Die Bahn zahlt ihm Miete für seinen Arbeitsplatz

Albert Söhngen ist neuer Besitzer des Witterschlicker Bahnhofs - Er will das denkmalgeschützte Gebäude im alten Stil renovieren und für die Räume neue Nutzungsmöglichkeiten finden

  Große Pläne:  Annette und Albert Söhngen vor ihrem Bahnhof.

Große Pläne: Annette und Albert Söhngen vor ihrem Bahnhof.

Foto: Henry

Alfter-Witterschlick. Albert Söhngen hat große Pläne. Er ist Fahrdienstleiter bei der Bahn und jetzt auch Besitzer seines Arbeitsplatzes. Seit dem 1. Oktober gehören ihm das Empfangsgebäude und die Güterhalle des Witterschlicker Bahnhofs. Die Augen des 45-Jährigen blitzen, wenn er erzählt, wie schön das Bahnhofsgelände bald werden soll.

Neuer Anstrich, Park-and-Ride-Plätze, neues Pflaster im Innenhof, grüne Giebel, Dachterrasse, Gastronomie, vielleicht sogar Fahnenmasten - die Ideen sprudeln aus Söhngen nur so heraus, als Bürgermeisterin Bärbel Steinkemper (CDU), Jörg Hild von der Bahn und weitere Kommunalpolitiker bei ihm zu Gast sind. Bei all den Plänen soll das denkmalgeschützte Gebäude jedoch so wenig wie möglich verändert werden. "Ich will hier alles im alten Glanz erstrahlen lassen", sagt Söhngen.

Während seiner Erzählungen schrillt, knattert und pfeift es immer wieder. Regionalbahnen kündigen sich an, die auf der Strecke zwischen Bonn und Euskirchen verkehren - und jedesmal ruft die Pflicht. Söhngen weiß genau, welche der großen schweren Hebel er wann umlegen, welche Kurbel er wann drehen und welchen Knopf er wann drücken muss. Im Witterschlicker Stellwerk ist auch im 21. Jahrhundert beim Umstellen von Signalen und Weichen immer noch Handarbeit gefragt. "Da spar ich mir die Hantelbank", sagt Söhngen.

Seit 31 Jahren arbeitet er bei der Bahn, die meiste Zeit auf dieser Strecke. Mit dem Kauf des Gebäudes hat sich in seinem Arbeitsalltag nicht viel geändert - außer, dass ihm die Bahn jetzt für seinen Arbeitsplatz Miete zahlt. "Die Bahn verkauft viele kleine Gebäude, deren Unterhaltung sich für das Unternehmen nicht mehr lohnt", sagt Hild von der DB Services Immobilien. Bundesweit seien es etwa 1 000.

Der Witterschlicker Bahnhof ist allerdings in mancher Hinsicht etwas Besonderes. Mit Söhngen hat sich ein echter Liebhaber als Käufer gefunden und im Gegensatz zu anderen verkauften Immobilien wird er noch für den täglichen Betrieb benutzt. Wie lange noch, ist ungewiss. Die Bahn plant ein zentrales modernes Stellwerk für die ganze Strecke zwischen Bonn und Euskirchen. Dann gibt es in Witterschlick nur noch die Bahnsteige und den Fahrkartenautomaten. Wenigstens fünf Jahre wird das aber noch dauern, schätzt Hild. Söhngen geht von zehn bis 15 Jahren aus.

Wenn es soweit ist, kann er sich vorstellen, das Stellwerk zu einer Gastronomie umzubauen. Zuvor warten aber noch viele andere Pläne auf ihre Realisierung. Der alte Wartesaal könnte vom Künstleratelier bis zum Kiosk vieles werden. Anfragen gibt es bereits, so Söhngen. Die Güterhalle wird derzeit als Lagerfläche genutzt. Die Wohnung im Obergeschoss des Empfangsgebäudes ist vermietet.

Zunächst will der neue Besitzer die Dächer von Empfangsgebäude und Güterhalle ausbessern, die Wände streichen und den Innenhof erneuern. Söhngen hofft darauf, dass bald endlich der geplante Buswendeschleife und der Park-and-Ride-Parkplatz gebaut werden. Bürgermeisterin Steinkemper hatte eine gute Nachricht für ihn: "Die Bezirksregierung hat die Gelder freigegeben."

Noch in diesem Jahr könne die Ausschreibung beginnen. Priorität habe zunächst die Wendemöglichkeit. Mit der Gemeinde Alfter arbeitet Söhngen eng zusammen. Sie verzichtete bereits gegenüber der Bahn auf ihr Vorkaufsrecht und stellte dem neuen Eigentümer Blumenkübel zur Verschönerung des Geländes zur Verfügung. Bärbel Steinkemper ist froh, dass der Bahnhof in guten Händen ist. Die Gemeinde hätte den Kauf nur schwer stemmen können. Und andere Investoren hätten die Immobilie vielleicht so genutzt, dass es dem alten Gebäude nicht gerecht geworden wäre.

Älteren Witterschlicker hätten ihm bereits zum Kauf gratuliert, sagt Söhngen. Sie freuten sich, dass er alles im alten Zustand erhalten wolle. Allerdings würden viele glauben, er habe das alte Gebäude für einen symbolischen Euro gekauft. Darüber schüttelt Söhngen den Kopf. "Die Bahn ist ein knallharter Geschäftspartner", sagt er. Einen sechsstelligen Betrag habe er investiert.

"Mein Mann musste viel Überzeugungsarbeit leisten", sagt Ehefrau Annette. Anfangs sei sie nicht von dem Vorhaben überzeugt gewesen, jetzt sei sie aber froh. "Wir wollten etwas Neues beginnen", erklärt Söhngen den Schritt. Schon lange habe er den Kauf vorgehabt. Bei vielen seiner Vorhaben - zum Beispiel das Flachdach der Empfangshalle zu einer Dachterrasse mit schmiedeeisernem Geländer auszubauen - kann er sich vorstellen, dass erst seine Kinder sie in Angriff nehmen werden. Seine Tochter ist 16, der Sohn 17 Jahre und macht derzeit eine Ausbildung - zum Lokführer.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort