Betonmöbel für schwere Jungs Ein Rundgang durch den neuen C-Flügel der JVA Rheinbach

Rheinbach · In allen vier Geschossen des neu errichteten C-Flügels der Rheinbacher Justizvollzugsanstalt (JVA) herrscht reger Betrieb. 34 Millionen Euro werden in den Neubau mit 220 Hafträumen investiert. Ein Rundgang.

Sehnsuchtsvoll blicken die Gefangenen des B-Flügels der Justizvollzugsanstalt gen Westen. Langsam hievt der große Schwerlastkran an der Westseite der Gefängnisumwehrung das erste von mehreren, mit Spezialsägen herausgelöste Mauerstück in die Höhe. Wer nun davon träumt, die Arbeiten zum Bau einer zusätzlichen Baustelleneinfahrt zur Spontanflucht zu nutzen, dessen Träume enden vor einer mehr als sechs Meter hohen, massiven Mauer, die die gesamte Baustelle umschließt. „Auf das Provisorium ist alles installiert, was die gewöhnliche Umwehrung auch hat: Abweiser, Stacheldraht, Kameras und Sensoren“, berichtet Paul Pruß, Leiter der Bauverwaltung der JVA Rheinbach.

Eine zusätzliche Werkhalle sowie den Neubau von Küche und Wäscherei ziehen die Bauleute nach Ostern mitten auf dem Gefängnisgelände in die Höhe. Eine „Operation am offenen Herzen, aber nicht mit offenen Türen“ nennt Anstaltsleiter Heinz-Jürgen Binnebruck die ungewöhnlichen Bauarbeiten, die unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen ablaufen. Mit den zahlreichen betonierenden, bodenlegenden oder verputzenden Handwerkern auf dem JVA-Gelände haben Binnenbruck und Pruß schon reichlich Erfahrung. Seit Februar 2016 verfügt die JVA an der Aachener Straße über ein großes, aber mit eigener Schleuse gut gesichertes Loch in der machtvollen Außenumwehrung: An der Nordostseite entsteht der Neubau des zuvor abgerissenen 102 Jahre alten C-Flügels. Der nimmt erkennbar Gestalt an.

Dach ist fertig

Nachdem im Mai vergangenen Jahres kurz vor der Landtagswahl das Richtfest des neuen C-Flügels gefeiert wurde, ohne dass der Richtkranz auf einem fertigen Dach thronen konnte, ist nun das Dach auf dem viergeschossigen Gebäude fertig. In allen Geschossen herrscht reger Betrieb unterschiedlicher Gewerke. Einem Zirkusartisten gleich vollendet ein Putzer den Wandputz in der dritten Etage mit akrobatischem Geschick, indem er sich mit seiner Leiter wie auf Stelzen den Flur entlangarbeitet. „Es hat sich bewährt, dass wir auf einen Winterbaubetrieb gesetzt und uns nicht für eine Winterpause entschieden haben“, sagt Werner Mohr, Projektverantwortlicher des Bau- und Liegenschaftsbetriebs (BLB) NRW für das Großprojekt.

Baustelle für Anbau in der JVA Rheinbach
21 Bilder

Baustelle für Anbau in der JVA Rheinbach

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Der BLB als Bauherr investiert in Rheinbach 34 Millionen Euro in den Neubau mit 220 Hafträumen. Auch die zusätzliche, mit Wachleuten gesicherte Einfahrt macht sich bezahlt, so Mohr. Apropos bezahlt gemacht: Die wegen ihrer Fülle an Sicherheitsvorkehrungen ungewöhnlichste Baustelle im Rhein-Sieg-Kreis liege „gut im Zeitplan“, ebenso wie der Budgetplan, sagt der Bauingenieur. „Im September oder Oktober ist der bauliche Anteil fertig.“ Naturgemäß nicht parallel dazu, sondern anschließend können der Rückbau der Baustellenmauer und die Schließung der Außenumwehrung beginnen. Sind dort alle Kameras, Sensoren und anderen Sicherheitssysteme scharf, ziehen die ersten Gefangenen ein.

Ausschließlich Beton bei der Möblierung

„Ich war schon in vielen Gefängnissen“, meint der Fliesenleger, der in einem der Hafträume akkurat den Teil des Raumes fliest, der für die separate Nasszelle mit Toilette und Waschbecken vorgesehen ist. „Aber nur, um Fliesen zu legen“, fügt er hinzu. Anders als im alten, vor 104 Jahren gebauten C-Flügel erhält jeder Haftraum eine Schamwand. Die ist so hoch, dass nur der untere Teil des sitzenden Häftlings während des Stuhlgangs möglichen Kontrollblicken der Wachhabenden entzogen ist. In einer der Forensikzellen für besonders uneinsichtige Gemüter spart sich der Bauherr nicht nur die Schamwand. Bei der Möblierung ist ausschließlich Beton verwandt worden. Betonmöbel versprühen nicht gerade Gemütlichkeit – sollen sie auch nicht. Selbst schlimmsten Wutausbrüchen halten sie stand. „Sie sind einbetoniert und mit Eisen beschwehrt“, weiß Mohr.

Wer in einer dieser Zellen mit Zusatzgittertür und zusätzlicher Plexiglaswand einsitzt, mag sich ein wenig wie der Kandidat eines Privatfernsehformats vorkommen: Zwei Kameras können ihn ins Visier nehmen. Freundlich ins Auge fällt, dass die Hafttüren alle im erdigen Brombeerton gestrichen sind. Neu ist, dass die Hafträume mit bis zu 11,5 Quadratmetern bemessen sind statt wie bisher mit 7,7 Quadratmetern.

Vieles anders als zu Hause

Wer den Handwerkern bei der Arbeit zusieht, erkennt, dass vieles anders ist als zu Hause: Die Spülkästen der Hafträume sind außerhalb der Zelle angebracht – ein mögliches Versteck weniger, in dem die Gefangenen Dinge vor ihren Bewachern verbergen, die sie gar nicht haben dürften. Damit die Insassen in Haft eine Betätigung vorfinden, sollen die Gefangenen „ausreichend ergiebige Arbeit“ ausüben können, so Pruß. „Das stärkt das Selbstwertgefühl, verschafft eine Aufgabe und gewährt einen geregelten Tagesablauf. Viele, so wissen wir, kennen weder das eine noch das andere“, sagt der Abteilungsleiter. „Genau dafür brauchen wir die neuen Arbeitsplätze in den neuen Werkgebäuden.“

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