Die Kinder sprechen von "Racheakten"

Entsetzen über Diebstahlserie in der Jugendfarm in Pützchen - Unbekannte nehmen Kaninchen mit und lassen Jungtiere zurück

Pützchen. Von einer Einbruchserie ist die Jugendfarm betroffen. Ihr Leiter Stephan Dülberg ärgert sich: "Das ist besonders für alle diejenigen sehr demotivierend, die sich seit Jahren für die Belange von Kindern und Jugendlichen einsetzen."

In den vergangenen sieben Wochen kam es nach Auskunft der Farm zu mehreren Einbrüchen und Diebstählen. Ein Computersystem ist weg (Wert 1500 Mark), mehrere Elektromaschinen (200 Mark) und eine Musikanlage (1000 Mark), dazu zwei Handys (600 Mark), Arbeitsmaterialien und ein Rucksack mit persönlichen Papieren. Zudem haben Unbekannte vor zwei Wochen das Farm-Auto im Wert von rund 2000 Mark aufgebrochen und sind damit weggefahren.

"Das war gegen 19 Uhr", sagt Dülberg. Die Polizei fand den demolierten VW-Polo später in einer Kiesgrube. Jetzt ist die Spurensicherung am Werk. "Das Auto ist mittlerweile verschrottet", teilt der Farmleiter mit. Dafür wird keine Versicherung mehr zahlen. Auch die Mobiltelefone sind nicht versichert. Somit rechnet die Farm damit, dass nur ein Teil der gestohlenen Gegenstände ersetzt wird.

Besonders für alle Kinder und Jugendlichen war ein Einbruch in der Nacht zum Samstag vergangener Woche unverständlich: Jemand hatte das Kaninchenhaus aufgebrochen und ein Muttertier mitsamt sieben Jungtieren gestohlen. Dabei blieben drei Tiere zurück. Da diese Jungen erst wenige Wochen alt waren, wurden sie in Privatobhut übergeben, um ihr Überleben zu sichern.

Die Mitarbeiter der Jugendfarm sind der Auffassung, dass alle Diebstähle nur mit guter Ortskenntnis zu erklären sind und die Täter deshalb aus dem näheren Umfeld der Farm stammen. "Die haben zum Beispiel von den Jungtieren gewusst oder kannten die Stelle, wo sich das Werkzeug befindet", sagt Dülberg.

Unter den Kindern, die zur Farm kommen - jetzt im Winter täglich rund 40, im Sommer zwischen 50 und 100 -, wird von "Racheakten" gesprochen. Die Gerüchteküche brodelt. Denn nicht immer geht es am Holzlarer Weg friedlich zu. "Die Jugendlichen lassen bei uns ihren Frust aus Schule und Elternhaus raus, den sie nicht geregelt kriegen", sagt Dülberg. "Wir versuchen aufzufangen, was wir können. Aber die persönliche Zuwendung ist irgendwann nicht mehr zu schaffen." Es gibt klare Regeln: Wer prügelt, bekommt erst einmal zwei Wochen Hausverbot. Bei Wiederholungen drohen Sperren bis zu einem halben Jahr. Laut der Leitung sind dabei vor allem die Zwölf- bis 16-Jährigen betroffen. "Die vielen kleinen Kinder haben Angst vor den großen, gewalttätigen Jugendlichen", spricht Dülberg das nächste Problem in der Einrichtung an. Letztlich setze er dann aber die vor die Tür, die die meiste Hilfe brauchten.

Der Farmleiter wünscht sich, dass der Kontakt zu der für Erziehung zuständigen Stelle im Jugendamt - der allgemeine soziale Dienst - noch verbessert wird. "Alles müsste viel schneller gehen." Außerdem müsse es mehr Geld für Personal geben. Bei den geplanten Kürzungen für 2001 um 30 000 Mark "wissen wir nicht, wie wir alles geregelt kriegen sollen", sagt Dülberg. Die Mitarbeiter der Jugendfarm fragen sich, wie der Fehlentwicklung überhaupt noch sinnvoll begegnet werden kann.

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