"De Trööt" war eine strenge Dame

Nur wer einen Spitznamen hatte, galt auch als "echter" Königswinterer

"De Trööt" war eine strenge Dame
Foto: Holger Handt

Königswinter. "Ich sagte zu ihr ,Tach, Frau Frankreich!' Und sie hatte einen Riesenspaß, wenn sie so angeredet wurde." Dabei hieß Frau Frankreich eigentlich Frau Köppchen.

Ihren Namen hatte sie praktisch von ihrem Mann geerbt. Fritz Köppchen war als Soldat in Frankreich. "Wenn er später etwas erzählte, dann von dort. So wurde er der ,Herr Frankreich'", berichtete Günter Hank.

Es dürften sich nicht alle so erfreut gezeigt haben über ihren Spitznamen wie "Frau Frankreich". Wer will schon gern für andere Dubbelarsch, Aahle Mann, Aap, Eier-Willi, Fürzje, Höre se mal, Kanarienvüelchens-Franz, Kohlrabenarsch, Muhsköttel, Kack-Peter oder Zuppewursch sein. Aber haargenau über Spitznamen in der Drachenfelsstadt hielt der Altbürgermeister bei der Frauengemeinschaft St. Remigius kürzlich einen Vortrag.

Herbert Menden hatte dazu eine Steilvorlage erteilt. Er stellte nämlich eine Liste mit um die 200 Spitznamen zusammen, denen er die "Klarnamen" der betreffenden Königswinterer sowie deren Beruf und die Anschrift hinzufügte.

An einige erinnerte Hank auf amüsante Weise. Schließlich sind es die Eigenheiten, die zu den Spitznamen führten. "Et Melk Marie" von der Meerkatzstraße war für ihn selbst ein besonderer Fall. Als er als Junge in eine Schneeballschlacht verwickelt war, flogen auch einige Bälle durch das offene Fenster ihrer Wohnung.

Sie beschwerte sich beim Kaplan und beschuldigte den kleinen Günter. Seine Schneebälle wären in ihrem Bett gelandet und zerschmolzen. Der Geistliche informierte die Eltern und der Sohn musste einen Entschuldigungsbrief schreiben. "Darin stand: ,Ich habe Ihr Bett nicht nass gemacht.' Meine Eltern haben sich kaputtgelacht." Der Spitzname aber dürfte auf ihre erhebliche Oberweite zurückzuführen sein.

Auch Hanks Großmutter Maria Linxweiler hatte ihre Extra-Bezeichnung. Sie war eine der wenigen Damen mit Spitznamen, nämlich "et Lappe Bärb". Hank: "Mit meinem Großvater reiste sie nach England. Ihre Kleider von dort waren für Königswinter etwas erstaunlich. Meine Mutter fand das despektierlich. Aber ich habe später mein Paddelboot ,Lappe Bärb' genannt."

Warum erhielten Leute früher einen Spitznamen? Hank: "Seit etwa 250 Jahren hatten fast alle einen Hausnamen. Durch Ehe und Geburten kamen immer mehr zu den gleichen Nachnamen. Der Spitzname sollte ein Charakteristikum sein und ist grundsätzlich in Platt."

Um keinen echten Spitznamen handelt es sich allerdings, wenn er einen Restanteil vom Familiennamen wie der "Stenze Hein" enthält. Der führte das Hotel "Alt Heidelberg", hatte Anfang der 30er Jahre eine eigene Partei und war im Stadtrat. Hank: "Wer einen Spitznamen hatte, war ein echter Königswinterer, er war angenommen." Ärzte oder gar Adlige wurden nicht damit bedacht.

Dafür ernannten die Königswinterer schon mal per Neckname einen einfachen Mann zu etwas Besserem. "Baron Korf" wurde der Techniker Korf gerufen. "Doktor Land" war Landstreicher Johann Land. Küchenchef Werner Ermekeil wurde mit dem Titel "Prinz" ausgestattet. Er war immerhin ein Karnevalsprinz. "Spitznamen waren ein Bestandteil unserer Jugend. Wenn wir diese Namen hören, werden verschüttete Erinnerungen lebendig", meinte Hank. Die Zwischenrufe aus dem Publikum sprachen Bände.

"De Trööt" nannten die Schüler ihre Lehrerin Katharina Trompeter. "Eine strenge Dame." Lehrer Franz Broch war der "Leider drei". Konrektor Nikolaus Philippi wurde "Regimentspinsel" gerufen, und Hauptlehrer Josef Becker "Siefnas". Architekt und Bildhauer Franz-Josef Krings, der auch den Weinbrunnen schuf oder den Umbau der Villa von Leonhart vornahm, war für die Einheimischen der "Rasputin".

Als "Kamelle-Leutnant" wurde Ludwig Wessel betitelt: Nach dem Ersten Weltkrieg war seine aktive Offizierslaufbahn vorbei und so hielt er sich mit Bonbonverkauf an der Bahnhofstraße über Wasser. Wenn Hank auf dem Kinderstuhl im Salon des Friseurs Josef Eichas saß, blickte er direkt auf das Regal mit den aufgereihten Rasierpinseln der Kunden und erinnert sich genau an die Aufschrift "von Öpen".

Das war ein Konditor und auch als "Höörnche" bekannt. "Brillante-Theo" hieß Metzger Theo Füllenbach. Hank: "Er belieferte große Häuser und die Köln-Düsseldorfer und trug dicke Brillanten."

Elisabeth Weidenbrück von der Drachenfelsstraße, "et Mosters Liss", verkaufte Senf. "Bei einem Karnevalsball wurde mein Vater zum Tanz aufgefordert. Nach der Demaskierung kam ,Mosters Liss' heraus", schmunzelte Hank. Berühmt ist auch "dat Deck Portemonnaie". Hank: "Sie hat das Geld zusammengehalten und ihren Kindern einiges hinterlassen." Es war die Schwester von Ratsmitglied Jakob Koll. Hank selbst bekam keinen Spitznamen ab. Ein Original ist er trotzdem.

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