Amtsgericht Euskirchen Erinnerungen an Amoklauf vor 20 Jahren

EUSKIRCHEN · Eigentlich ist es ein Frühlingstag wie aus dem Bilderbuch. Am azurblauen Himmel über Euskirchen ist kein Wölkchen zu sehen. Doch die beiden Fahnen vor dem Euskirchener Amtsgericht deuten an, dass etwas anders ist.

 Euskirchens Amtsgerichtsdirektorin Petra Strothmann-Schiprowski (r.) spricht zum Gedenken an die Opfer des Amoklaufs.

Euskirchens Amtsgerichtsdirektorin Petra Strothmann-Schiprowski (r.) spricht zum Gedenken an die Opfer des Amoklaufs.

Foto: Quadt

Im Foyer des Gebäudes erinnern die Mitarbeiter mit einer Schweigeminute an den Amoklauf in dem Justizgebäude, bei dem fast auf den Tag genau vor 20 Jahren sieben Menschen starben und weitere sieben zum Teil schwer verletzt wurden.

"Ich habe gedacht, es wäre eine Gasexplosion", erinnert sich Thomas Hermans. Als 38 Jahre alter Rechtsanwalt nahm der Jurist im Hauptgebäude des Amtsgerichts an einer Verhandlung teil, als es, wie er im Gespräch mit dem GA berichtet, einen "Riesenknall" gab. "An ein Attentat habe ich überhaupt nicht gedacht", sagt Hermans.

Am 9. März 1994, um ziemlich genau 12.55 Uhr, hatte der nur wenige Augenblicke zuvor wegen schwerer Körperverletzung an seiner Ex-Freundin verurteilte Erwin Mikolajczyk seine 56 Jahre alte frühere Lebenspartnerin, den Richter (32) und vier Unbeteiligte erschossen und anschließend eine selbst gebaute Bombe gezündet. Die Detonation reißt den 39 Jahre alten Attentäter in den Tod, eine Innenwand stürzt zusammen, das dreistöckige Haus wird erheblich beschädigt.

Auch zwei Jahrzehnte später ist Rechtsanwalt Hermans noch immer fassungslos über die unfassbare Bluttat. "Das war eine Allerweltsgeschichte, keine Haft zu erwarten gewesen - und dann so etwas", berichtet er. Froh sei er, dass nach diesem Verbrechen die Sicherheitsvorkehrungen in den Gerichten von Nordrhein-Westfalen erheblich verbessert worden sind. Im Landgerichtsbezirk Bonn darf seitdem kein Besucher, der nicht zuvor kontrolliert worden ist, einen Justizbau betreten. Wie sonst nur an Flughäfen muss jeder einen Metalldetektor passieren und seine Tasche durchleuchten lassen.

Im Amtsgerichtsfoyer, nur wenige Meter von der Sicherheitsschleuse, hängt eine Marmortafel, die an den getöteten Richter Alexander Schäfer erinnert. Amtsgerichtsdirektorin Petra Strothmann-Schiprowski findet Worte, die berühren: "Wir wollen ein Zeichen setzen, dass wir nach 20 Jahren das Leid der von dem Verbrechen Betroffenen nicht vergessen haben und nicht vergessen werden."

Nach der anschließenden stillen Gedenkminute zerstreuen sich die Mitarbeiter rasch wieder in alle Himmelsrichtungen des Gebäudes. Davor ertönt ein Hupkonzert - eine Hochzeitsgesellschaft passiert das Gebäude, in dem zuvor noch die Stille regierte.

Kurz gefragt

20 Jahre sind seit dem Amoklauf im Euskirchener Amtsgericht ins Land gezogen. Über die Auswirkungen dieser Tat sprach Mario Quadt mit Amtsgerichtsdirektorin Petra Strothmann-Schiprowski.

Attentäter Erwin Mikolajczyk erschien vor seiner Tat am 9. März 1994 mit Gummistiefeln an den Füßen - offenbar, um zu symbolisieren, dass seine Ex-Freundin ihm alles genommen habe - und einem Kranz mit Knoblauchzehen um den Hals im Gericht. Haben Richter heute ein besonderes Augenmerk darauf, wie die Menschen in den Gerichtssälen gekleidet sind?
Petra Strothmann-Schiprowski: Wir können nicht jeden, der auffällig gekleidet ist, sei es auch mit Gummistiefeln, in eine Schublade stecken. Das wollen wir nicht.

Dafür haben die Sicherheitsvorkehrungen in den Gerichten nach dem Amoklauf erheblich zugenommen.
Strothmann-Schiprowski: Diese schreckliche Tat vor 20 Jahren war in der Tat der Auslöser dafür, dass überall in den Gerichten Sicherheitsschleusen eingerichtet worden sind, wie Sie sie eben auch passiert haben. Die Angehörigen der Opfer und die Verletzten haben noch heute unter den Folgen der Tat zu leiden. Viele von ihnen, die vor 20 Jahren schon dem Amtsgericht angehörten, waren traumatisiert und werden die grausame Tat immer in schrecklicher Erinnerung behalten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort