Gutachter halten Polizistin für gesund und stabil

Selbst der Staatsanwalt ist vom Verantwortungsbewusstsein der 36-Jährigen beeindruckt und tritt von seinem eigenen Antrag auf Einweisung zurück - Das letzte Wort der Beschuldigten vor dem Bonner Schwurgericht bewegt alle

Bonn. "Es ist schrecklich, dass ich in einer Kirche, einem Ort des Friedens und der Liebe, eine Frau getötet habe, eine Mutter von zwei Kindern. Es ist schrecklich, was mein Körper getan hat, denn mein Geist war krank. Es ist schrecklich, damit leben zu müssen." Die 36-jährige Polizistin hat sich erhoben für ihr letztes Wort, und es gibt wohl niemanden im Bonner Schwurgerichtssaal, dem es nicht unter die Haut geht.

Es ist der letzte Tag in einem Verfahren, in dem die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie gestellt hat für die Frau, die am 10. Oktober 2002 in einem religiösen Wahn in der Euskirchener Herz-Jesu-Kirche eine ihr unbekannte 48-jährige Kirchgängerin erwürgte, weil sie in ihr den Satan sah ( der GA berichtete).

Und nun kommen die beiden vom Gericht bestellten medizinischen Sachverständigen zu dem Ergebnis: Die 36-Jährige ist wieder so gesund und stabil, dass sie keine Gefahr mehr darstellt. Und so tritt Staatsanwalt Ulrich Bremer von dem Antrag zurück und bittet das Gericht, ihn zurückzuweisen. Verteidiger Michael Hermanns kann sich ihm nur anschließen.

Die Frage der Unterbringung hatte sich im Januar plötzlich neu gestellt, nachdem der Fall im Jahr zuvor entschieden zu sein schien: Nach der Tat hatten medizinische Untersuchungen ergeben, dass die Polizistin nach der krebsbedingten Entfernung der Schilddrüse und entsprechender Therapie Opfer einer Totalentgleisung ihres Stoffwechsels geworden und in eine organisch bedingte Psychose mit religiösen Wahnvorstellungen gerutscht war.

Schon kurze Zeit später lebte die Mutter eines kleinen Sohnes unter entsprechender Medikamentierung wieder in der Realität. Die Justiz stellte das Verfahren gegen sie ein: Da sie zur Tatzeit schuldunfähig gewesen war, konnte sie nicht bestraft werden. Und weil sie nicht mehr gefährlich war, blieb sie frei.

Sie begann, ihr normales Leben zu leben, sofern es noch ein normales Leben war: Sie kämpfte um die Rückkehr in ihren Job und das Sorgerecht für ihren dreijährigen Sohn. Und sie bemühte sich, mit der Tat zu leben - und mit der Angst, dass so etwas noch einmal passiert.

Als sie im Januar Anzeichen dafür zu bemerken schien, wies sie sich selbst sofort in die geschlossene Abteilung der Landesklinik ein. Schon am nächsten Tag war klar: Sie entwickelte keine Wahnvorstellungen und hat seitdem auch keine bekommen. Für die Gutachter steht nun fest: Sie stellt angesichts ihres extremen Verantwortungsbewusstseins und Sicherungsbedürfnisses keinerlei Gefahr dar. Wie unbefriedigend es für die Familie des Opfers ist, dass die Täterin ungeschoren davonzukommen scheint, ist allen Prozessbeteiligten, die von einer großen Tragödie sprechen, klar.

Vor allem der Polizistin, die sich zum Schluss direkt an den Ehemann ihres Opfers wendet: "Ich bedaure sehr, was ich Ihnen und Ihrer Familie angetan habe. Zu sagen, es tut mir leid, wäre viel zu banal." Dass der Nebenkläger ihre schriftliche Entschuldigung nicht akzeptiere, respektiere sie. Sie verspricht, alles zu tun, dass so etwas nie mehr passiert.

Sie dankt ihrer Familie und ihren Freunden für die Unterstützung und appelliert an das Gericht: "Für meinen Sohn, den ich über alles liebe, wäre es schrecklich, wenn seine Mutter in die Psychiatrie müsste." Das Urteil wird am Donnerstag gesprochen.

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