Der Römer tönt, im Heurigen gibt's Pizza

Kulturnacht: Ein Streifzug durch die beliebte Bonner Großveranstaltung, an der 30 Einrichtungen teilnehmen - Ein donnernder Hammerflügel im Beethoven-Haus, Pantoffeln in der Kunsthalle und Stau im Gewächshaus

  In die Welt  der Prozessoren tauchten die Besucher im Arithmeum ein. Eine Führung erklärte die Arbeitsabläufe im Innersten eines Computers.

In die Welt der Prozessoren tauchten die Besucher im Arithmeum ein. Eine Führung erklärte die Arbeitsabläufe im Innersten eines Computers.

Bonn. Samstag, 19.32 Uhr. Die Bonner Kulturnacht ist in vollem Gange, 30 Kultureinrichtungen machen mit. Im Rheinischen Landesmuseum steht ein respekteinflößender römischer Soldat und blafft einen der rund 100 Zuschauer an: "Wir sprechen uns noch!" - "Aber ohne Schwert", kontert der Besucher und blickt schmunzelnd auf das "Gladius", das der Römer, gespielt von Tobias Gabrys, am Gürtel baumeln hat. Gabrys wird sich gleich Marco Grün vorknöpfen, denn der ist ein Germane. Zumindest an diesem Abend.

Grün legt Wert darauf, dass sein germanisches Gewand aus Wolle besteht und nicht etwa aus Kunstfaser. Eine Frage der Ehre. "Die Schwertscheide ist nach einem historischen Fundstück gefertigt und kein Phantasieprodukt", erklärt Grün, bevor er nach vorne muss. Gabrys, der Römer, erläutert dem Publikum detailliert, wie ein Germane mittels Schwert kampfunfähig gemacht werden kann. Mit dem Hinweis: "Bitte nicht zu Hause nachmachen."

20.13 Uhr, Beethoven-Haus. Führerin Gitta Schatz rauscht mit einem strahlenden Lächeln durch den Flur: "Das Kanon-Singen war ein voller Erfolg, die Bonner sind richtig begeisterungsfähig." Und Musikfreunde, klassische in diesem Fall, sind die Bonner auch. An einem Hammerflügel von 1824, der fünf statt der üblichen zwei Pedale besitzt, spielen Camilla Köhnken und Peter Köcsky, knapp 60 Zuhörer, der Raum ist voll, lauschen beglückt.

20.44 Uhr, Haus der Geschichte. Der Wiener Kabarettist Fredi Jirkal, tags zuvor noch im Donauzentrum seiner Heimatstadt aufgetreten, hat Mühe, das Publikum zum Lachen zu bringen. Möglich, dass es an seinen Wortspielen liegt, die zwar mitunter charmant und originell sind, aber Wiener Dialekt versteht eben nicht jeder.

Ein "Abend beim Heurigen" soll es sein im Haus der Geschichte, aber karge Biertische und Bänke, ohne Dekoration - a bisserl wenig für urige Heurigen-Atmosphäre. Eher untypisch auch das Essen: Pizza, Bockwurst und Frikadellen. Immerhin wird mit einem Grünen Veltliner, Jahrgang 2004, Heuriger in die Weingläser gefüllt.

21.06 Uhr, Kunst- und Ausstellungshalle. Die Besucher können an einem Ausstellungsquiz zur Schau "Nationalschätze aus Deutschland" teilnehmen. Und gewinnen - sofern sie alle zwölf Fragen richtig beantwortet haben und auch noch die passende Zahl würfeln. "Jeder, der vor der Wahl stand, Mousepad oder Hausschuhe, hat sich ohne Zögern für unsere wunderbar wärmenden Luxus-Pantoffeln entschieden", weiß Anja-Kathrin Meinken am Quizstand zu berichten. Tatsache: Von den daunengefüllten Hausschuhen der Kunsthalle im schicken Dunkelblau sind nur noch wenige Exemplare da.

21.25 Uhr, Kunstmuseum. Groß und Klein bemalen im Foyer eifrig Karton-Karten, die ineinander gesteckt werden und am Ende ein Haus bilden sollen, das in Bezug zu der arabischen Ausstellung steht. "Thema Schrift, Thema Wüste: Viele Künstler arbeiten mit Kalligraphie, das wollten wir aufgreifen", sagt Nina Finis, freie Mitarbeiterin im Kunstmuseum. "Wir werden sehen, wie das Haus wächst und sich entwickelt."

22.04 Uhr, Botanischer Garten am Poppelsdorfer Schloss. Längst kein Geheimtipp mehr in der Bonner Kulturnacht. Dichtes Gedränge auf den schmalen Wegen im Gewächshaus, zwischen den exotischen Pflanzenriesen geht es nur im Schneckentempo vorwärts. Am Victoriabecken wabern brummende Didgeridoo-Klänge durch die schweißtreibende Luft. Draußen prasselt der Regen auf die gläserne Haut des Gewächshauses. Die Kulturnacht ist noch lange nicht zuende.

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