Gerd-Show in Köln

Altkanzler Gerhard Schröder erzählte von seiner zweiten Karriere als erfolgreicher Türöffner und Lobbyist in Sachen Russland. 700 Zuhörer hingen an seinen Lippen.

Gerd-Show in Köln
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Köln. Iran, Tadschikistan, Georgien. Europa, China, die USA, die Golfstaaten. Und natürlich Russland, immer wieder Russland. Ex-Tennisstar Boris Becker nennt den Centre Court von Wimbledon sein Wohnzimmer. Gerhard Schröders Wohnzimmer ist die Welt. Darunter macht es der frühere Bundeskanzler nicht mehr.

Dienstagabend, Köln. 700 Zuhörer hängen an seinen Lippen. Putin? "Ja. Ich treffe ihn noch. Letztes Wochenende in Sotschi zum Beispiel." Der 2005 abgewählte Ex-Kanzler lehnt sich behaglich im schwarzen Ledersessel zurück. Der Satz beweist: Auch fünf Jahre nach seiner Abwahl aus dem Berliner Amt hat er Zugang zu den Mächtigen der Welt. Schröder ist wieder da. War er jemals weg?

Moderator Fritz Pleitgen ist auch nicht gerade ein Leichtgewicht. Ehemaliger WDR-Intendant, davor in Washington, Ost-Berlin, Moskau Auslandskorrespondent. Heute organisiert Pleitgen im Ruhrgebiet das Kulturhaupstadt-Spektakel. Der Gerd-Show Reloaded, die da gerade abläuft, kann er wenig entgegensetzen.

Das laute Wolfslachen Schröders, die beißende Ironie ist nach wie vor da. Dazu der gravitätische Habitus des von der Hektik des Tagesgeschäfts unbehelligten Elder Statesman. Einen unbestreitbaren Vorteil gewährt die neue Rolle: Schröder, schon ehedem der Genosse der Bosse, muss sich nicht mehr auf sozialdemokratischen Parteiabenden in der Provinz mit seiner proletarischen Herkunft anbiedern.

Heute ist Schröder als Türöffner unterwegs, als Berater, als Öffentlichkeitsarbeiter. Und das mit nachweisbarem Erfolg. Als er nur wenige Wochen nach seiner Abwahl den Vorstandsvorsitz der russisch dominierten Nord Stream AG übernahm, die eine 1 233 Kilometer lange Gaspipeline von Russland nach Deutschland projektierte, hagelte es bittere Kritik.

Nun soll der Bau im April begonnen werden, die Fertigstellung der ersten Röhre ist für kommendes Jahr geplant, die zweite soll 2012 folgen. Damit, so sieht es Schröder, wird die Energieversorgung für Deutschland ein ganzes Stück sicherer. Denn der sicherste Lieferant für Gas "war immer und wird immer sein: Russland". Also war der Altkanzler auch im deutschen Interesse unterwegs.

Schließlich ist Energiesicherheit von strategischer Bedeutung, das wurde den Bundesbürgern spätestens im Winter 08/09 klar, als die Russen zeitweise den Gashahn abdrehten. Schröders Nord-Stream-Salär beziffert das Manager-Magazin auf 250 000 Euro. Peanuts bei einem Projekt, dessen Kosten auf 7,4 Milliarden Euro taxiert werden, und deshalb umso besser angelegt.

Mit dem Nord-Stream-Erfolg hat Schröder überdies seinem alten Koalitionskumpanen Joschka Fischer noch einmal gezeigt, wer Koch ist und wer Kellner. Fischer, der ehemalige Bundesaußenminister, ist als Lobbyist für das konkurrierende Nabucco-Pipeline-Projekt unterwegs, das Gas vom Kaspischen Meer nach Wien transportieren soll. Ob Nabucco realisiert wird, steht in den Sternen.

"Ich hab nix gegen Nabucco", sagt Schröder gönnerhaft. "Ich hoffe für ihn, dass es realisiert wird." Allerdings wäre damit das russische Gasmonopol in Deutschland bedroht, für das der Ex-Kanzler unterwegs ist. Der Spiegel kolportiert, dass über die Konkurrenz bei den Gasleitungs-Projekten die Freundschaft der Beiden zerbrochen, ein geplantes weihnachtliches Treffen im Familienkreis abgesagt worden sei.

Der Lobby-Einsatz für Nord Stream ist nicht das einzige Projekt des begnadeten Kommunikators und Selbst-Vermarkters. Als Mitglied des europäischen Beirats berät er das Pariser Traditions-Bankhaus Rothschild, dem größten Schweizer Verlagshaus Ringier steht er bei internationalen Projekten bei.

Als unabhängiger Aufsichtsrat dient er dem britisch-russischen Öl-Unternehmen TNK-BP als Streitschlichter, von der New Yorker Agentur Harry Walker lässt er sich international als Redner vermarkten - 50 000 Euro Minimum pro Auftritt -, im Öl-Emirat Abu Dhabi leitet Schröder gemeinsam mit Scheich Hamdan die Deutsch-Emiratische Freundschaftsgesellschaft. Die vielfältigen Kontakte, irgendwann zahlen sie sich aus. Für seinen Kölner Auftritt kassierte Schröder übrigens kein Honorar, wie Moderator Pleitgen betont: "Das finde ich sehr anständig."

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