Beinah-Katastrophe Dramatische Landung am Flughafen Köln/Bonn

HAMBURG/KÖLN · Ein mit 149 Menschen besetzter Airbus 319 der Lufthansa-Tochter Germanwings ist offenbar knapp einer Katastrophe entgangen. Bei dem Zwischenfall, der sich bereits im Dezember 2010 ereignete, hatten beide Piloten beim Landeanflug auf den Köln/Bonner Flughafen beinahe das Bewusstsein verloren.

Das war keine gewöhnliche Landung für die 149 Passagiere eines Germanwings-Flugs von Wien nach Köln/Bonn am 19. Dezember 2010. Empfangen wurden sie von 12 Feuerwehrfahrzeugen, die die Maschine zur Parkposition begleiten als der Airbus A 319 stand, kam die Feuerwehr an Bord. Zumindest das gibt es nicht oft in Köln/Bonn, sagte am Freitag Flughafensprecher Walter Römer. Einen vorsorglichen Einsatz der Feuerwehr auch mit 12 Fahrzeugen gebe es öfter. Lieber ein Wagen mehr als einer zu wenig. Immerhin hatte der Copilot kurz vorher einen Notruf abgesetzt und den Tower über eine "Luftnotlage" informiert.

Am Himmel über Köln müssen sich an diesem Abend um halb zehn dramatische Ereignisse abgespielt haben, wie in einem jetzt vorgelegten Bericht der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU) nachzulesen ist. Die Behörde stuft den Vorfall als "schwere Störung" ein. Der Begriff wird verwendet, wenn sich beinahe ein Unfall ereignet hätte. "Als surrealistisch und wie in einem Traum" beschreiben in dem Bericht Pilot und Copilot ihre Verfassung kurz vor der Landung.

Der Pilot flog die Maschine, "am Ende seiner Leistungsfähigkeit angekommen". Der Copilot hatte nach eigenen Angaben "Schwierigkeiten, den Ablauf in einem Gesamtbild zu erfassen." Und nur eine sofortige Landung kam für den Piloten in Frage, für ein Durchstartmanöver sah er sich nicht mehr in der Lage.

Minuten zuvor, in 1000 Meter Höhe, bemerken die beiden Piloten einen unangenehmen Geruch, "eine Mischung aus verbrannt und elektrisch Riechendem", wie es in dem Bericht heißt. Kurz später lässt der Geruch nach. Doch dann meldet der Copilot, dass ihm "kotzübel" sei.

Als sich seine Arme und Beine taub anfühlen, greift er zur Sauerstoffmaske. Auch der Pilot verspürt ein starkes Kribbeln in Händen und Füßen, er bekommt einen Tunnelblick und verspürt starkes Schwindelgefühl. Auch er greift zur Sauerstoffmaske - und es geht ihm besser. Der Zustand des Copiloten verschlechtert sich weiter. Die Passagiere bemerken von all dem nichts. Bei ihnen ist die Luft nicht beeinträchtigt. Allenfalls ein "spürbares" Aufsetzen auf der Landebahn könnte einige erstaunt haben.

Vorgelegt wurde der Bericht erst jetzt. Zwar hat die Behörde nach einer Meldung von Germanwings vom 20. Dezember 2010 erste Ermittlungen aufgenommen, den Vorfall aber als nicht weiter zu untersuchenden Fall befunden. Erst ein Jahr später, so heißt es "erreichten die BFU weitere Informationen", die zu einer Untersuchung führten. Worin die bestanden, wurde nicht mitgeteilt. Auch Germanwings-Sprecher Joachim Schöttes wunderte sich gegenüber dieser Zeitung, dass die BFU ein Jahr nach dem Vorfall eine Untersuchung aufnimmt. Das Unternehmen habe alle Fakten mitgeteilt und nichts "heruntergespielt oder vertuscht".

Germanwings habe den Vorfall in dem Bericht vom 20. Dezember 2010 als "gravierend" eingestuft, so Schöttes. Allerdings heißt es darin: "Die Landung erfolgte ohne nennenswerte Vorkommnisse." Das liest sich im BFU-Bericht anders. Noch nach dem Aufsetzen vergaßen die Piloten einzelne Handgriffe wie das Einfahren der Klappen oder das Starten einer Hilfsturbine. Nach der Landung wurden beide Piloten in das Krankenhaus Köln-Porz gebracht. Der Zustand des Piloten besserte sich bereits während der Fahrt als er reinen Sauerstoff bekam. Nach zwei Stunden wurden beide entlassen.

Der Copilot ließ sich am nächsten Tag aber noch einmal untersuchen. Bei einer Blutanalyse wurden zwei auffällige Werte festgestellt, wie es in dem Bericht heißt. Er war nach dem Ereignis für sechs Monate fluguntauglich.

Eine eindeutige Ursache für den Geruch konnten die Germanwings-Techniker nicht feststellen. Sie gehen mit hoher Wahrscheinlichkeit davon aus, dass eine Enteisungsflüssigkeit dafür verantwortlich ist. Öl-, Treibstoff- oder elektrischer Geruch wurde von den Technikern definitiv ausgeschlossen, wie es im BFU-Bericht heißt. Dabei war es nicht der erste Vorfall mit dieser Maschine.

2008 gab es schon einmal eine Geruchsbelästigung, damals im Passagierraum. Eine Ursache konnte nicht ermittelt werden, obwohl neben Germanwings-Technikern auch Airbus-Mitarbeiter in Toulouse die Maschine unter die Lupe genommen. Damals habe man gut mit der irischen Flugunfallbehörde zusammengearbeitet, so Germanwings-Sprecher Schöttes. An der BFU kritisiert er dagegen auch, dass die Behörde vor der Veröffentlichung des Berichts nicht auf das Unternehmen zugekommen ist.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort