Flüchtlinge in Königswinter Gesucht werden Alternativen für den Winter

KÖNIGSWINTER · Das Thema Flüchtlinge stellt die Stadt Königswinter vor große Herausforderungen. 2.500 Überstunden sind in der Verwaltung bislang angefallen, andere Themen wie beispielsweise die Bäderplanung, müssen hinten anstehen. Aber nicht alles, was mit diesem Thema zu tun hat, lässt sich in Zahlen ausdrücken.

 In der Asylbewerberunterkunft in der Paul-Moor-Schule sind die Bewohner mit den Oberpleisern ins Gespräch gekommen.

In der Asylbewerberunterkunft in der Paul-Moor-Schule sind die Bewohner mit den Oberpleisern ins Gespräch gekommen.

Foto: Frank Homann

Denn die Schicksale der Menschen, die in Königswinter Zuflucht suchen, lassen die Helfer nicht unberührt.

Notunterkunft: Am 21. August kamen die Flüchtlinge in der Notunterkunft in Königswinter an - ohne Papiere, teilweise ohne ärztliche Untersuchungen. Inzwischen ist in die Zeltstadt neben dem Palastweiher so etwas wie Normalität eingekehrt; die ersten Flüchtlinge werden Königswinter am Freitag verlassen.

Was den Betreuern in Erinnerung bleibt, sind die Schicksale. So wie das des jungen Mannes, der plötzlich zitterte und kaum ansprechbar war. Mit Hilfe eines Dolmetschers fanden die Helfer heraus, dass der Mann gerade vom Tod seiner ganzen Familie erfahren hatte, die bei der Überfahrt mit dem Boot im Mittelmeer ums Leben gekommen war.

Wenn die bisherigen Flüchtlinge ausziehen, werden neue nachkommen. "Wir haben die Bezirksregierung gebeten, uns wenigstens nicht schon am Wochenende neue Flüchtlinge zuzuweisen, damit wir Zeit haben, die Zelten zu säubern und der eine oder andere Mitarbeiter mal ein Wochenende frei hat", sagt die Königswinterer Sozialdezernentin Heike Jüngling.

Da die Unterkunft laut Bezirksregierung noch mindestens weitere sechs Monate bestehen wird, sucht die Verwaltung intensiv nach Alternativen. Denn für die Temperaturen im Winter sind die Zelte nicht geeignet. Jüngling: "Wir prüfen derzeit mehrere Gebäude." Außerdem ist man in Verhandlungen mit einem möglichen Träger für die Notunterkunft.

Turnhallen: Zu den möglichen Alternativen für die derzeitige Notunterkunft zählen laut Jüngling ausdrücklich nicht die Turnhallen der Stadt. "Die Dreifachturnhallen stehen bei uns derzeit nicht im Fokus." Da der Winter nahe, seien derzeit Unterkünfte in "stabileren" Gebäuden im Blick der Verwaltung.

Paul-Moor-Schule: Nach und nach ziehen derzeit Asylbewerber in die Paul-Moor-Schule in Oberpleis - bis 80 Personen dort ein vorübergehendes Zuhause gefunden haben. Nach anfänglicher Kritik sind bei der Stadt keine negativen Reaktionen mehr eingegangen - nur eine. Anwohner beschwerten sich über eine Ruhestörung durch Basketball spielende Asylbewerber - eine Kontrolle ergab jedoch, dass es sich bei den Spielern um Oberpleiser handelte.

Asylbewerberunterkunft Stieldorf: In Stieldorf hat sich durch die Belegung der Paul-Moor-Schule laut Stadt die Lage entspannt - vor allem dadurch, dass nicht mehr so viele Menschen auf engstem Raum lebten. Das Willkommensfest am vergangenen Wochenende habe die Bewohner sehr gefreut.

Kosten: Die Stadt trägt noch immer die Hauptlast der Kosten für die Unterbringung der Asylbewerber. Und: Zwar übernimmt das Land die Kosten für die Notunterkunft. "Aber für die Kollegen im Ruhestand, die wir wieder aktiviert haben, um zu helfen, sowie für die Kollegen, die statt ihrer normalen Arbeit ihre Stunden in der Unterkunft leisten, wollte man nicht bezahlen. Aber ich hoffe da noch auf eine Einigung mit dem Land", so Jüngling.

