Freund erschossen und Leiche im Dachsbergsee versenkt

41-Jährige tauchte dann in Holland unter - Wegen Totschlags im minderschweren Fall muss sie für drei Jahre und drei Monate hinter Gitter

Sankt Augustin. Ihr drohte lebenslange Haft wegen heimtückischen Mordes, am Dienstag kam sie vor dem Bonner Schwurgericht mit drei Jahren und drei Monaten Haft wegen Totschlags im minderschweren Fall davon. Die 41-jährige Ellen P. hat im November 1993 ihren 26-jährigen Freund Jörg K. in Sankt Augustin-Birlinghoven erschossen, seine Leiche mit Hilfe von zwei Freunden im Dachsbergsee versenkt und war dann siebeneinhalb Jahre lang in Holland untergetaucht.

Nun hat sie mehr Glück als viele Frauen vor ihr, die ihren Peiniger töteten, wenn der sich gegen einen Angriff nicht wehren konnte, und die später dafür wegen Mordes verurteilt wurden. Für das Schwurgericht ist Ellen P. keine Mörderin. Sie hat ihren Freund getötet, ihn nach Ende einer tätlichen Auseinandersetzung hinterrücks erschossen und damit das klassische Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt. Doch sowohl Staatsanwalt Wolfgang Komp als auch das Bonner Schwurgericht betrachten den Fall differenzierter und kommen zu dem Ergebnis: Es ist der 41-Jährigen nicht nachzuweisen, dass sie die Arg- und Wehrlosigkeit des Mannes bewusst ausnutzte.

Überdies muss die Angeklagte in den Genuss eines Paragrafen kommen, der ihre Schuld weiter mindert: Sie war durch vorhergehende Misshandlungen "zum Zorne gereizt und dadurch auf der Stelle zu der Tat hingerissen". Dadurch senkt sich der Strafrahmen nach dem Recht, das zur Tatzeit 1993 noch galt und damit für sie angewendet werden muss, weiter:

Statt der heute vorgesehenen ein bis zehn Jahre Haft waren es damals nur sechs Monate bis fünf Jahre, und innerhalb dieser Zeitspanne musste die Kammer die richtige Strafe finden. Dass es am Ende nur drei Jahre und drei Monate sind, liegt daran, dass die Strafe noch einmal gemildert wird, weil die Angeklagte laut Gutachter zur Tatzeit erheblich vermindert schuldfähig war - wegen der genossenen Rauschmittel und der erlittenen Misshandlungen.

Die Frau auf der Anklagebank aber ist damit nicht einverstanden. Mit finsterer Miene sitzt sie neben ihrem Verteidiger und fühlt sich völlig falsch behandelt. Mitleid für den Mann, den sie tötete, scheint sie nicht zu haben. "Ich lasse mich nicht zur Täterin machen, ich bin das Opfer", sagt sie bis zum Schluss und fordert Freispruch wegen Notwehr.

Die aber sehen weder Gericht noch Staatsanwalt Wolfgang Komp, der feststellt: "Die beiden verband eine Hassliebe. Sie küssten und sie schlugen sich." Immer wieder hatten die beiden gewalttätige Auseinandersetzungen, sie wurde von dem 26-Jährigen oft verletzt und manchmal so gewürgt, dass Zeugen ihn von ihr wegreißen mussten.

Auch am Tatmorgen, so erklärt Schwurgerichtsvorsitzender Udo Buhren, ging er wieder auf sie los. Sie hatte ihn zuvor mit ihrer Annäherung an einen anderen Mann provoziert. Er misshandelte und fesselte sie. Und als er sie wieder würgte, passierte es: Sie schaffte es, sich frei zu kämpfen, griff unter das Bett nach ihrer geladenen Pistole und schoss. Er aber hatte sich mittlerweile von ihr abgewandt, der tödliche Schuss traf ihn in den Rücken.

Sie brachte zwei Bekannte dazu, die Leiche im Dachsbergsee zu versenken, wo sie jedoch schon wenig später gefunden wurde. Ellen P. tauchte in Holland unter und meldete sich erst im vergangenen Mai über eine Anwältin bei der Bonner Staatsanwaltschaft: Sie wolle sich stellen, wenn sie mit ihrem 1999 geborenen Sohn in ein Mutter-Kind-Gefängnis komme. Sie ertrage es nicht länger, mit dem Kind auf der Flucht zu sein.

Dann erzählte sie dem ZDF-Frauenmagazin "Mona Lisa" ihre Geschichte, verabredete einen medienwirksamen Gang zur Staatsanwaltschaft - und wurde kurz vorher nach einem anonymen Hinweis verhaftet. Dass Ellen P. dieses milde Urteil akzeptiert, ist angesichts ihrer Einstellung zu der Tat eher unwahrscheinlich.

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