Die Bodybuilder sind seit Wochen auf Diät

Internationale Westdeutsche Meisterschaft in der Rheinbacher Stadthalle - Je massiger der Körper, desto härter die Klänge - Der Jüngste ist 14 Jahre

  Bei der Pflicht  gilt es, alle Muskeln bis zum Äußersten anzuspannen.

Bei der Pflicht gilt es, alle Muskeln bis zum Äußersten anzuspannen.

Foto: Lannert

Rheinbach. Der Chihuahua ist das mit Abstand zierlichste Wesen an diesem Spätnachmittag in der Rheinbacher Stadthalle. Auf dem Arm seines Herrchens sieht das Hündchen mit den zitternden Segelohren aus wie ein Schmetterling, der sich auf einem Baumstamm niedergelassen hat.

Auch sonst misst weit und breit kein Oberarm weniger als Claudia Schiffers Taillenumfang. Einige Klischees, die Angehörige der "Pudding-Klasse" hegen könnten - wie Nicht-Trainierte hier liebevoll-spöttisch tituliert werden - scheinen sich zu bestätigen beim ersten Blick in die Runde der gut 40 Teilnehmer bei der Internationalen Westdeutschen Bodybuildingmeisterschaft.

Auf der Bühne gewaltige Muskelberge unter tiefbrauner Haut, vor der Bühne viel Wasserstoffblond und tiefe Ausschnitte beim weiblichen Publikum. Im hinteren Teil des Saales wird Getränkepulver mit Vitamin- und Mineralstoffzusätzen in Sechs-Kilo-Eimern verkauft. Der Hersteller ist Hauptsponsor der Veranstaltung.

Dirk Kau, Vorsitzender der westdeutschen Abteilung des National Athletic Comitee (NAC), einem der größten deutschen Bodybuilding-Verbände in Deutschland und Veranstalter der Meisterschaft, kann eine gewisse Resignation beim Umgang mit Medienvertretern nicht verbergen. "Ich kenne sie doch alle, die Vorurteile. Das Problem unserer Sportart ist, dass der Zuschauer nur das Resultat monatelanger Arbeit sieht. Welche Leistung hinter einem solchen Körper steckt, können Außenstehende nicht wissen. Und die Privatsender zeigen nur die Disco-Bodybuilder, die angsteinflößend aussehen wollen."

Gerade Frauen schrecke das ab, und so könne man beim Frauen-Bodybuilding schon längst nicht mehr von einer Trendsportart sprechen. Nur zwei Damen sind an diesem Nachmittag dabei - in der Fitnessklasse, in der es weniger um Masse als um gute Proportionen und weibliche Ausstrahlung geht, trotz der Muskelansätze.

Auf den zweiten Blick kann sich kaum jemand der Ästhetik dieser Sportart entziehen. Nach dem Pflichtteil der Wettbewerbe, dem Posing auf Zuruf der Jury - "Rückenansicht, bitte! Und jetzt eine Vierteldrehung nach links, meine Herren! Seitliche Trizeps-Pose!" - folgen die Küren. Muskeln anspannen nach Musik: Was seltsam klingt, funktioniert tatsächlich. Je massiger der Körper, desto härter die Klänge.

Die massivsten Teilnehmer spielen mit dem Bodybuilder-Image, fletschen die Zähne zu AC/DC, was weniger Drohgebärde als Zeichen äußerster Kraftanstrengung ist. Denn ein Bodybuilding-Wettkampf bedeutet sportliche Höchstleistung.

"Die Teilnehmer sind seit Wochen auf strenger Diät, viele entwässern ihren Körper, damit sich die Muskeln deutlicher unter der Haut abzeichnen. So im Scheinwerferlicht zu stehen, bei 50 Grad Hitze - das ist extrem", sagt Dirk Kau.

Und so glänzen die Muskeln auch weniger vom Sonnenöl als vom Schweiß, teilweise an Stellen, wo der Laie niemals Muskeln vermutet hätte. "Drück durch, Ingo", feuern Fans ihren Mann an.

In der Männer-Body-I-Klasse für Teilnehmer über 1,79 Metern ist die Anhängerschaft unter den gut 300 Zuschauern im Saal besonders groß. Gasdruckfanfaren erzeugen beinahe Stadion-Atmosphäre. Die Teilnehmer, die nicht mit gewaltigen Oberschenkeln und perfekten Meister-Proper-Latissimus-Muskeln am Rücken aufwarten können, setzen eher auf ihre Beweglichkeit, zeigen tänzerische Elemente zu Filmmusiken.

62 Jahre ist der älteste Teilnehmer, Mario Schicker aus Wuppertal mit seinen 14 Jahren der jüngste im Wettbewerb. Der Jungmann besitzt einen Körper, um den ihn die meisten erwachsenen Männer beneiden werden. Er trainiert seit zwei Jahren, hat angefangen, weil ein Freund ihn mit ins Studio nahm. Sein Traum: Bodybuilding-Profi.

"Alle sagen mir, ich soll es nicht übertreiben, weil ich ja noch im Wachstum bin", sagt Mario. Trotzdem trainiert er jeden Tag. "Ich glaub nicht, dass das schädlich ist. Schließlich halte ich meinen Körper damit fit." Am Ende wird Mario Letzter in der Junioren-Klasse, stolz auf sich ist er trotzdem.

Die Tagessieger: Dennis Wolf aus Duisburg in der Männer-Body-Klasse, Peter Urig aus Aachen in der Klasse Männer Figur-Leistung, Tanja Hardy aus Alzey in der Frauen-Klasse, Michael Sprick aus Bonn bei den Junioren und Stefan Höfer aus Siegburg bei den über 40-Jährigen. Sie alle werden am kommenden Samstag an der Deutschen Meisterschaft in Assberg teilnehmen - und mit etwas Glück vielleicht an der Weltmeisterschaft im Sommer auf Kreta.

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