Gastfamilien in 35 Ländern weltweit

"Vereinigung für praktisches Zusammenleben der Völker" mit Sitz in Bad Godesberg wurde 1932 gegründet - Ältester Austauschdienst in Deutschland

Gastfamilien in 35 Ländern weltweit
Foto: Privat

Bad Godesberg. "Vereinigung für praktisches Zusammenleben der Völker" - die Zeile unter dem Vereinslogo von "Experiment" bedarf einer Erklärung. Die Geschäftsführerin des Vereins, Sabine Lackner, enttäuscht mit ihrer Antwort zunächst ein wenig: Experiment ist eine gemeinnützige Austauschorganisation, eine unter vielen. Doch das Besondere ist: Der Verein ist der älteste seiner Art in Deutschland.

Seinen Sitz hat Experiment im Gewerbegebiet Godesberg-Nord. Seit 1932 gibt es die Organisation in Deutschland. Der amerikanische Gründer der weltweiten Organisation, Donald B. Watt, brachte mit seinem Besuch in Deutschland die Initialzündung. Seither werden überwiegend Jugendliche an Gastfamilien in aller Welt vermittelt, zur Zeit in 35 Länder. Experiment arbeitet jedoch mit vielen Altersstufen. "Unsere Teilnehmer müssen mindestens 16 sein, aber nach oben hin gibt es keine Altersgrenze", erklärt Sabine Lackner. Schüler gehen bevorzugt in englischsprachige Länder, um etwa in den USA die High School zu besuchen.

Experiment arbeitet auch mit dem Europäischen Freiwilligendienst, einem Programm der EU, zusammen. Jugendliche von 18 bis 25 Jahren engagieren sich hier in von dem Verein vermittelten gemeinnützigen Projekten, etwa in der Drogenhilfe oder in Altersheimen. Wichtigste Grundregel hierbei: Ein Projekt kann den Freiwilligendienst beanspruchen, wenn dadurch keine einheimischen Arbeitsplätze gefährdet werden. Das Programm konzentriert sich auf die Staaten der Europäischen Union, geht aber auch über ihre Grenzen hinaus. "Kürzlich haben wir einen jungen Mann nach Marokko vermittelt, der dort in einem Altersheim arbeitet", berichtet Lackner.

Experiment gehört zu den sechs Austauschorganisationen, die Stipendiaten des Parlamentarischen Partnerschaftsprogramms betreuen. Jedes Jahr können sich Jugendliche um ein Stipendium bei ihrem Bundestagsabgeordneten bewerben und, sofern sie angenommen werden, ein Jahr im Ausland verbringen. Allerdings gibt es nur einen Platz pro Wahlkreis, und die Nachfrage ist groß.

Der Verein vermittelt auch Au-Pairs und betreibt ein Programm ausschließlich für Senioren. Pro Jahr nehmen etwa 600 Deutsche das Angebot des Vereins wahr, während lediglich 400 Ausländer in deutschen Gastfamilien platziert werden. Der Grund für diese Differenz: "Die Deutschen reisen gerne und finden es reizvoll, im Ausland neue Erfahrungen zu sammeln", erklärt Lackner. Ausländer empfänden hingegen die deutsche Sprache als sehr schwer, oder ließen sich sogar vom Klima abschrecken. Es sei in Deutschland auch schwer, ehrenamtliche Gastfamilien zu finden. Hinzu kommt ein aktuelles Problem: "Derzeit bekommen wir immer öfter besorgte Anrufe von ausländischen Gästen, die von Nachrichten über Hetzjagden auf Ausländer verunsichert sind."

Seit 68 Jahren betreibt Experiment Austausch, aber erst seit einigen Jahren boomt die Branche. 1998 gab es in Deutschland noch 54 Austauschorganisationen, 1999 waren es bereits 68 - Tendenz steigend. Darunter gibt es sowohl profitorientierte Unternehmen als auch gemeinnützige Organisationen wie den Bonner Verein. Experiment beschäftigt lediglich zehn hauptamtliche Mitarbeiter und greift dafür auf etwa 300 ehrenamtliche Helfer im ganzen Land zurück. Dennoch ist ein Austausch eine teure Angelegenheit: Ein Jahr in den USA kostet derzeit 5850 Euro, nicht zuletzt wegen des hohen Dollarkurses.

Der Verein Experiment hat seinen Sitz an der Friesdorfer Straße 194 a, Telefonnummer (02 28) 95 72 20.

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