Sozialausschuss Asylbewerber in Bonn bekommen Gesundheitskarte

BONN · Die Stadt Bonn wird 2016 als eine der ersten Städte in Nordrhein-Westfalen die Gesundheitskarte für Flüchtlinge und Asylsuchende einführen. Dafür stimmte am Mittwochabend der Sozialausschuss, nachdem Ende vergangener Woche die Krankenkassen und das NRW-Gesundheitsministerium die nötige Rahmenvereinbarung unterzeichnet hatten.

Die Stadt wird an dem sogenannten Landesbekundungsverfahren (siehe Info) teilnehmen, damit Flüchtlinge in Bonn vermutlich ab dem ersten Quartal nächsten Jahres ohne vorherige Behördengänge einen Arzt aufsuchen können. Die vom Land vermittelte Krankenkasse übernimmt gegen eine Pauschale die Bearbeitung. "Ich bin froh über diese vernünftige Entscheidung. Einige Kommunen müssen diesen Schritt vormachen, um den Druck auf den Bund zu erhöhen", sagte Dezernentin Angelika Maria Wahrheit. Sie sprach von "vertretbaren" bis zu 150 000 Euro Mehrkosten für die Stadt.

Nur Andrea Konorza, Allianz für Bonn, hatte mit dem Argument dagegen gestimmt, man könne den gesetzlich Versicherten nicht zumuten, diese Karte für Flüchtlinge zu tragen. "Ihre Aussage ist völlig undiskutabel und katastrophal. Seit Monaten haben wir uns ohne Parteienstreit mit der Verwaltung für diese vernünftige Lösung eingesetzt", sagte Georg Goetz (CDU).

Fälle wie den des heute in Bonn lebenden Syrers Ahmad wird es dann in Zukunft nicht mehr geben. In seiner ersten Unterkunft außerhalb Bonns hätten ihn furchtbare Schmerzen geplagt, erzählt der Flüchtling. Aber zum Arzt habe er nicht gehen dürfen. "Die Mitarbeiterin der Verwaltung sagte mir, das sei schon nicht so schlimm." 20 Tage habe er vergeblich um ihr Einverständnis gebettelt. "Erst nach 20 Tagen brachte man mich ins Krankenhaus." Der schmerzende Zahn konnte nicht mehr gerettet werden.

Ahmad hat seine Erfahrungen kürzlich bei einer Diskussionsveranstaltung der Bonner Kritischen Medizinstudenten zum Thema Gesundheitskarte geschildert. "Auch in Bonn gibt es Fälle, dass Asylbewerber schweren gesundheitlichen Schaden genommen haben, weil sie nach dem aktuellen Verfahren zu lange auf eine ärztliche Behandlung warten mussten", hatte Hidir Celik, Leiter der Evangelischen Flüchtlingsarbeit, berichtet.

Die aktuelle Regelung sei eine Qual, so Ahmad. "Man wird nur behandelt, wenn ein Sachbearbeiter vom Sozialamt einen zum Gesundheitsamt schickt." Dort werde man vom Facharzt geprüft. Dann schicke das Amt die Überweisung zum Rathaus, wo man sie dann gestempelt abholen könne. "Ein ziemlich langer Weg, um zum Arzt zu kommen. Gerade wenn man die Sprache nicht spricht," sagt Ahmad, der sich inzwischen gut in Deutsch verständigen kann und deshalb andere Betroffene bei den Behördengängen begleitet.

Ahmad weiß, dass er mit dem Verlust des Zahns noch Glück hatte. Über Monate ging der Fall des kleinen Leonardo durch die Presse, der im Asylbewerberheim Zirndorf knapp dem Tod entging: Das Personal hatte seine schwere Infektion nicht ernst genommen. Die Behandlung des heute behinderten Jungen kostet den Staat nun mehrere Hunderttausend Euro. Es ging alles rechtens zu: Nach Paragraf 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes müssen medizinische Laien bislang sogar zu Entscheidern über Leben und Tod werden.

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