Wahl zur Deutschen Weinkönigin Ehemalige Weinbotschafterin Julia Bertram drückt Julia Migend die Daumen

DERNAU · Was für ein Jahr! Sie war in New York, reiste in 17 Tagen einmal um die Welt, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso verriet ihr in Straßburg, dass er früher Weintrauben mit den Füßen zerstampft hat, und am Mittelrhein erhielt sie einen geschmiedeten Keuschheitsgürtel mit Weinblatt und Traube.

In Asien lernte sie nicht nur, selbst Erdnüsse mit Stäbchen zu essen, sondern als "Dernemer Ässel" auch, wie Eselfleisch schmeckt. Die Rede ist von Julia Bertram, deren einjährige Amtszeit als Deutsche Weinkönigin sich jetzt mit großen Schritten dem Ende zuneigt. Eines wird schon nach wenigen Minuten im von Mutter Andrea und Tante Ricarda Sebastian geführten Familienweingut "Ernst Sebastian" an der "Bielejass" deutlich: Die rothaarige 23-Jährige hat sich im Dienste des deutschen Winzerstandes bei 250 Terminen zwar zigtausende Kilometer von zu Hause entfernt.

Doch das Herz der Winzerin, die früher ein Heimwehkind war, blieb immer zu Hause. Sie ist sich bis in jede Faser treu geblieben. Nichts von ihrer Natürlichkeit, Offenheit, ihrem Charme und Humor blieb auf der Strecke; nichts von ihrer Liebe zum Ahrtal ging verloren, keine einzige Wurzel hat sie eingebüßt. "Heimat ist Heimat. Ich habe eine enge Bindung zu dem Boden, wo ich lebe. Die Ahr ist und bleibt mein Nonplusultra", räumt sie auch freimütig ein.

Womit wir dann vor dem Rückblick auf ein faszinierendes Jahr schon beim bodenständigen Ausblick sind: Wie sieht ein Leben nach Rampenlicht, internationalen Auftritten, weltweiter Presse und dem Königinnen-Dasein aus? "Ich möchte den Herbst im Weingut verbringen und nach drei Amtszeiten als Orts-, Ahr- und Deutsche Weinkönigin nun auch wieder meine Familie unterstützen."

Sie ist dann die fünfte Generation, die die 2,5 Hektar im Dernauer Pfarrwingert und Hardtberg sowie im Ahrweiler Rosenthal und Ursulinengarten bearbeitet. Aus den Trauben ihres 600-Quadratmeter-Weinberges, den sie in der Lage Hardtberg gekauft hat, möchte sie ihre erste eigene Linie kreieren: einen Spätburgunder, der seine Herkunft, sein Terroir im Gaumen offenbart.

Der dank des Schieferbodens mal wie die großen Ahr-Vorbilder wird: elegant und finessenreich mit guter Säurestruktur. Und wer darf das Erstlingswerk probieren und gegebenenfalls kritisieren? "Mein Freund, der in einem Weingut in Franken arbeitet, meine Schlahrviner und Sommelier Alexander Kohnen vom International Wine Institute", sagt Bertram, die bei der Jungwinzer-Vereinigung Schlahrvino als einzige Frau und deren Schriftführerin aktiv ist.

Apropos weibliche Power: Julia Bertram ist überzeugt, dass Frauen gut geeignet sind, um Weine herzustellen. "Sie haben ein gutes Näschen, eine feine Sensorik und mehr Gefühl", so die 23-Jährige, die ihre Stärken bei der Arbeit im Wingert und bei der Vermarktung sieht. "Ich bin nicht so ein Kellerkind, ich brauche die frische Luft und die Natur."

Doch ihr Premierenwein, den sie aufs Fass legt, ist viel mehr für sie als nur eine erste Visitenkarte, mehr als ein "Hallo Ahr, ich bin wieder da!". Er wird mit über ihre Zukunft entscheiden: "Mache ich mich selbstständig? Halte ich die Tradition aufrecht und übernehme den Betrieb, der jedoch sehr klein ist und es mir kaum möglich ist, mich flächenmäßig zu vergrößern? Wie sieht mein Privatleben aus mit meinem Freund in Franken?"

Viele Gedanken gehen ihr durch den Kopf, die drei starken Frauen an ihrer Seite wollen helfen, aber nicht beeinflussen: Mutter Andrea, die ebenso wie Tante Ricarda Dernauer Weinkönigin war, und Oma Rosemarie Sebastian, die 1960 gar die Krone der Ahrweinkönigin trug.

Zurück zur Krone, oder besser gesagt zum zweiten Schmuckstück, das sie bei offiziellen Anlässen trägt und auch nach dem 13. September behalten darf: Den Königinnen-Ring, der in der Mitte einen australischen Rubin in der Farbe ihres Haares und rundherum 13 Brillanten als Symbol für die 13 deutschen Anbaugebiete aufweist. "Wie gerne würde ich Krone und Ring reden hören. Sie könnten so viele Geschichten erzählen", sagt sie schmunzelnd und packt einige von ihnen aus.

So traf sie sich bei ihrem Welttrip Frankfurt-Toronto-Peking-Frankfurt mit der Dernauer Winzerin Dörte Näkel an den Niagara-Fällen, besichtigte mit ihr drei kanadische Weingüter, von dem eines von einer Deutschen geleitet wird. So gesellte sich zu ihrem immensen Erfahrungsschatz und dem Kennenlernen anderer Kulturen eine weitere Philosophie des Weinmachens. Manchmal hieß es "dicke Bretter bohren", wenn mal wieder das Klischee aufschlug, dass Deutschland nur süße weiße Weine hat.

"Auch wenn ich in dem Jahr selbst ein Rieslingfan geworden bin, so weiß das weltweite Weinbusiness doch um die Qualität unserer Burgunder", betont Julia Bertram. Selbst bei einer Probe in Hongkong, an der sie nicht teilnahm, waren sieben der weltweit zehn erstplatzierten Burgunder aus Deutschland.

Das erfüllt die Repräsentantin, die ein Jahr das Gesicht und das Sprachrohr des Deutschen Weins war, mit Stolz. Und das ist auch das, was sie am meisten vermissen wird: die Tatsache, nicht mehr länderübergreifend tätig sein zu können. "Weinbotschafterin werde ich immer bleiben, aber eben nur in meiner Region."

Das Jahr unter der Leitung des Deutschen Weininstitutes (DWI) hat sie als Persönlichkeit geformt, sie selbstständiger gemacht. Und ihr Englisch entscheidend verbessert. Bei 95 Prozent der Reisen war sie alleine unterwegs. "Da musst du gut organisiert sein. Wenn es von der Pfalz nach Berlin, dann nach Sylt und von dort nach New York geht, muss Dein Koffer schon sinnvoll gepackt sein", lacht sie.

Mal vergaß sie das Portemonnaie und kam mit dem letzten Tropfen Sprit von Offenburg nach Dernau zurück. Mal hatte sie den falschen Blazer oder das falsche Paar Schuhe eingepackt, doch die Krone war immer dabei. Die trug sie auch in Peking, das sie von Toronto aus anflog: "13 Stunden Flug, zwölf Stunden Zeitumstellung. Ich kam also an, als ich losgeflogen bin."

Wie gesagt: In Peking aß sie Eselfleisch und erfuhr zum Glück erst nach dem Essen, was es war. In Schanghai wartete sie fast 50 Minuten auf einen Zug, weil der Schaffner immer wieder "No" sagte. "Dann begriff ich, dass das sein einziges englisches Wort ist, das er beherrschte."

Nächste Woche wird Julia Bertram noch den Bad Dürkheimer Wurstmarkt eröffnen und sich dann zwei Tage vor dem Finale zur Wahl ihrer Nachfolgerin zu den Kandidatinnen gesellen. "Mit Julia Migend sind wir bestens aufgestellt. Sie wird einen guten Job machen", sagt sie über die Ahrweinkönigin aus Mayschoß, die sich bei ihr bereits den einen oder anderen Tipp geholt hat.

Was dann noch bleibt, ist die Freude über einen leeren Terminkalender, "den ich dann, nicht mehr fremdbestimmt, selbst wieder füllen werde". Und die Aussicht, im Winter ihre 10.000 Fotos nebst handschriftlichen Eintragungen plus unzähligen Zeitungsartikeln oder Menükarten archivieren zu können. Das Material wird dann auch Basis sein für ihren Vortrag im Februar 2014 im Gesprächskreis Ahrwein.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort