Antrag der Grünen Die Gemeinde Alfter soll die Inklusion in ihren Grundschulen vorantreiben

ALFTER · Null Prozent Integrationsquote. Inklusion nach der UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen findet an den drei Grundschulen der Gemeinde Alfter offiziell noch nicht statt. Es fehlen die räumlichen und pädagogischen Voraussetzungen.

Nachahmenswert: Wie in dieser Schule in Neuss könnte auch in Alfter, Oedekoven und Witterschlick das Lernen von behinderten und nicht behinderten Kindern praktiziert werden.

Nachahmenswert: Wie in dieser Schule in Neuss könnte auch in Alfter, Oedekoven und Witterschlick das Lernen von behinderten und nicht behinderten Kindern praktiziert werden.

Foto: dpa

Das Recht von Kindern mit Förderbedarf auf integrativen Unterricht an Grundschulen wird von Eltern bisher auch nicht eingefordert. Sie nutzen vorzugsweise das attraktive Angebot der drei Förderschulen des Rhein-Sieg-Kreises in der Umgebung. Die Umsetzung der auch von Deutschland unterzeichneten UN-Konvention an Alfterer Grundschulen fordert nun die Ratsfraktion der Grünen.

Mit ihrem Antrag zur Sitzung des Schulausschusses, der am Dienstag tagt, soll ein Ratsbeschluss auf den Weg gebracht werden, in dem sich die Gemeinde Alfter auch als Schulträger zur Inklusion verpflichtet. An allen drei Grundschulen sollen integrative Plätze für Kinder mit Förderbedarf eingerichtet werden, mindestens eine Grundschule soll damit bereits zum Schuljahr 2013/14 starten.

"Es wird höchste Zeit für die Umsetzung. Auf lange Sicht sollten die Eltern die Wahlfreiheit haben", sagt Mechthild Wallraff-Kaiser (Grüne). In Abstimmung mit den Schulleitungen soll die Gemeindeverwaltung den Bedarf der erforderlichen inhaltlichen und räumlichen Ausstattung ermitteln und rechtzeitig Förderanträge stellen.

"Das Gesetz ist da. Es besteht Orientierungs- und Planungsbedarf, wie wir in Alfter damit umgehen", sagt Elke Schweda, Leiterin der Anna-Grundschule in Alfter. "Wir müssen uns alle Gedanken machen. Und zum Beispiel fragen: Welche Schule bietet sich für bauliche Veränderungen an?" Ein Problem sei die sonderpädagogische Begleitung. Es gebe zurzeit nicht genügend Fachkräfte.

Schweda berichtet, dass es unter den Anmeldungen von Erstklässlern zum kommenden Schuljahr an der Anna-Schule fünf Kinder mit Förderbedarf gegeben habe. Für sie haben die Eltern eine Förderschule bevorzugt. "Schön wäre es, wenn es beide Schulformen gebe, dann hätten die Eltern die freie Wahl", findet die Pädagogin. "Theoretisch ist jede Grundschule jetzt eine Inklusionsschule", sagt Bettina Habeth, Schulleiterin der Witterschlicker Grundschule, mit Blick auf die UN-Konvention.

Doch zum einen fehlen die räumlichen Voraussetzungen wie Barrierefreiheit, zum anderen entscheiden sich die Eltern betroffener Kinder bisher für das bekannte Angebot an Förderschulen. "Wo sollen wir da ansetzen? Erfahrungswerte über gemeinsamen Unterricht haben wir noch nicht." An der Witterschlicker Grundschule werde zurzeit ein Kind unterrichtet, das einen besonderen Förderbedarf im Bereich Hören hat und drei Stunden pro Woche von einem Sonderpädagogen begleitet wird.

Überlegenswert wäre, so Habeth, wie man Grundschulkindern durch fachliche Unterstützung den Verbleib in der Klasse ermöglichen könne, wenn nach ein, zwei Jahren ein Förderbedarf erkannt wird. "Wie könnten intelligente Kooperationen zwischen Förderschulen und Regelschulen dafür aussehen?", fragt sich Habeth. Mechthild Gründer, Leiterin der Grundschule in Oedekoven, begrüßt mehr Inklusion an Grundschulen als grundsätzlich gut und richtig.

Doch dafür benötige man die entsprechenden räumlichen und pädagogischen Rahmenbedingungen. "Inklusion ist ein langfristiger Prozess, den wir in kleinen Schritten gehen müssen", sagt Gründer. Sie hat Verständnis dafür, dass sich auch an ihrer Schule die Eltern von Kindern mit Förderbedarf für eine Förderschule mit jeweils spezialisierten Schwerpunkten entscheiden.

"Als unterstützungswürdiges Thema", bezeichnet Bürgermeister Rolf Schumacher den Vorstoß der Grünen. "Menschen mit Handicap gehören dazu." Er begrüßt, dass im Antrag der Grünen ausdrücklich ein abgestimmter Dialog mit den Schulleitungen und Lehrerkollegien gefordert werde.

"Das Thema ist bei uns angekommen. Aber wir sind erst am Anfang", sagt Markus Jüris, Fachgebietsleiter Sozialwesen bei der Gemeinde. "Wir müssen überlegen, wo wir Schwerpunkte setzen."

Der Schulausschuss der Gemeinde Alfter tagt am Dienstag, 5. Juni, ab 18 Uhr im Rathaus in Oedekoven, Am Rathaus 7. Die Sitzung ist öffentlich.

Inklusion
Der Begriff Inklusion bedeutet Einbeziehen, Dazugehörigkeit und entstammt dem UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Ziel ist die Gleichstellung behinderter Menschen in der Gesellschaft. Das Übereinkommen wurde 2006 von der Generalversammlung der UNO verabschiedet und trat 2008 in Kraft. Seit März 2009 ist diese Behindertenrechtskonvention auch in Deutschland gesetzlich verankert. Sie beinhaltet unter anderem das Recht behinderter Kinder, anstelle einer Förderschule eine Regelschule zu besuchen und gemeinsam mit nicht behinderten Schülern zu lernen.

Integrationsquote
In Alfter sind Kinder und Schüler mit Behinderungen bisher unterschiedlich in Kindertagesstätten und Regelschulen integriert. In der evangelischen Matthias-Claudius-Kindertagesstätte in Alfter und der katholischen Kindertageseinrichtung Sankt Jakobus in Gielsdorf gibt es zusammen 15 genehmigte Integrationsplätze. Das entspricht einer Integrationsquote von 1,7 Prozent. Der Wert an den drei Alfterer Grundschulen mit rund 900 Schülern beträgt null Prozent. An der Hauptschule in Oedekoven liegt die Integrationsquote bei 7,4 Prozent, im gesamten Rhein-Sieg-Kreis dagegen bei 20 Prozent.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort