Fragen und Antworten zur Situation am Nürburgring

Nürburgring · Im Landtagswahlkampf vor einem Jahr hatte sich Kurt Beck noch überzeugt gezeigt. In Bezug auf die Zukunft des Nürburgrings sagte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident im GA-Interview: "Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir früher als erwartet schwarze Zahlen schreiben." Inzwischen hat Beck seinen Optimismus offenbar verloren.

"Man kann jetzt nicht erwarten, dass sich der gesamte Nürburgring plötzlich selbst trägt", sagte er der "Rhein-Zeitung". Wie ist der Stand der Dinge am Nürburgring? Dazu Fragen und Antworten.

Wie ist der Sinneswandel Becks zu erklären?

Der Ministerpräsident und mithin die Landesregierung haben erkannt, dass die großen Pläne vom Ring als einer Ganzjahres-Attraktion, die sich selbst trägt, nicht zu verwirklichen sind. Dazu fehlen vor allem im Winter die Besucher.

Was ist falsch gelaufen?

Der größte Fehler war sicher, dass die Verantwortlichen in Mainz bei den Planungen für das Projekt "Nürburgring 2009" die Chancen, aber nicht die Risiken bedachten. Bei der letztlich gescheiterten Privatfinanzierung war man zu blauäugig, saß Betrügern auf und musste letztlich als Besitzer des Rings doch alles über Kredite aus der Staatskasse bezahlen.

Was hat das Projekt gekostet?

Die Investitionskosten für die neuen Anlagen am Ring betrugen rund 330 Millionen Euro. Nimmt man Erschließungsmaßnahmen für den Verkehr und andere Kosten hinzu, so geht man zumindest bei der Opposition in Mainz inzwischen von etwa einer halben Milliarde Euro aus.

Beck sagt, er hoffe, dass ein wesentlicher Teil der 330 Millionen wieder hereinkomme. Wie soll das gehen?

Über die Pachtzahlungen des privaten Betreibers, der Nürburgring Automotive GmbH (NAG). Im Frühjahr 2010 hatte die NAG die Immobilien an der Rennstrecke inklusive des Freizeit- und Erlebnisparks vom Land gepachtet. In dem Vertrag wurde ein Pachtzins von mindestens fünf Millionen Euro für den Zeitraum Mai 2011 bis April 2012 festgelegt, von 11,5 Millionen für das folgende Jahr und von 15 Millionen ab 2013.

Wird die Pacht gezahlt werden können?

"Die NAG wird ab dem dritten Geschäftsjahr, das heißt ab Mai 2012, monatlich die vorgesehene Miet/Pachtzahlung leisten", erklärt NAG-Sprecher Karl-Heinz Steinkühler. Differenzen gibt es zwischen Land und Betreiber über die Zahlung für das zweite Jahr. Dabei geht es um die sogenannte Spielbank- oder Tourismusabgabe von bisher 3,2 Millionen Euro, die das Land kassiert hat, die nach Ansicht der NAG aber ihr zustehen. Für die Betreiber ein Grund, die Pacht einzubehalten.

Was ist noch strittig?

Wann etwa die Formel 1 wieder in der Eifel gastiert. Weil das Land pro Rennen eine zweistellige Millionensumme beisteuert - im vorigen Jahr waren es 13,4 Millionen Euro - , die rot-grüne Landesregierung sich aber darauf verständigt hat, ihr Engagement zurückzuführen, soll es bis Frühjahr 2016 nur noch ein Formel-1-Rennen am Ring geben. Aus Sicht von Innenminister Roger Lewentz könnte dies 2014 oder 2015 stattfinden.

Was sagen die Betreiber dazu?

"Die Formel 1 ist wichtig für den Nürburgring, nur dafür ist ja die Grand-Prix-Strecke gebaut worden", sagt NAG-Sprecher Steinkühler, "falls die Regierung im Jahr 2013 keine Formel 1 durchführen will, wird das Rennen auf lange Zeit nicht mehr in der Eifel gastieren." Bisher ist es so, dass der Große Preis von Deutschland in den geraden Jahren auf dem Hockenheimring und in den ungeraden an der Nürburg ausgerichtet wird. Laut Steinkühler warteten andere Länder nur darauf, dass ein Renntermin frei wird, um die Formel 1 im zweijährigen Wechsel mit Hockenheim zu bekommen. "Da geht die Landesregierung in Mainz ein hohes Risiko, die Königsklasse des Motorsports gänzlich zu verlieren."