Und auch für die Unterbringung der Asylbewerber haben Bund und Land den Kommunen mehr Geld versprochen. "Ich bin gespannt, wie viel davon wirklich bei uns ankommt." Sie setze aber darauf, das momentan viel im Gange sei und ein Umdenken stattgefunden habe. Allerdings: Verlässliche Zahlen, worauf sich die Stadt noch einstellen muss, könne noch niemand geben.

Engagement: Das Engagement der Bürger für die Flüchtlinge ist überwältigend, so Jüngling. "Es gibt Angebote für Mal- oder Tanzkurse", berichtet sie, dazu Spiele für Kleinkinder, Fußballpartien oder auch handwerkliche Hilfen. Die Angebote kommen von Privatpersonen, Vereinen aber auch Firmen. Man bitte aber um Verständnis, dass die Koordinierung der Hilfen noch Zeit brauche. "Es ist momentan einfach sehr viel."

KURZ GEFRAGT

Die Stadt Königswinter plant den Bau eines neuen Asylbewerberheims an der Herresbacher Straße. Über die längerfristige Unterbringung der Menschen sprach Katrin Janßen mit Sozialdezernentin Heike Jüngling.

Die Stadt will an der Herresbacher Straße in Oberpleis eine Unterkunft für 80 Asylbewerber bauen. Wird das angesichts der dramatischen Flüchtlingszahlen überhaupt reichen?
Heike Jüngling: Das wird definitiv nicht reichen.

Das heißt, es werden weitere Unterkünfte gebraucht?
Jüngling: Ja. Und die Politik hat uns ja bereits weitere denkbare Flächen mit auf den Weg gegeben: Zum Beispiel den alten Sportplatz in Ittenbach und eine Fläche in Thomasberg. Aber wir reden hier von Zeiträumen von etwa zwei Jahren.

Warum?
Jüngling: Weil für Neubauten Bebauungspläne aufgestellt und die vorgeschriebenen Verfahrenswege eingehalten werden müssen. Das braucht Zeit.

Die Bundesregierung hat angedeutet, dass man angesichts der Situation nicht alle Regeln so ganz eng einhalten müsse...
Jüngling: Das stimmt. Aber ich glaube nicht, dass man das Bebauungsplanverfahren abschaffen wird.

Und wo sollen die Menschen dann bis zur Realisierung der Projekte unterkommen?
Jüngling: Die Stadt sucht derzeit auch in diesem Zusammenhang nach Übergangslösungen und prüft zahlreiche Gebäude, die sich vielleicht umbauen lassen.

REGISTRIERUNG UND ASYLANTRAG

Bisher wurden Flüchtlinge zunächst in sogenannte Erstaufnahmeeinrichtungen gebracht. Sie befinden sich in in Dortmund, Bielefeld, Unna, Bad Berleburg und Burbach. Von dort ging es in die 21 zentralen Unterbringungseinrichtungen (ZUE); eine von diesen befindet sich in Muffendorf. Nach einer Registrierung können die Flüchtlinge einen Asylantrag stellen, allerdings nur in den Außenstellen des zuständigen Bundesamtes.

Doch die große Zahl von Flüchtlingen hat das System überlastet. Die Erstaufnahmestellen waren so überfüllt, dass die Flüchtlinge nun sofort Kommunen zugewiesen wurden, die im Zuge der Amtshilfe Notunterkünfte einrichten. Die Menschen, die dort ankommen, sind häufig nicht einmal registriert und konnten daher auch keinen Asylantrag stellen.

Die Städte, die die Notunterkünfte, die vom Land bezahlt werden, eingerichtet haben, sind zum Beispiel für die medizinische Erstuntersuchung der Menschen zuständig. Sie müssen auch für Essen und Sicherheitsdienste sorgen. Die Vorlaufzeit für die Errichtung einer Notunterkunft beträgt meist nur wenige Tage.

Um zumindest die Registrierung schneller abzuwickeln, hat das NRW-Innenministerium landesweit mehr als 100 Beamte der Einsatzhundertschaften für die mobile Registrierung der Flüchtlinge in den Notunterkünften abgestellt.

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