich vorüberkeuchten und durch das Marienforster Tal nach Westen strömten in Richtung Pech-Villip.

Die da vorüberkamen, waren großen teils Evakuierte, die man aus dem kriegsbedrohten Raum der deutschen Westgrenze, besonders aus dem Aachener Gebiet über den Rhein in vermeintliche Sicherheit gebracht hatte, und die nun wieder nach Hause strebten, ungewiss, was sie dort antreffen würden.

Aber auch viele Bewohner der linksrheinischen Städte, die nach Mitteldeutschland evakuiert oder aus eigenem Antrieb geflohen waren, kehrten zurück. Da alle Brücken zerstört waren, war die Hodges-Bridge bei Bad Godesberg der einzige Übergang für die Rückkehrer.

Die Amerikaner hatten diese Brücke bei Stromkilometer 647,7 zwischen der Schiffsanlegestelle Bastei und der Einmündung des Godesberger Baches seit Ende März angelegt. Für diese Brücke war von der Ubierstraße zum Rhein hin durch den Leserschen Besitz eine breite Anfahrt gebaut worden, die auch nach dem Abbruch der Brücke erhalten blieb. Die Brücke bestand zunächst aus dicht nebeneinander liegenden Frachtkähnen, über die eine Fahrbahn gelegt war. Später wurde sie für den wieder einsetzenden Frachtschiffverkehr aufgeständert.

Zuerst wurde die Brücke, die nach dem General Hodges benannt war, nur für den amerikanischen Nachschub nach Osten verwendet. Dieser Nachschub rollte ab 24. März 1945 morgens sieben Uhr mit einem unvorstellbaren Aufwand an Menschen und Kriegsmaterial von Wachtberg kommend durch Bad Godesberg, die Rheinallee entlang bis zum Rhein.

Nach dem Kriegsende am 8. Mai setzte der Verkehr in der Gegenrichtung ein. Die Deutschen, die aus den bombardierten rheinischen Städten nach Mitteldeutschland geflohen oder evakuiert worden waren, kehrten zurück an den Rhein. Für sie war die Hodges-Bridge der einzige Rheinübergang, denn alle andere Brücken lagen zerstört im Strom.

Unzählige Menschen trafen in Niederdollendorf ein, um von hier aus den Rhein zu überqueren. Indes die Amerikaner ließen keinen ohne Passierschein die Brücke betreten. Und so lagerten täglich hunderte von Menschen in den Rheinwiesen von Niederdollendorf und warteten auf den Übergang, der ihnen von morgens acht bis abends 20 Uhr gewährt wurde, wenn sie eine strenge Kontrolle passiert hatten.

Da die Amerikaner sich schwer taten mit den deutschen Personalpapieren, die ihnen vorgelegt wurden, beauftragten sie eine ausgesuchte und "durchleuchtete" deutsche Hilfskraft, die unter der strengen Aufsicht eines amerikanischen "Major" die Papiere zu prüfen und den Passierschein auszustellen hatte. Eine strikte Anweisung verbot, Menschen in die großen linksrheinischen Städte zurückkehren zu lassen, denn die Amerikaner waren der Überzeugung, die Städte seien verseucht.

Da aber die Flüchtlinge und Evakuierten meist aus eben jenen Städten stammten, musste ein Trick helfen: Die Passierscheine wurden nicht nach Bonn, Köln oder Düsseldorf ausgestellt, sondern nach den Vororten der Städte, nach Poppelsdorf, Endenich, Kessenich, nach Nachbarstädten Deutz, Leverkusen, nach Ratingen oder Kaiserswerth.

So kamen die Flüchtlinge, die oft tagelang in den Rheinwiesen von Niederdollendorf ausharren mussten, über den Rhein. Für das Auftreffen des Flüchtlingsstromes auf dem Godesberger Ufer benötigten die Amerikaner auch deutsche Hilfe, und so versicherten sie sich des damals noch 15-jährigen später bekannten Bad Godesberger Gastronomen Josef Walgenbach, der mit seinen guten Englischkenntnissen monatelang hier Hilfsdienste tat.

Die Godesberger selbst durften bald auch die Hodges-Bridge benutzen, um wieder Kontakt mit dem rechten Rheinufer aufzunehmen. Vorbedingung war allerdings die "Entlausung", das heißt das Einsprühen mit einen weißen Puder, was amerikanische Soldaten kniend in einem Haus auf der Ubierstraße 79 besorgten. Ein alter Godesberger, Günther Gratzfeld, der viele Erinnerungen aus dieser Zeit niedergeschrieben hat, erzählt, wie er, entlaust und mit Passierschein versehen, neunjährig, ohne Wissen der Eltern die Hodges-Bridge passierte, um die Verwandten in Niederdollendorf zu besuchen.

Erster Kontakt nach Monaten des Schweigens und der Ungewissheit, wie man den Krieg überstanden hatte. Die Hodges-Bridge diente noch bis zum späten Herbst dem Verkehr zwischen den beiden Rheinufern und wurde erst im November 1945 abgebrochen.

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