Ein Paradiesvogel zwitschert am Elvis-Mikrophon

Der junge Künstler Daniel Becker hat täglich rund 3 000 Zuhörer bei seinen Radiosendungen im Internet - Jetzt war der Muffendorfer für den Podcast Award 2006 nominiert - "Neo-Intellektualismus" oder "charmanter Trash"

  Der Mann am Regler:  Rund um seinen Computer hat Daniel Becker Instrumente, Mischpulte und das Elvis-Mikrophon drapiert. Aufnahme läuft, die Show kann beginnen.

Der Mann am Regler: Rund um seinen Computer hat Daniel Becker Instrumente, Mischpulte und das Elvis-Mikrophon drapiert. Aufnahme läuft, die Show kann beginnen.

Foto: Lannert

Bonn. Radiomachen war noch nie so einfach und so billig. Ein Mikro und ein PC mit schneller Internetleitung reichen, um sich Gehör zu verschaffen. Auf den Trichter ist auch Daniel Becker gekommen, der seit Oktober 2004 täglich auf Sendung ist - mal fünf Minuten, mal 60 oder mehr.

Und immer mehr werden auch seine Zuhörer: 3 000 hat der Muffendorfer regelmäßig. Sie sitzen neben in Deutschland in Island, Frankreich oder Italien am Rechner oder stöpseln sich in den USA oder in Urugay ihre Kopfhörer ins Ohr, um dem legalen Piratensender des 28-Jährigen zu lauschen. Beckers eigenwillige Shows erzeugen ein Echo: Der Bonner Multimediakünstler war für den Podcast Award 2006 nominiert, gewann allerdings nicht den Preis.

"KULTUR:aktion" lautet die Kategorie, in der Becker zwei Konkurrenten hatte. Wie bei der Oscar-Verleihung ging die Ehrung am Freitag innerhalb des 1. Deutschen Podcast-Kongresses im Königssaal der Bayrischen Staatsoper über die Bühne - übrigens auf den Tag genau ein Jahr nach Beckers Sendestart seines "phatbrotkasten" im Internet.

Bei Becker ist alles "phat". Die Vorsilbe - entstanden aus "fett" - ist das Markenzeichen all seiner Schandtaten im Internet. "Frech kommt weiter", meint der junge Mann mit der Kappe. Für ihn ist Podcasting Wortkunst und Spontantheater. "Die Hörerschaft akzeptiert das als Kunst. Das ist ein Grund, warum ich für den Award nominiert wurde."

Ohne kommerziellen Hintergrund produziert er satirische Alltagskunst und übt mit seinen politischen Kommentaren den Spagat zwischen Oberflächlichem und Pikantem. Was Becker in seinen rein spontanen Shows liefert, bezeichnet er gern als "Neo-Intellektualismus" - der Fernsehsender arte hat es "charmanten Trash" genannt. "Was die einen lieben, ist für die anderen nutzloses Gequatsche."

Ein Fan scheint den ehemaligen Schüler des Clara-Schumann-Gymnasiums, der in Köln das Studium des Digital-Media-Designers absolvierte und im englischen Bradford den Bachelor of Science in der Multimediaproduktion machte, fast zu vergöttern. Er schreibt ihm wöchentlich vier A4-Seiten mit Kommentaren zu den Muffendorfer Mediensatiren.

Steigt das zu Kopf? "Ein bisschen Paranoia und Selbstverliebtheit gehören dazu", sagt Becker, der einige Sendungen auch mit seiner Freundin auf die Beine stellt. "Doch es geht nicht um meine Berühmtheit." Das Internet sei ein prima Transporter für Paradiesvögel und Freigeister. Wie der 28-Jährige, der es nie lange in einem festen Job aushält, gerade wieder bei einer Werbeagentur gekündigt hat.

Sein Geld verdient er nun mit künstlerischer Beratung, Fotografieren und als Referent in der Podcastszene. Bei all dem lockeren Aus-dem-Ärmel-Schütteln überlässt Becker bei der Technik nichts dem Zufall. Sein Tonstudio ist vielleicht gerade mal sieben Quadratmeter groß und steht voll mit Gitarren, Keyboards, Geige, Ukulele und Didgeridoos.

Der Künstler hat sich das Spielen selbst beigebracht. Über dem modernen Mikro im Elvis-Look wacht eine Madonna, damit Becker es nicht zu toll treibt. Das Bild stammt noch von der Oma. In dem Zimmer fühlt sich auch die Bonner Musikszene wohl, die das Podcasting mit "phatbrotkasten" auch für sich entdeckt hat.

Becker hat schon über die Bläck Fööss berichtet und interviewte Rüdiger Safranski vom Philosophischen Quartett des ZDF. Natürlich nahm Becker zum Award sein Diktiergerät mit, um über das ganze Drumherum zu berichten. Mal hören.

Podcasting

Audiodateien im Internet gibt es schon seit langem. Im Sommer 2004 trat Adam Curry, das Urgestein des Musiksenders MTV, im Netz wieder in Erscheinung und wurde zum Wegbereiter des Podcastings. Das Prinzip ist simpel: Auf der einen Seite können Anbieter beliebige Beiträge ins Internet stellen.

Auf der anderen kann sich jeder diese Dateien herunterladen, um sie sich auf dem Rechner oder einem mobilen Abspielgerät (mp3-Player) anzuhören. Es besteht auch die Möglichkeit, regelmäßige Hörangebote aller erdenklichen Sparten zu abonnieren, so dass sie automatisch auf dem PC landen.

Letztlich hat sich über die vergangenen Monate eine Radio-Subkultur entwickelt, an der sich auch Daniel Becker aktiv beteiligt. In der vielfältigen Szene tummeln sich Radiomacher, Journalisten, Geschichtenerzähler, Musiker, Comedians, Techniker, Nachrichtenmacher und viele mehr.

Es geht um allgemeine, aber auch spezielle Themen - alles meistens subjektiv aufgearbeitet. Die einen betreiben Podcasting als reines Hobby, andere verfolgen kommerzielle Interessen. Das Wort Podcasting setzt sich aus zwei Begriffen zusammen: Enthalten ist der iPod, der mobile Player, mit dem die Firma Apple den Markt erobert hat. Und dann noch das englische Broadcasting, was ausstrahlen bedeutet.

Daniel Becker ist über www.brotkast.de zu empfangen.
Weitere Internetseiten:www.podcastclub.de, www.podster.de und www.apple.de.

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