Bildung und Inklusion Bornheim und Königswinter retten ihre Schulen

Rhein-Sieg-Kreis · In Bornheim hat Inklusion einen hohen Stellenwert. Doch als die Förderschule vor dem Aus stand, fand man einen kreativen Weg, um sie zu retten. In Rheinbach musste die Einrichtung hingegen schließen.

Für die Albert-Schweitzer-Schule kam 2016 das Aus.

Für die Albert-Schweitzer-Schule kam 2016 das Aus.

Foto: Axel Vogel

Wenn Franziska Föhmer zwischen beiden Standorten ihrer Schule wechseln will, muss sie ins Auto steigen. Die Strecke ist rund 20 Kilometer lang und führt über den Rhein. Föhmer ist Leiterin einer Schule mit Standorten in Bornheim-Uedorf und Königswinter-Niederdollendorf. In beiden Schulgebäuden werden Jungen und Mädchen mit den Förderschwerpunkten Sprache und Lernen unterrichtet. Dass das überhaupt noch möglich ist, liegt an den Städten Bornheim und Königswinter. Sonst gebe es die beiden Förderschulstandorte heute nicht mehr.

Im Trauzimmer des Bornheimer Rathauses hatten Vertreter beider Städte vor fast genau vier Jahren, am 14. November 2014, die Vereinbarung zum Zusammenschluss der Verbundschule Uedorf und der Niederdollendorfer Drachenfelsschule unterzeichnet. Zuvor hatten die politischen Gremien beider Städte dem zugestimmt, das Okay der Bezirksregierung folgte später. Seit Beginn des Schuljahres 2015/16 sind beide Schulen offiziell eine Einrichtung. Anlass für die ungewöhnliche Aktion war die akute Bedrohung beider Einrichtungen.

Eine von der damaligen rot-grünen Landesregierung erlassene, unter Schwarz-Gelb mittlerweile ausgesetzte, Verordnung sah eine Mindestgröße von 144 Schülern für Förderschulen mit dem Schwerpunkt Sprache und Lernen vor. „Als die Zusammenlegung kam, hatten wir in Bornheim noch 79 Kinder, in Königswinter 81 – zusammen also 160 Kinder“, erläutert Föhmer. Jetzt haben wir an beiden Standorten zusammen 260 Kinder. „Wir sind unglaublich froh, dass wir damals diesen Schritt getan haben. Es waren viele daran beteiligt: Schulträger, Schulverwaltung, die Kreisverwaltung. Die Schülerzahlen sprechen für sich“, sagt sie.

„Mit Königswinter passte das ganz hervorragend“

Als klar gewesen sei, dass die Förderschulen gefährdet sind, habe man kreuz und quer Gespräche geführt, sagt Bornheims Bürgermeister Wolfgang Henseler: zwischen den Kommunen, mit dem Kreis und dem Landschaftsverband Rheinland. „Mit Königswinter passte das ganz hervorragend“, meint Henseler. Die Bereitschaft zur Kooperation sei sehr groß gewesen, Verwaltung und Politik hätten schnell an einem Strang gezogen.

So bleibt die Verbundschule ein wichtiger Bestandteil der Inklusion in Bornheim. Die Verantwortlichen sind sich einig, dass eben nicht jedes Kind mit Förderbedarf an einer Regelschule unterrichtet werden kann. Es gebe Kinder, die ein anderes Umfeld brauchen, meint Bornheims Sozialdezernentin Alice von Bülow.

Die Eltern müssten sich überlegen, was für das Wohl des Kindes gut ist. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen ist die Inklusion in der Bornheimer Bildungslandschaft angekommen. „Alle Grundschulen in Bornheim sind inklusiv“, sagt Uta Scheuer, Leiterin der Roisdorfer Sebastian-Schule. Alle Einrichtungen im Stadtgebiet leisteten sehr gute Arbeit, findet sie. „Das ist die Haltung, die wir in Bornheim haben“, so Scheuer. Mit der einmal jährlich stattfinden Zukunftswerkstatt, in der sich alle Akteure aus dem Bildungsbereich austauschen, habe man sich gemeinsam auf den Weg macht.

An der Roisdorfer Grundschule haben 18 von 214 Kindern einen Förderbedarf, sei es im Bereich Hören und Kommunikation, im Bereich emotionale und soziale Entwicklung oder auch in den Bereichen Sprache und Lernen. Allerdings fasse man den Bereich Inklusion sehr weit, erläutert Scheuer. Es gehe auch darum, Kinder mit verschiedenen religiösen oder kulturellen Hintergründen einzubinden. „Wir nehmen Nächstenliebe ernst“, fasst es Scheuer zusammen. Das erste Kind, das man klassisch unter den Begriff Inklusion fassen würde, sei 2008 gekommen, erläutert Scheuer. Damals habe man noch überlegt, ob die Inklusion mit einer sogenannten FM-Anlage gelingen könne. Diese brauchte das schwerhörige Kind, um dem Unterricht zu folgen. Folgt man den Ausführungen Scheuers, ist das Kollegium – auch nach Fortbildungen – heute sicher im Umgang mit Inklusion, und kreativ. So berichtet die Rektorin von einem mutistischen Kind, das nur mit Gleichaltrigen, aber nicht mit Erwachsenen spricht. Wie soll man in diesem Fall die mündliche Mitarbeit benoten? Mit einem Aufnahmegerät, erläutert Scheuer. Das Kind spricht hinein, und die Lehrer hören es ab.

„Die Förderschule war immer eine Angebotsschule“

Unterstützt wird das Kollegium bei der zeitlich intensiven Herausforderung Inklusion von einem Sonderpädagogen sowie einer Sozialarbeiterin. Zwei Kinder haben einen Schulbegleiter, dazu kommt eine Stelle im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres. Dennoch hat die Inklusion an der Roisdorfer Grundschule Grenzen, zwei um genauso zu sein. Manche Kinder seien an einer Förderschule einfach besser aufgehoben, meint Scheuer. Dazu kommt der bauliche Aspekt. Man habe kein behindertengerechtes WC, das Kinder im Rollstuhl nützen könnten. Generell brauche Inklusion einen großen personellen Einsatz und die Zuwendung zum Kind.

Bauliche Fragen seien an allen Bornheimer Schulen ein großes Thema, sagt Bürgermeister Henseler. Nicht in dieser Hinsicht, sondern der Bewältigung der Inklusion im Allgemeinen wünscht sich auch die Stadt Bornheim mehr Unterstützung durch das Land. Man werde ein Stück weit alleine gelassen, ergänzt die Sozialbeigeordnete von Bülow. So wichtig das Thema sei, Inklusion dürfe nicht mit der Brechstange betrieben werden, findet Henseler. Gerade im Schulsystem müsse man behutsam vorgehen.´

Für Föhmer haben Förderschulen einen festen Platz in der Inklusionsdebatte. „Die Förderschule war immer eine Angebotsschule“, sagt sie. Die Eltern nähmen dieses Angebot wieder viel mehr wahr, da die Bedingungen anders seien als das, was das allgemeine Schulsystem vorhalten könne. Die Lehrer-Schüler-Relation liege bei 1:10, während das Verhältnis an einer allgemeine Schule 1:30 ausmache.

Nach wie vor ist es ein wichtiges Anliegen, dass es irgendwann eine gesellschaftliche und politische Teilhabe von Menschen mit Förderbedarf im wirklichen Sinne gibt, sagt Föhmer weiter. In der UN-Konvention sei aber nicht die Rede davon, Förderschulen zu schließen, sondern jeden Lernenden gemäß seiner Bedürfnisse bestmöglich zu unterrichten.

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