Obsternte in der Region "Drosophila suzukii" breitet sich aus

RHEIN-SIEG-KREIS · Sie misst nur zwei bis 3,5 Millimeter in der Länge, doch sie bereitet Obstbauern in der Region große Sorge: Die aus Japan stammende Kirschessigfliege hat im vergangenen Spätsommer erhebliche Ernteschäden auch im Rhein-Sieg-Kreis angerichtet.

Jetzt, im August, baut sich ihre Population wieder stärker auf, wie Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen im Versuchszentrum in Köln-Auweiler beobachten. "Unsere Fangzahlen steigen", sagt Ludger Linnemannstöns, Versuchsleiter Obstbau in Köln-Auweiler, wo die Landwirtschaftskammer auch Methoden testet, wie Landwirte ihre Ernte vor dem Insekt schützen können, das es auf weiche, dunkle Früchte wie Kirschen, Pflaumen, Himbeeren, Brombeeren, Holunder und Trauben abgesehen hat.

Aufgrund ihres fachsprachlichen Namens "Drosophila suzukii" nennt mancher die Kirschessigfliege scherzhaft "Mopedfliege". Vollgas gibt sie jedenfalls in puncto Vermehrung: Ein begattetes Weibchen kann 300 bis 400 Eier ablegen. Dafür sucht es sich - anders als die gemeinhin bekannte Fruchtfliege - gesunde, reife Früchte. Der Legestachel der Weibchen ist mit dornenartigen Zähnen besetzt, mit denen das Tier die Fruchthaut einritzt, um zwei bis drei Eier in die Frucht zu legen. Schon nach ein bis zwei Tagen schlüpfen die Larven.

Bereits zehn bis 14 Tage nach der Eiablage kann somit eine neue Generation gebildet sein. "So schafft sie es, bis zu acht Generationen im Sommer zu bilden", sagt Linnemannstöns vom Versuchszentrum, das intensives Monitoring betreibe, um die Populationsdynamik des 2009 in Südeuropa und 2011 in Süddeutschland eingeschleppten Insekts besser zu verstehen.

In Fallen, die einem Joghurtbecher ähneln, dessen Foliendeckel mit Löchern versehen ist, fangen die Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer die Tiere und zählen sie aus. Apfelessig vermischt mit Rotwein lockt sie in das Gefäß. "Erste Vermehrungen haben offenbar stattgefunden", sagt Linnemannstöns mit Blick auf die Fangzahlen. Fand Mitarbeiterin Eva Jansen in den vier Fallen auf dem Gelände Ende Juli in einer Woche durchschnittlich 14,1 Tiere pro Gefäß, waren es zum 5. August bereits im Schnitt 21,75.

Bis zu dieser Woche (10. August) zeigt sich ein sprunghafter Anstieg: 388 Fliegen gingen insgesamt in die Falle, also durchschnittlich 97 pro Gefäß. Zum jetzigen Zeitpunkt fänden die Tiere auch mehr Obst, um sich zu ernähren, erklärt der Versuchsleiter. So naschen sie zum Beispiel auch gerne an wilden Brombeeren. "Und gerade im Vorgebirge gibt es ja auch aufgelassene Flächen, die nicht mehr gepflegt werden", verweist er auf eine Problematik.

Die Fliege mag die Schwüle in der Köln-Bonner Bucht

Das trockene Frühjahr mit mehreren heißen Tagen habe der Fliege allerdings bislang keine guten Bedingungen geboten. Sie mag es lieber feucht und warm. Die Schwüle in der Köln-Bonner Bucht kommt ihr also gerade gelegen. Steigen die Temperaturen aber über 30 Grad, "dann haben die Männchen keine Lust mehr zur Begattung", sagt Linnemannstöns. Auch kalte Winter kommen dem Insekt nicht zupass: Dann überleben weniger Tiere, die sich unter Laub verkriechen und sich von Hefen auf der Blattoberfläche ernähren.

Was also tun gegen den Eindringling? Zum einen verweist Linnemannstöns auf das Insektizid "Spin Tor", dessen Wirkstoff Spinosad aus einem Bodenbakterium gewonnen wird. Das Pflanzenschutzmittel sei auch für den Ökolandbau zugelassen. Bei chemischer Behandlung sind jedoch gewisse Zeitintervalle einzuhalten. "Viele Betriebe fangen auch an, Erfahrungen mit Netzen zu sammeln", sagt Linnemannstöns. So ist auf der Versuchsanlage eine Fläche mit Blaubeersträuchern durch einen Netztunnel geschützt. Das Besondere: Das Netz ist mit einer Maschenbreite von 0,8 Millimetern besonders eng, damit die Fliege nicht hindurchpasst. Zusätzlich ist eine Schleuse zum Betreten des Tunnels eingebaut. Ein Ventilator bewegt die Luft in Richtung des Ausgangs, um Eindringlinge wieder hinauszupusten.

Das Problem sind die Kosten: Mit etwa 60.000 Euro schlage die Volleinnetzung für die Versuchsfläche von 240 Quadratmetern zu Buche, sagt Linnemannstöns: "Da stellt sich für den Landwirt die Frage, ob das noch wirtschaftlich ist." Die chemische Behandlung sei preiswerter, berge aber auch die Gefahr einer Resistenz-Entwicklung. "Wir müssen beides machen", sagt Linnemannstöns. Deutschland- und sogar europaweit seien Arbeitsgruppen mit der Bekämpfung der Fliege befasst. Denn klar ist: "Wir müssen davon ausgehen, dass der Schädling bleibt. Wir werden in den nächsten Jahrzehnten mit ihm leben müssen", sagt der Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer.

"Absoluten Schutz gibt es nicht"

Umfrage der Obstbauern über ihre Erfahrungen

Landwirt Manfred Felten aus Meckenheim hat seine Süßkirschen mit einem feinmaschigen Netz vor der Kirschessigfliege geschützt und Kirschen sowie Pflaumen zwei Mal mit dem Pflanzenschutzmittel "Spin Tor" behandelt. "Es hat gut funktioniert", sagt der Obstbauer, der im vergangenen Jahr mehrere Tausend Euro Schaden hatte, weil der Schädling im September in zahlreiche Zwetschgen eingedrungen war.

Eine "teure Maßnahme" wie das Einnetzen lohne sich aber nur bei "teuren Kulturen" wie den Süßkirschen, sagt Felten. Seine Sauerkirschen etwa habe er nicht eingenetzt - und prompt seien die Fliegen in einem Teil der Früchte gewesen. "Aber absoluten Schutz gibt es ohnehin nicht", sagt er, zumal die Netze auch reißen oder Löcher bekommen könnten.

Das ist auch einer der Gründe, warum Kollege Rainer Dahlhausen aus Meckenheim, der im Vorjahr ebenfalls bei den späten Hauszwetschgen einen hohen Ernteausfall verzeichnet hat, von Netzen abgesehen hat. Derzeit erntet er Himbeeren, und das in einem dichteren Tempo als sonst. "Wir sehen zu, dass wir möglichst jeden Tag durchgehen", damit bloß keine reife Frucht hängen- oder liegen bleibe, die die Kirschessigfliege anlocken könnte, erklärt Dahlhausen.

Biobauer Heinz Bursch aus Bornheim-Waldorf hat "Gott sei Dank noch nicht" Bekanntschaft mit der Fliege gemacht. "Aber man macht sich natürlich Sorgen, wenn man hört, dass teils ganze Ernten vernichtet werden und es plötzlich einen Schädling gibt, den wir bislang nicht kannten." Für den Fall der Fälle hofft er, die engmaschigen Netze, die er beim Anbau etwa von Rucola oder Radieschen gegen den Erdfloh nutzt, verwenden zu können. Aber der Aufbau sei aufwendig.

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