"Die Schuldenlast ist erdrückend"

In seinen Jahresberichten zieht der Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz eine vernichtende Bilanz der Finanzpolitik.

"Die Schuldenlast ist erdrückend"
Foto: Rechnungshof Rheinland-Pfalz

Speyer. Es ist nichts weiter als ein unscheinbares Verwaltungsgebäude am Rande der Innenstadt von Speyer. Doch was hier an der Gerhart-Hauptmann-Straße publiziert wird, ist zuweilen so brisant, dass sich die Regierenden in Mainz davor fürchten und die Opponierenden darüber freuen. Das unscheinbare Verwaltungsgebäude ist der Sitz des rheinland-pfälzischen Landesrechnungshofs. Zählt man die Außenstellen in Koblenz und Trier dazu, sind insgesamt 150 Mitarbeiter für die unabhängige Institution tätig.

Einer von ihnen ist Präsident Klaus Behnke, ein anderer Pressesprecher Hartmut Herle. Ihre Behörde kritisierte in Jahresberichten und Mitteilungen in den vergangenen Jahren immer wieder die Finanzaktivitäten der Landesregierung und wies auf die hohe Verschuldung des Landes hin. Doch in diesen Wochen des Wahlkampfes kommt aus Speyer nichts mehr. "Wir wollen nicht in die heiße Phase hineingezogen werden", sagt Pressesprecher Herle in seinem schmucklosen Büro unmittelbar neben dem Eingang des Gebäudes.

Ähnlich hatte es Präsident Behnke bei der Vorstellung des Jahresberichts 2011 in Mainz formuliert. Die war aus diesen Gründen eigens von Ende Februar auf Mitte Januar vorverlegt worden. Doch wer die Berichte liest, der erkennt, dass die Behörde, die Jahr für Jahr den Haushaltsabschluss prüft, kein gutes Haar an der Finanzpolitik der SPD-Landesregierung lässt.

Zum Beispiel 2006: So sei das Haushaltsjahr laut Präsident Behnke gekennzeichnet gewesen "durch eine hohe Nettokreditaufnahme und einen nahezu ungebremsten Schuldenanstieg". Konkret: Die Regierung Beck finanzierte 7,6 Prozent ihrer Ausgaben durch Kredite - mehr als doppelt so viel wie die durchschnittliche Quote der westlichen Flächenländer (3,4 Prozent).

Die Gesamtverschuldung des Landes stieg von 25,5 auf 26,6 Milliarden Euro, rechnet man die Landesbetriebe hinzu, wie es auch der Rechnungshof macht. Fazit des dortigen Präsidenten: "Die Schuldenlast ist erdrückend." Und das in einem Jahr, in dem es wirtschaftlich wieder aufwärts ging.

Ähnlich 2007. Obwohl Rheinland-Pfalz noch nie so hohe Steuereinnahmen hatte (8,8 Milliarden Euro), nahm das Land weitere 800 Millionen Euro an Schulden auf. 5,1 Prozent der Ausgaben wurden diesmal durch Kredite finanziert, im Schnitt der westlichen Flächenländer waren es nur 1,1 Prozent. Die Gesamtverschuldung stieg auf 27,4 Milliarden, eine Verdopplung gegenüber dem Beginn der Amtszeit Kurt Becks 1994. Behnkes Appell: "Es ist zu wünschen, dass das Land die günstige gesamtwirtschaftliche Entwicklung konsequent zur Reduzierung der Verschuldung nutzt."

Das aber war nur ein frommer Wunsch, denn auch im Jahr 2008 beschaffte sich Rheinland-Pfalz am Kapitalmarkt weiteres frisches Geld. Trotz eines weiteren Rekordes bei den Steuereinnahmen von 9,2 Milliarden Euro nahm das Land gut eine Milliarde an neuen Schulden auf. Kommentar des Rechnungshof-Präsidenten: "Das Land nutzte die gute Konjunktur nicht, um seine Neuverschuldung deutlich zu verringern." Ein großes Problem, wie sich in der Finanz- und Wirtschaftskrise zeigte.

Denn das Land nahm 2009 und 2010 erheblich weniger Steuern ein, investierte aber zusätzlich, um die Konjunktur zu beleben. Die Folge: Einnahmen und Ausgaben klafften weiter auseinander, was den Kreditbedarf weiter erhöhte.

In Zahlen: Mit 1,9 Milliarden Euro wurden 2009 so viele neue Schulden gemacht wie nie zuvor. Und für 2010 plante das Land in seinem Haushaltsplan weitere knapp 2,7 Milliarden Euro ein - abermals neuer Rekord. Was die Lage noch dramatischer macht, ist aus Sicht des Landesrechnungshofs, dass keinerlei Anzeichen für ein Umdenken erkennbar sind. So weist die bis 2014 geltende Mittelfristige Finanzplanung des Landes jährliche Kreditaufnahmen aus, die zum Teil weit über der laut Verfassung vorgegebenen Kreditobergrenze liegen. 2014 erwarte die Landesregierung 41 Milliarden Euro Schulden.

Das düstere Szenario von Rechnungshof-Präsident Behnke: "Angesichts der hohen Verschuldung droht dem Land der Verlust seiner finanzpolitischen Handlungsfähigkeit." Und pessimistisch ist er auch, inwieweit Rheinland-Pfalz 2020 die Schuldenbremse einhält, denn es gebe kein "tragfähiges Konzept", wie bis dahin ein Haushaltsausgleich ohne neue Schulden sichergestellt werden soll.

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