"Dieser Glamour ist gar nicht meine Welt"

Ein Bambi ginb an blinde blinde Sabriye Tenberken aus Swisttal - Die junge Frau setzt sich in Tibet für sehbehinderte Kinder ein und hat deren Blindenschrift begründet

Swisttal-Morenhoven. Sabriye Tenberken hat schon zahlreiche Auszeichnungen bekommen, doch wohl keine war mit so viel Pomp und Glamour verbunden, wie die Verleihung des Medienpreises "Bambi", der ihr am Freitag von der Schauspielerin Maria Furtwängler während einer Gala im Hotel Estrel in Berlin überreicht wurde. Der Gala-Abend wurde von der ARD live übertragen.

"Dieser Glamour ist gar nicht meine Welt, er steht in einem starken Kontrast zu der Welt, in der ich jetzt lebe", sagt Sabriye Tenberken. "Allein mit der Schminke, die den Stars und Gästen für den Abend aufgetragen wurde, könnte man mein Projekt, bei dem blinde Kinder in Tibet lesen und schreiben lernen, vermutlich monatelang durchfüttern. Andererseits ist solch eine Publicity natürlich notwendig. Ich hoffe, dass dadurch das von mir begründete Blindenzentrum in Lhasa mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung finden wird", erklärte sie.

Sabriye Tenberken ist seit Geburt stark sehgeschädigt. Eine angeborene fortschreitende Netzhaut-Degeneration führte langsam zur Erblindung. Trotzdem wurde sie zu einer selbstbewussten jungen Frau, die nur eines nicht will: Mitleid. Statt dessen erwartet sie, dass blinde und sehbehinderte Menschen eine faire Chance bekommen. Aus diesem Grund fasste sie den Entschluss, nach Tibet zu reisen, um dort blinden Kindern, die nicht selten von ihren Eltern versteckt oder gar an ihre Betten gefesselt werden, die nötige Hilfestellung zu geben, um zu selbstständigen Erwachsenen zu reifen, die einem normalen Beruf nachgehen können und mit beiden Beinen im Leben stehen. Aufgrund der Höhe und der somit starken Sonneneinstrahlung sowie der starken Rußbelastung durch offene Feuer in den Hütten gibt es in Tibet besonders viele Blinde. Bis die junge Frau ihr Projekt verwirklichen konnte, musste sie zunächst einen steinigen Weg gehen. Sie studierte an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn als erste Sehgeschädigte den Studiengang der Zentralasien-Wissenschaft und befasste sich besonders mit den Schwerpunkten "Tibet" und "Mongolei". Da jedoch keinerlei Schriften für Menschen mit einer Sehbehinderung vorlagen, musste die Studentin eine eigene Methode zur Bewältigung ihres Studiums entwickeln: So entstand eine tibetische Blindenschrift, die auf der in Europa und Amerika bewährten Sechs-Punkte-Brailleschrift basiert und die in ihrer Konzeption an das tibetische Silbenschriftsystem angelehnt ist. Die Schrift ist daher auch für tibetische Blinde, die bisher keine eigene Blindenschrift hatten, problemlos zu erlernen.

1997 reiste Sabriye Tenberken ohne Begleitung nach Tibet, durchstreifte das Land auf dem Rücken eines Pferdes, das sie sich kurzerhand gemietet hatte, und begründete nach zahlreichen Schwierigkeiten von Seiten der Behörden in Lhasa eine Schule für Sehgeschädigte. Derzeit erlernen dort 17 Kinder die tibetanische Blindenschrift, bald sollen es 30 werden.

"Mit den 20 000 Mark, die mit der Verleihung des ¯Charity-Bambis® vernunden sind, wird ein Gebäude in Lhasa finanziert. Ich hoffe, dass das Blindenzentrum, das zu meiner Welt geworden ist, auch weiterhin finanzielle Unterstützung findet. Damit noch mehr Kinder die Möglichkeit haben, einem Beruf nachzugehen und selbstständig und selbstbewusst zu leben."

Sabriye Tenberken ist derzeit, fern von ihrer Wahlheimat Tibet, auf Lesereise in Deutschland. Sie hat zwei Bücher veröffentlicht, in denen sie die Situation der Blinden in Tibet schildert. "Mein Weg führt nach Tibet" erzählt die faszinierende Geschichte ihrer abenteuerlichen Reise mit dem Ziel, blinden Kindern zu helfen. "Tashis neue Welt" ist laut Tenberken ein Sachbuch, das über die sehbehinderten Kinder in Tibet informiert.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort