GA-Serie "Rheinische Redensarten" Bess net esu fimmschich

In der Serie „Rheinische Redensarten“ beleuchten wir mit Unterstützung von Dialektsachverständigen bedeutungstiefe Redewendungen.

Sei nicht so empfindlich!

Sei nicht so empfindlich!

Foto: GA-Grafik

Das hier ist wirklich mal was ganz anderes. Die rheinische Redensart, mit der wir uns jetzt beschäftigen hat eine ganz besondere Bedeutungsnuance. Und sie ist nicht gleich übersetzbar. Der Satz „Bess net esu fimmschich“ wird im Rheinland gerne eingesetzt und gilt als typisches Mundartwort. Oft benutzen es Eltern als Erziehungsmittel gegenüber ihren Kindern. In diesem Fall ist die treffendste Übersetzung: Sei nicht so empfindlich.

Und das ist wirklich bemerkenswert, denn üblicherweise lässt der Rheinländer dem Mitmenschen so ziemlich alles durchgehen. Denn er ist ja aus Tradition tolerant. Jeder Jeck darf so jeck sein, wie er will. Er darf auch kniestich sein, also geizig. Er darf sogar ein Sackgeseech, also ein ganz fieser Zeitgenosse sein, und er bleibt trotzdem allgemein anerkannt und respektiert.

Eines aber sollte er keinesfalls sein: Nämlich empfindlich, schwächlich, ängstlich, allzu zart. Denn dann steht zu erwarten, dass er mit den Härten des Lebens nicht wird klar kommen. Ja, er würde aller Voraussicht nach am Alltag zerbrechen. Dementsprechend ist der Vorwurf fimmschich zu sein schon ein äußerst wichtiger Ratschlag, wenn er früh im Leben erteilt wird, und eine echte Herabwürdigung, wenn er sich gegen einen ausgereiften Charakter richtet.

Erstaunlich ist die Herkunft des Wortes. Im Neuen Kölnischen Sprachschatz von Adam Wrede aus dem Jahre 1958 wird es mit „angefault“ und „übelriechend“ übersetzt. Das war wohl auch die ursprüngliches Bedeutung. Allerdings hat Sprachwissenschaftler Peter Honnen in seinem druckfrischen Herkunftswörterbuch der Umgangssprache an Rhein und Ruhr „empfindlich“ als eine Übersetzungsvariante destilliert. Laut ihm kann es in der Eifel auch bedeuten, dass man sich „Krankheiten einbildet“. Diese Eigenschaft wird erstaunlicherweise gerne Männern zugeschrieben. Stichwort: Unheilbarer, lebensbedrohlicher Männerschnupfen.

Im südlichen Rheinland kommt auch noch die Bedeutung „ängstlich“ hinzu, wenn etwa jemand übermäßigen Respekt vor dem Hofhund des Nachbarn zeigt. Die Charakterisierung kann sich aber auch auf einen Gegenstand beziehen und dann „schwach gebaut“ bedeuten. Ein fimmschicher Dachgepäckträger kann wackelig und wenig vertrauenserweckend daherkommen, so dass man sich nicht traut, selbst die leichtesten Gegenstände darauf zu befestigen. Eigentlich komisch, dass dieses Wort fast ausschließlich mit Entitäten der Männerwelt assoziiert wird.

Haben auch Sie einen rheinischen Lieblingsspruch, dann mailen Sie ihn uns unter rheinisch@ga.de. Die „Rheinischen Redensarten“ aus der wöchentlichen Kolumnenserie des General-Anzeigers sind als Buch erschienen und ab sofort in den GA-Geschäftsstellen und im Handel zu haben. Das gedruckte Werk hat die Edition Lempertz verlegt, ISBN: 978-3-96058-211-3, es kostet 9,99 Euro.

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