Vor einigen Monaten hat der Betreiber angekündigt, sich mehr auf den Motorsport konzentrieren zu wollen. Was heißt das?

Der Sprecher der NAG spricht davon, dass in den zurückliegenden Jahren "genügend investiert - auch fehlinvestiert" worden sei. Dafür sei der private Betreiber freilich nicht verantwortlich. "Nun gilt es, die zum Teil nicht funktionierenden Betriebsteile Zug um Zug umzuwidmen und neue automobile Inhalte zu implementieren", fügt er hinzu. Im GA-Interview vor einigen Monaten hatten die Betreiber Jörg Lindner und Kai Richter bereits erklärt, dass der Freizeit- und Geschäftsbereich mit Boulevard, Ringarena und Eventcenter neu gestaltet werden soll.

Wie wollen die Betreiber Kosten sparen?

Zum einen durch die vorübergehende Schließung von Attraktionen, in denen sich in den Wintermonaten nur wenige Besucher tummeln. Das Rennsportmuseum Ringwerk etwa hat nur freitags bis sonntags offen. Zum anderen dadurch, dass Zeitverträge von Mitarbeitern nicht mehr verlängert werden oder anderen gekündigt wird. Die Betreiber erklärten, sie müssten 92 Stellen streichen, was 55 Kündigungen zur Folge habe. Nachdem Gespräche der Betreiber mit Betriebsrat und Gewerkschaft Verdi über Sozialauswahl und Interessenausgleich ohne Einigung geblieben waren, laufen erste Arbeitsgerichtsverfahren.

Wie reagieren die Arbeitnehmervertreter?

Gereizt. Verdi hat nach eigenen Angaben mehr als 1000 Unterschriften "für einen Neuanfang am Ring" gesammelt. Außerdem hat die Gewerkschaft einen "Runden Tisch" initiiert, bei dem die Region über Möglichkeiten für den Ring diskutieren soll. Es gehe jetzt darum, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu retten. Laut Verdi gibt es bereits mehr als 50 Vorschläge hinsichtlich eines Alternativkonzepts für den Ring.

Warum haben die Betreiber keinen Platz am "Runden Tisch"?

Die Gewerkschaft hat sie nicht eingeladen. Gleichwohl sagt NAG-Sprecher Steinkühler: "Wenn doch unser Sachverstand gefragt ist, können die Veranstalter uns gern einladen."

Warum ist das Verhältnis zwischen dem Tandem Lindner/Richter und den regionalen Akteuren so schwierig?

Oft wurde nicht miteinander, sondern übereinander gesprochen. Die früher erfolgreichen etablierten Betriebe sorgten sich um ihre Existenz, als der neue private Betreiber am Ring das Ruder übernahm, und hatten große Vorbehalte gegen die beiden Düsseldorfer. Lindner und Richter wirkten zuweilen so, als ob sie kein Interesse daran hätten, die Region mitzunehmen. Steinkühler weist nun darauf hin, dass alle Wirtschaftsbetriebe, die in der Region ihr Business mit dem Nürburgring betrieben, 2011 "ein ausgesprochen erfolgreiches Jahr" verzeichnet hätten.

Wie ist das Verhältnis zwischen Pächtern und Besitzer?

Angespannt. Dabei pflegten beide Seiten bis Sommer 2011 ein fast schon vertrauensvolles Verhältnis. Inzwischen wird die Kritik an der jeweils anderen Seite lauter.

Wie geht es jetzt weiter?

Bis Karneval, also in den nächsten zehn Tagen, will Minister Lewentz "Klarheit in der Sache", also die Gespräche mit den Betreibern über die Tourismusabgabe, die Formel 1 und Personalfragen abschließen. Dazu Steinkühler: "Klarheit bis Karneval ist ein ambitioniertes Ziel."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort