Erste Schritte im Wildnisgebiet am Oelberg

Umweltminister, Landrat, Regierungspräsident, Bürgermeister, und, und, und. . . . Es war eine muntere Wandergruppe, die da am Dienstagmittag frohgelaunt zum Gipfelsturm des Oelbergs angetreten war.

 Aufstieg: Forstdirektor Bernd Schwontzen, Herbert Krämer, Eckhard Uhlenberg und Frithjof Kühn (vorne von links) führen die Wandergruppe am Oelberg erstmals durch ein Wildnisgebiet.

Aufstieg: Forstdirektor Bernd Schwontzen, Herbert Krämer, Eckhard Uhlenberg und Frithjof Kühn (vorne von links) führen die Wandergruppe am Oelberg erstmals durch ein Wildnisgebiet.

Foto: Frank Homann

Siebengebirge. Umweltminister, Landrat, Regierungspräsident, Bürgermeister, Landtagsabgeordnete, und, und, und. . . . Es war eine muntere Wandergruppe, die da am Dienstagmittag frohgelaunt zum Gipfelsturm des Oelbergs angetreten war.

Den Anlass für den Ausflug hatten zwei Unterschriften gegeben: Mit den Signaturen von Herbert Krämer, Vorsitzender des Verschönerungsvereins für das Siebengebirges (VVS), und Frank-Dietmar Richter, Leiter des Landesbetriebs Wald und Holz mit Sitz in Münster, ist die Ausrufung eines Teils des Siebengebirgswaldes als "Wildnisgebiet" perfekt. Vom 1. Mai an tragen 523 Hektar Waldflächen im Kerngebiet des VVS das Etikett, welches es in Europa erst seit einem Jahr gibt und dessen Prototyp die Landesregierung jetzt im Siebengebirge geschaffen hat.

Kommentar Lesen Sie dazu auch " Nur Vorteile"Das Wesen des Wildnisgebiets oder auch Wildgebiets (siehe Kasten) ist rasch erklärt: Hier wird der Wald nicht mehr bewirtschaftet, sondern allenfalls noch "umgebaut" - indem etwa Fichten durch Buchenbestände ersetzt werden.

"Insofern sollten sich Besucher nicht wundern, wenn auch demnächst noch die Motorsäge durch den Siebengebirgswald tönt", erklärt Uwe Schölmerich, Leiter des Regionalforstamtes Rhein-Sieg-Erft. Das später entstehende Totholz stärkt die Artenvielfalt, was wiederum für pädagogische Zwecke wie den Biologieunterricht genutzt werden kann. Einschränkungen für die Besucher gibt es nicht, denn ein Wildnisgebiet ist keine Rechtskategorie.

Insofern wollte es von den Regierungsvertretern am Dienstag auch niemand hinnehmen, dass aus den Reihen früherer Nationalparkgegner in Sachen Wildnisgebiet nun von einem "Nationalpark durch die Hintertür" gesprochen wird. "Wir reden hier über zwei völlig verschiedene Dinge", stellte Hubert Kaiser, Referatsleiter im Umweltministerium, am Dienstag noch einmal heraus und gab zudem zu bedenken, dass die Gründung eines Nationalparks im Siebengebirge mit der jüngsten Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes praktisch unerreichbar geworden sei.

Dort werde inzwischen nämlich eine "großflächige Unzerschnittenheit" sowie eine Stilllegung der Forstwirtschaft auf 51 Prozent der Fläche ausdrücklich festgelegt. Auch Minister Eckhard Uhlenberg bekräftigte am Dienstag noch einmal, dass die Nationalpark-Pläne seines Hauses bei den Akten liegen.

Mit einem Lächeln im Gesicht machte sich indessen Landrat Frithjof Kühn auf den Weg: "Mit diesem schönen Ergebnis haben wir doch wenigstens eines der wesentlichen Ziele des Nationalparks erreicht: den Schutz unserer heimischen Flora und Fauna", sagte Kühn und nahm den Gipfel in Angriff.

Die Begriffe: Wildnis, Wildgebiet und WildnisgebietAls Wildnis wird seit einer EU-Konferenz im Mai 2009 ein großflächiger natürlicher Lebensraum verstanden, in dem die ökologischen Prozesse im Wesentlichen von Menschenhand unberührt sind. "Wildgebiete" sind kleinere Gebiete, deren Urzustand einst verändert worden ist. In ihnen sollen alte, ursprüngliche Wälder stärker als bisher geschützt werden - so wie jetzt im Siebengebirge.
Weil dem nordrhein-westfälischen Umweltministerium der Begriff "Wildgebiet" aber zu sehr nach Wildgehege klang, kreierte man in der Landeshauptstadt Düsseldorf kurzerhand einen neuen Begriff: den des Wildnisgebiets, das in der Praxis ein Wildgebiet ist: Bäume, die 120 Jahre und älter sind, bleiben stehen. Den wirtschaftlichen Ausfall (59 000 Euro Entschädigung im Jahr), trägt das Land, das dafür aber den Naturschutzgedanken stärkt. Hinzu tritt der Wert des naturnahen Waldes für die Umwelt.

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