Er wollte mit seiner Frau sterben

74-jähriger Bad Honnefer überlebt Selbstmordversuch und steht nun wegen heimtückischen Mordes vor Gericht.

Bad Honnef/Bonn. Jahrelang hat der 74-jährige Mann aus Bad Honnef-Selhof seine schwer kranke Frau gepflegt. Liebevoll, wie seine Söhne versichern. Doch als die Ärzte Anfang des Jahres einen Tumor bei ihm entdeckten und eine Operation für unumgänglich erklärten, war er am Ende.

Nächtelang lag er wach, wusste nicht mehr weiter, grübelte und befand, dass sein Leben keinen Sinn mehr habe. In der Nacht zum 22. Februar beschloss er sich umzubringen - und seine Frau mitzunehmen.

Am Morgen erstickte er sie mit einem Kissen, schnitt sich dann die Pulsadern auf - und wurde gefunden und gerettet. Seit Montag sitzt der Mann, der sich noch nie im Leben etwas zuschulden kommen ließ, auf der Anklagebank vor dem Bonner Schwurgericht, und ihm wird die schlimmste Tat vorgeworfen, die es gibt: Mord aus Heimtücke.

Der psychiatrische Sachverständige kommt in seinem vorläufigen Gutachten zu dem Ergebnis, dass eine Schuldunfähigkeit des 74-Jährigen zur Tatzeit nicht ausgeschlossen werden kann.

Was ist das für ein Mann, der seine Frau nach 47 Ehejahren tötete, will das Gericht wissen. Und was der Angeklagte berichtet, macht klar: Er führte das ganz normale Leben eines Ehemannes und Familienvaters in dem kleinen dörflichen Ortsteil von Bad Honnef.

Jahrzehntelang war der 74-Jährige der Versorger seiner Frau und der beiden Söhne, und als er Mitte der 90er Jahre in den Vorruhestand trat, hatte er, wie er nun sagt, noch viel vor. Aber aus seinen Plänen wurde nichts. Seine Frau war da schon so krank, dass sie ihre im Haus lebende pflegebedürftige Mutter nicht mehr versorgen konnte.

Er tat es - und als die Mutter starb, war seine Frau so krank, dass er sich nur noch um sie kümmern musste. "Es wurde immer schlimmer", sagt er vor Gericht. Er sagt es immer wieder. Am Ende konnte die 73-Jährige nicht mehr laufen, sich kaum noch bewegen und saß im Rollstuhl.

Er pflegte und versorgte sie, rund um die Uhr, machte den Haushalt, besorgte die Einkäufe. Und auf die Fragen seiner Kinder, wie es gehe, antwortete er stets: "Gut, es geht." Nie habe er gesagt, wie es wirklich in ihm aussehe, erklärt seine Schwiegertochter nun.

Dann kam die eigene Diagnose und mit ihr die Gedanken, wie es weitergehe. Mit ihm, seiner Frau. Er dachte eine Woche lang an nichts anderes, wie er erklärt. Und fasst den Entschluss, sein Leben zu beenden - und vorher das seiner Frau. "Ich konnte sie doch nicht ihrem schweren Schicksal überlassen", sagt er.

Er wartete, bis seine Kinder aus dem Haus waren, dann nahm er eine wattierte Inkontinenz-Windel seiner Frau und ein Kissen, drückte es der 74-Jährigen, die im Bett schlief, aufs Gesicht. Sie habe etwas gesagt, sich etwas gewehrt, sagt er. Dann sei sie still gewesen. Er faltete ihr die Hände, notierte auf einem Zettel: 7.45 Uhr, daneben ein Kreuz. Und schrieb einen kurzen Brief an die Kinder: "Meine Lieben, es tut mir leid, ich kann nicht mehr. Die Krankheit von Marianne wird immer schlimmer. Bitte die Beisetzung in aller Stille."

Dann legte er sich in die Badewanne, schnitt sich die Pulsadern auf und schlief ein. Als er im Krankenhaus aufwachte, standen Polizisten an seinem Bett. "Ich hatte vergessen, wie jeden Morgen um 8 die Rollläden hochzuziehen", erklärt er dem Gericht. Das habe die Nachbarn alarmiert. Die riefen den Sohn an, der die Eltern fand. Er kann bis heute nicht glauben, was passiert ist.

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