Gedämpfte Hoffnungen So reagieren Händler in Bonn und der Region auf die neuen Corona-Regeln

Bonn/Region · Die Nachricht kam kurzfristig, aber sie war lang ersehnt: Nach der Verordnung des Landes dürfen Geschäfte unter 800 Quadratmetern ab Montag unter Auflagen wieder öffnen, und bei vielen Geschäftsleuten laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Doch die Hoffnungen sind gedämpft.

In der Bonner Innenstadt hat das Team eines Oberbekleidungsgeschäftes großflächgige Plakate entworfen und wünscht: "Bleiben Sie gesund!"

In der Bonner Innenstadt hat das Team eines Oberbekleidungsgeschäftes großflächgige Plakate entworfen und wünscht: "Bleiben Sie gesund!"

Foto: Meike Böschemeyer/MEIKE BOESCHEMEYER

Plexiglasscheiben an der Kasse, Mundschutz für die Verkäufer, Abstands-Aufkleber auf dem Boden: Daran hat man sich in den Supermärkten in der Corona-Krise schon gewöhnt. Ab Montag darf der Einzelhandel in Bonn und der Region wieder öffnen und bereitet sich ähnlich auf die Kunden vor. Feste Regeln gibt es nur wenige, was Vor- und Nachteile mit sich bringt. Bei den Händlern sind die Erwartungen gedämpft.

„Einen riesigen Ansturm erwarten wir nicht, so ist mein Bauchgefühl“, sagt Jannis Vassiliou, Vorsitzender des Einzelhandelsverbends Bonn Rhein-Sieg Euskirchen.

Vassiliou baut sein Schmuckgeschäft in der Bonner Innenstadt bis Montag an vielen Stellen um. Es steht die übliche Plastikscheibe, zwei Tresen sind zusammengeschoben, um den Abstand zwischen Verkäufern und Kunden zu wahren. „Bezahlt wird mit dem mobilen Kartenlesegerät, das wir durchreichen“, erzählt er. Eine Beratung gibt es nur aus sicherer Distanz, dazu Hinweisschilder und kostenloses Desinfektionsmittel. „Das hatten wir aber auch schon, bevor wir schließen mussten.“ Die Bereitschaft der Kunden, es zu nutzen, habe sich vor einigen Wochen noch in Grenzen gehalten.

Keine festen Vorschriften für Umsetzung

Was jeder Händler in seinem Geschäft unternehmen muss, ist nicht genau festgeschrieben. In der Coronaschutzverordnung des Landes NRW, die in einer neuen Fassung am Montag in Kraft tritt, heißt es lediglich: „Alle Einrichtungen haben geeignete Vorkehrungen zur Hygiene, zur Steuerung des Zutritts, zur Vermeidung von Warteschlangen und zur Gewährleistung eines Mindestabstands von 1,5 Metern zwischen Personen zu treffen.“ Auch die Stadt Bonn macht keine genauen Vorgaben und verweist auf die Verordnung. Maike Reinhardt vom City-Marketing hätte sich genauere Informationen erhofft. „Für jeden ist da nun etwas Luft drin, deshalb sollte man an den gesunden Menschenverstand appellieren“, sagt sie. Vassiliou findet, dass zu strenge Regeln auch kontraproduktiv sein können. „Die Händler kennen ihre Läden am besten, die Behörden eben nicht. Wir werden alles Nötige tun, weil wir offen bleiben wollen.“ Generell hält er eine Mundschutz-Pflicht für angebracht.

Unklare Lage und Ausnahmen

Willi Wittges-Stoelben, Inhaber von Yonelli Mode in Meckenheim, wartet zwar noch auf eine Verfügung der Stadt, die die NRW-Verordnung vom Donnerstag umsetzt. Er geht aber fest davon aus, am Montag öffnen zu können. Diesen Samstag werden er und sein Team das Geschäft grundreinigen und desinfizieren. „Es wird natürlich darum gehen, möglichst kontaktlos zu arbeiten. Wir werden die Leute so durchführen, dass sie keinen Gegenverkehr haben.“ Desinfektionsmittel, Einmalschutzmasken und -handschuhe würden für die Kunden bereitstehen. Die Masken beziehe er vom Druckcenter Meckenheim für 30 Cent das Stück. „Für heutige Verhältnisse ein guter Preis“, findet Wittges-Stoelben. Seine Mitarbeiter werden Stoffmasken tragen, die bei 95 Grad waschbar sind.

Eine Ausnahme der 800-Quadratmeter-Regel gilt in NRW für Möbelgeschäfte. Bei Porta in Bornheim kann es sofort losgehen. „Vor der Schließung hat der Hausleiter gesagt: ‚Bereitet alles wie bei einer Neueröffnung vor’“, berichtet Pressesprecher Holger Wetzel. Das Unternehmen habe sich Tausende Schutzmasken sichern können, die es für Kunden kostenfrei gebe. „Die EC-Terminals desinfizieren wir nach jedem Kunden, nicht wie empfohlen nach jedem fünften“, sagt er. Auch Handläufe und Beratungstische würden regelmäßig desinfiziert.

Zum Unterschreiben erhalte jeder Kunde einen eingeschweißten Kugelschreiber. An den Kassen zeigen Punkte auf dem Boden, wo sie stehen sollen. Zu den Auflagen gehöre, dass Restaurant, Café und Kinderklub geschlossen bleiben müssen. Wetzel rechnet mit einem gewissen Andrang zur Wiedereröffnung. „Durst ist schlimmer als Heimweh, sagt man. Die Lust des Deutschen zu kaufen ist doch noch größer als die Angst vor Corona.“ Das zeigten auch die guten Zugriffszahlen bei den Online-Angeboten.

Schritt für Schritt wieder aufmachen

Ein bisschen schnell seien die Auflagen für den Einzelhandel gekommen, findet Gaby Seeger, die in Heisterbacherrott den „Buchladen“ führt. In den vergangenen Wochen hätten sie gut zu tun gehabt, die Königswinterer hätten per Mail oder telefonisch bestellt, die Auslieferung sei per Fahrrad erfolgt. „Die Menschen denken an uns kleine Händler“, sagt sie. Mit den Lockerungen müsse nun gewährleistet sein, dass die geforderten Schutzmaßnahmen auch umgesetzt werden könnten. Welche genau das sind, könne sie aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. „Da warten wir auf entsprechende Informationen vom Land.“

Desinfektionsmittel und Masken für ihre vier Mitarbeiterinnen und die Kunden müssten organisiert werden. Voraussichtlich Mitte nächster Woche sei auch die neue Schutzwand für die Abholstation installiert. „Dann können wir die Öffnungszeiten langsam erweitern. Ich gehe davon aus, dass wir peu à peu öffnen. Wir brauchen diesen Zeitpuffer für die Kunden und für uns.“

Gewerbegemeinschaft setzt auf Mundschutz

Die Gewerbegemeinschaft Beuel hat eine Mundschutz-Aktion ins Leben gerufen: Am Sonntag – nach verbindlicher Vorbestellung – können Bonner Händler Mundschutze in Hunderter-Paketen am Beueler Rathaus abholen. Pro Stück werden 40 Cent fällig.

Laut Reinhardt wollen fast alle Geschäfte, die öffnen dürfen, das auch machen – und zwar stadtweit. „Mir ist nur ein Fall bekannt, bei dem man noch etwas mit der Zentrale abklären und deshalb erst am Mittwoch aufmachen will“, sagt sie. Zum normalen Betrieb gebe es kaum Unterschiede. „Manche haben eine etwas längere Mittagspause oder schließen etwas früher.“ Von einem Ansturm auf die Geschäfte geht niemand aus. „So wirkt die jedenfalls derzeitige Atmosphäre“, sagt Vassiliou. Dennoch sei selbst der kleinste Umsatz nach mehreren Wochen Pause wichtig.

Die Lockerung der Schutzmaßnahmen betrifft auch die sozialen Einrichtungen Bike-House, wo Fahrräder verkauft und repariert werden, sowie die Second-Hand-Boutique „Das Lädchen“.

Unklarheit herrscht derzeit noch bei der Regelung, dass nur Läden bis 800 Quadratmeter Verkaufsfläche – bis auf wenige Ausnahmen – öffnen dürfen. So sind die großen Kaufhäuser Karstadt, Sinn und Kaufhof weiterhin geschlossen. Laut NRW-Wirtschaftsministerium dürfen sie ihre Verkaufsfläche auch nicht künstlich verkleinern – vorerst. Der Handelskonzern Karstadt-Kaufhof hat Klage eingereicht.

Die Bonner Citiy-Parkraum (BCP), die die meisten Parkhäuser bewirtschaftet, hält an den aktuellen Bestimmungen vorerst fest. Manche Ebenen sind geschlossen, Öffnungszeiten geändert. „Die BCP ist jederzeit kurzfristig in der Lage, Parkebenen flexibel wieder freizugeben und die Öffnungszeiten anzupassen, sofern sich die Nachfrage ändern sollte. Erst einmal werden die geänderten Öffnungszeiten beibehalten und die Situation beobachtet“, erklärt Sprecherin Veronika John.

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