Frithjof Kühn: "Kernkraft halte ich auf Dauer nicht für tragbar!"

Rhein-Sieg-Landrat Frithjof Kühn spricht im GA-Interview über seine Wiederwahl in den RWE-Aufsichtsrat und einem möglichen Atomausstieg.

Zum zweiten Mal ist Rhein-Sieg-Landrat Frithjof Kühn in den Aufsichtsrat des Energieriesen RWE gewählt worden. Während sich zu Beginn seiner ersten Amtszeit Kritik an dieser Zusatzfunktion entzündete, rückt diesmal die Frage nach seinem Einfluss auf den Ausstieg des Stromversorgers aus der Atomkraft in den Mittelpunkt des Interesses. Bereits im Haushaltsentwurf des Kreises eingeplant ist die Aufsichtsratsvergütung des Landrats. Mit Kühn sprach Sylvia Binner.

General-Anzeiger: Herr Kühn, Sie sind wieder in den Aufsichtsrat des Energieversorgers RWE gewählt worden. Als Landrat stehen Sie außerdem an der Spitze des Rhein-Sieg-Kreises, der 1,4 Millionen RWE-Aktien sein Eigen nennt. Kaufen Sie als Privatmann auch Ihren Strom dort?

Frithjof Kühn: Seit meinem Umzug nach Sankt Augustin bin ich Kunde bei RheinEnergie, an der RWE mit 20 Prozent beteiligt ist. Vorher, als ich noch in Siegburg wohnte, war ich Kunde bei der Rhenag, die mehrheitlich zum RWE-Konzern gehört.

Der RWE Konzern RWE zählt nach eigenen Angaben zu den fünf führenden Strom- und Gasversorgern Europas. Der Konzern ist in der Stromerzeugung, im Energiehandel, im Transport und Vertrieb von Strom und Gas tätig.

Mehr als 70 000 Mitarbeiter versorgen über 16 Millionen Kunden mit Strom und rund acht Millionen mit Gas. Im Geschäftsjahr 2010, dem erfolgreichsten der Firmengeschichte, erwirtschaftete RWE einen Umsatz von rund 53 Milliarden Euro.

Erfolgsfaktor Nummer eins war die deutsche Stromerzeugung. Rund 20 Prozent des Stroms erzeugt RWE aus Atomkraft. Dem Konzern gehören fünf Atomkraftwerke an drei Standorten.GA :Die Grünen im Kreis haben in einem Schreiben an Sie appelliert, Ihren Einfluss als Aufsichtsratsmitglied, aber auch den des Kreises als Aktionär, in die Waagschale zu werfen, um den schnellstmöglichen Ausstieg des Konzerns aus der Kernenergie auf den Weg zu bringen. Wollen Sie dieser Forderung nachkommen?

Kühn: Ich werde den Brief der Fraktion der Grünen noch ausführlich beantworten. Da möchte ich nicht, dass die Grünen aus der Zeitung erfahren, was ich ihnen antworten werde. Nur so viel: Ich bin gerne bereit mich zu bemühen, dem Anliegen der Grünen zu entsprechen. Als Mitglied des Aufsichtsrates muss ich allerdings vorrangig das Unternehmensinteresse wahren.

GA :Welchen Einfluss haben Sie als Aufsichtsrat und der Kreis als Aktionär überhaupt auf diese Entscheidung?

Kühn: Das muss man unterscheiden. Als Aktionär hat man nur die Gelegenheit, zusammen mit anderen Aktionären bei der Hauptversammlung die Stimme abzugeben. Allerdings stehen solche Entscheidungen wie die Stilllegung von Kernkraftwerken dort nicht zur Abstimmung.

Die Chance, zur Unternehmenspolitik Stellung zu nehmen, bietet allein die Diskussion über den Bericht des Vorstands. Da könnten die Aktionäre dann mehrheitlich die Entlastung verweigern, was aber der absolute Ausnahmefall wäre. Außerdem hat der Rhein-Sieg-Kreis seine Stimmrechte an einen Dachverband der kommunalen Anleger delegiert, der sie gemeinsam mit den Rechten anderer Kommunen wahrnimmt.

Das lässt sich ändern, wenn der Kreistag das will. Allerdings ist eines klar: Um in der Hauptversammlung etwas zu bewirken, muss man Mehrheiten haben. Und die Kommunen haben bei RWE nicht mehr die Mehrheit. Deshalb setze ich mehr auf Gespräche, wenn es darum geht, etwas zu bewegen und bin auch mit dem Verband kommunaler Anleger im regelmäßigen Austausch.

Formal liegen die RWE-Aktien des Kreises übrigens bei der Rhein-Sieg-Verkehrsgesellschaft, wo die Dividenden dazu genutzt werden, das Defizit des Öffentlichen Nahverkehrs zu verringern. Die Dividende beträgt diesmal 3,50 Euro pro Aktie.

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GA :Als Aufsichtsrat ist es Ihre Pflicht, den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens im Auge zu haben. Müssen Sie nicht schon wegen der zunehmend besorgten Haltung vieler Bundesbürger zum Atomausstieg raten, damit RWE nicht die Kunden weglaufen?

Kühn: Natürlich muss das Unternehmen wirtschaftlichen Erfolg haben. Deshalb beschäftigt uns die Frage schon lange, wie der Konzern RWE in der öffentlichen Wahrnehmung dasteht. RWE steht wie die anderen großen Stromerzeuger in der Kritik, Preistreiber zu sein.

Dabei ist der Staat der eigentliche Preistreiber, denn 40 Prozent des Strompreises entfallen auf Steuern und Abgaben. So oder so ist es aber eine Frage, ob es klug ist, sich so gegen eine gesellschaftliche Strömung wie die Ablehnung der Atomkraft zu stellen.

Die Stromkonzerne haben sich in den vergangenen Jahren als diejenigen hinstellen lassen, die eine Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke fordern. Dabei ging es immer auch um politische Vorgaben. Und ein schlechtes Image ist für die Stromerzeuger im Zweifel schon geschäftsschädigend.

GA :Wie schätzen Sie persönlich die Haltung von RWE-Chef Jürgen Großmann ein, der als einziger Vorstandschef eines Energieversorgers gegen die zeitweise Stilllegung von Atomkraftwerken durch die Bundesregierung nach dem GAU von Fukushima geklagt hat? Bleibt Großmann bei seiner Haltung oder sehen Sie da Bewegung?

Kühn: In der Öffentlichkeit ist der Eindruck entstanden, dass Herr Großmann die Laufzeitverlängerung mehr oder weniger alleine durchgesetzt hat. Auf der anderen Seite hat er in seiner Rede auf der Hauptversammlung das Primat der Politik anerkannt und die Absicht bekundet, sich nach dem Willen der Mehrheit der deutschen Bevölkerung zu richten.

Aber unabhängig davon ist die Klage keineswegs politisch begründet. Vielmehr ist sie den Vermögens- und Rechtsschutzinteressen des Stromkonzerns geschuldet. Deshalb wurde sie von der Mehrzahl der Aktionäre begrüßt und mit Applaus belohnt.

GA :Wie stehen Sie ganz persönlich zur Kernkraft und der bisher ungelösten Frage der Endlagerung?

Kühn: Kernkraft halte ich auf Dauer nicht für tragbar. Nicht nur wegen der Endlagerung oder dem Restrisiko, sondern vor allem weil im Ernstfall der Schaden so immens ist. Dieses Risiko ist nach meiner Ansicht in Deutschland schon lange nicht mehr akzeptiert, während die Gesellschaft bereit ist, andere Risiken im Alltag hinzunehmen.

Aber bei der Kernkraft hat das Risiko eben eine völlig andere Dimension. Was allerdings die Endlagerung angeht, das Problem ändern wir nicht mehr durch das Abschalten der Kernkraftwerke. Der Atommüll ist da, wir kommen nicht umhin, ihn im Auge zu behalten.

GA :Und wie stehen Sie zu regenerativen Energiequellen? Könnten Sie sich ein Windrad vor der eigenen Haustür oder eine Brauchwassererwärmung auf dem eigenen Dach denken?

Kühn: Ein Windrad direkt vor der eigenen Haustür lehne ich ab. Die Brauchwassererwärmung dagegen habe ich schon. Wie die meisten stehe ich regenerativen Energiequellen positiv gegenüber, allerdings muss man sie sich auch genau anschauen.

Hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit, ihrer Effektivität und ihrer tatsächlichen Umweltfreundlichkeit. Wenn man erneuerbare Energien nach vorne bringen will, braucht man auch jemanden, der das in die Tat umsetzt. Da ist RWE bereits kräftig unterwegs. Zum Beispiel mit der Tochter Innogy mit Fritz Vahrenholt an der Spitze, dem früheren Hamburger Umweltsenator.

GA :Wie viel Arbeit bedeutet ein solches Aufsichtsratsmandat jenseits der vier Aufsichtsratssitzungen im Jahr?

Kühn: Die Mitglieder des Aufsichtsrates werden laufend durch Mitteilungen des Vorstandes informiert. Außerdem bekomme ich täglich den Pressespiegel. Auch die Vorbereitung der Sitzungen ist mit einer Menge Arbeit verbunden. In den Zeiträumen zwischen den Sitzungen führt man Telefonate und Besprechungen.

Es ist eine verantwortungsvolle Aufgabe. Schließlich geht es um ein großes Unternehmen mit 70 000 Arbeitnehmern. Und von den Energieversorgern hängt die ganze Netzstruktur ab, gerade auch als Basis für die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien. Nun wartet die strategische Neuausrichtung auf politische Vorgaben.

Da ist noch eine Menge zu tun. Eine ganz andere Tätigkeit als in der kommunalen Verwaltung, die mir aber auch Spaß macht und auf die ich mich auch in Fortbildungen vorbereite. Manchmal verstehe ich die Kritik an dieser Nebentätigkeit einfach nicht: Soll man diese wichtigen Weichenstellungen in den Händen weniger Manager lassen? Schließlich geht es auch um die Versorgung der Kommunen.

GA :Halten Sie daran fest, mit Ihrer Vergütung für das Mandat, die an den Unternehmenserfolg gekoppelt ist und zwischen 150 000 und 200 000 Euro ausmachen kann, den maroden Kreishaushalt aufzubessern?

Kühn: Im vergangenen Jahr habe ich nur die Sitzungsgelder erhalten, die ich im März diesen Jahres abgerechnet und abgeführt habe. Die Aufsichtsratsvergütung habe ich erst in diesem Jahr erhalten. Diese muss im ersten Quartal 2012 abgerechnet und spätestens dann auch abgeführt werden. Allerdings nach wie vor unter Rechtsvorbehalt, denn die Rechtslage ist nicht eindeutig geklärt.

GA :Machen Sie als Landrat bis zum Ende der Wahlperiode weiter?

Kühn: Ich bin für sechs Jahre gewählt.

Zur Person

Frithjof Kühn, geboren 1943 in Fürstenfeldbruck, studierte Jura in Bonn, Wien, Köln und München. 1981 trat er in den Dienst der Kreisverwaltung Siegburg. 1999 wurde er bei der ersten Direktwahl zum hauptamtlichen Landrat gewählt.

Seitdem wurde Kühn zweimal in seinem Amt bestätigt. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Der Landrat ist neben seiner Funktion als RWE-Aufsichtsrat, als der er am 20. April auf der Hauptversammlung in Essen bestätigt worden ist, Vorsitzender des Verbands kommunaler RWE-Aktionäre, Vorsitzender der RWE Holding AG und sitzt im Verwaltungsrat der Kreissparkasse Köln.

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